Die Grundlagen der Arithmetik. Frege Gottlob. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frege Gottlob
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066114145
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       Gottlob Frege

      Die Grundlagen der Arithmetik

      Eine logische mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

       [email protected]

      EAN 4064066114145

       Einleitung.

       I. Meinungen einiger Schriftsteller über die Natur der arithmetischen Sätze.

       Sind die Zahlformeln beweisbar?

       Sind die Gesetze der Arithmetik inductive Wahrheiten?

       Sind die Gesetze der Arithmetik synthetisch apriori oder analytisch?

       II. Meinungen einiger Schriftsteller über den Begriff der Anzahl.

       Ist die Anzahl eine Eigenschaft der äusseren Dinge?

       Ist die Zahl etwas Subjectives?

       Die Anzahl als Menge.

       III. Meinungen über Einheit und Eins.

       Drückt das Zahlwort »Ein« eine Eigenschaft von Gegenständen aus?

       Sind die Einheiten einander gleich?

       Versuche, die Schwierigkeit zu überwinden.

       Lösung der Schwierigkeit.

       IV. Der Begriff der Anzahl.

       Jede einzelne Zahl ist ein selbständiger Gegenstand.

       Um den Begriff der Anzahl zu gewinnen, muss man den Sinn einer Zahlengleichung feststellen.

       Ergänzung und Bewährung unserer Definition.

       Unendliche Anzahlen.

       V. Schluss.

       Andere Zahlen.

       Fußnoten

       Inhaltsverzeichnis

      Auf die Frage, was die Zahl Eins sei, oder was das Zeichen 1 bedeute, wird man meistens die Antwort erhalten: nun, ein Ding. Und wenn man dann darauf aufmerksam macht, dass der Satz

      »die Zahl Eins ist ein Ding«

      keine Definition ist, weil auf der einen Seite der bestimmte Artikel, auf der andern der unbestimmte steht, dass er nur besagt, die Zahl Eins gehöre zu den Dingen, aber nicht, welches Ding sie sei, so wird man vielleicht aufgefordert, sich irgendein Ding zu wählen, das man Eins nennen wolle. Wenn aber Jeder das Recht hätte, unter diesem Namen zu verstehen, was er will, so würde derselbe Satz von der Eins für Verschiedene Verschiedenes bedeuten; es gäbe keinen gemeinsamen Inhalt solcher Sätze. Einige lehnen vielleicht die Frage mit dem Hinweise darauf ab, dass auch die Bedeutung des Buchstaben a in der Arithmetik nicht angegeben werden könne; und wenn man sage: a bedeutet eine Zahl, so könne hierin derselbe Fehler gefunden werden wie in der Definition: Eins ist ein Ding. Nun ist die Ablehnung der Frage in Bezug auf a ganz gerechtfertigt: es bedeutet keine bestimmte, angebbare Zahl, sondern dient dazu, die Allgemeinheit von Sätzen auszudrücken. Wenn man für a in a + a − a = a eine beliebige aber überall dieselbe Zahl setzt, so erhält man immer eine wahre Gleichung. In diesem Sinne wird der Buchstabe a gebraucht. Aber bei der Eins liegt die Sache doch wesentlich anders. Können wir in der Gleichung 1 + 1 = 2 für 1 beidemal denselben Gegenstand, etwa den Mond setzen? Vielmehr scheint es, dass wir für die erste 1 etwas Anderes wie für die zweite setzen müssen. Woran liegt es, dass hier grade das geschehen muss, was in jenem Falle ein Fehler wäre? Die Arithmetik kommt mit dem Buchstaben a allein nicht aus, sondern muss noch andere b, c u. s. w. gebrauchen, um Beziehungen zwischen verschiedenen Zahlen allgemein auszudrücken. So sollte man denken, könnte auch das Zeichen 1 nicht genügen, wenn es in ähnlicher Weise dazu diente, den Sätzen eine Allgemeinheit zu verleihen. Aber erscheint nicht die Zahl Eins als bestimmter Gegenstand mit angebbaren Eigenschaften, z. B. mit sich selbst multiplicirt unverändert zu bleiben? In diesem Sinne kann man von a keine Eigenschaften angeben; denn was von a ausgesagt wird, ist eine gemeinsame Eigenschaft der Zahlen, während 1¹ = 1 weder vom Monde etwas aussagt, noch von der Sonne, noch von der Sahara, noch vom Pic von Teneriffa; denn was könnte der Sinn einer solchen Aussage sein?

      Auf solche Fragen werden wohl auch die meisten Mathematiker keine genügende Antwort bereit haben. Ist es nun nicht für die Wissenschaft beschämend, so im Unklaren über ihren nächstliegenden und scheinbar so einfachen Gegenstand zu sein? Um so weniger wird man sagen können, was Zahl sei. Wenn ein Begriff, der einer grossen Wissenschaft zu Grunde liegt, Schwierigkeiten darbietet, so ist es doch wohl eine unabweisbare Aufgabe, ihn genauer zu untersuchen und diese Schwierigkeiten zu überwinden, besonders da es schwer gelingen möchte, über die negativen, gebrochenen, complexen Zahlen zu voller Klarheit zu kommen, solange noch die Einsicht in die Grundlage des ganzen Baues der Arithmetik mangelhaft ist.

      Viele werden das freilich nicht der Mühe werth achten. Dieser Begriff ist ja, wie sie meinen, in den Elementarbüchern hinreichend behandelt und damit für das ganze Leben abgethan. Wer glaubt denn über eine so einfache Sache noch etwas lernen zu können! Für so frei von jeder Schwierigkeit hält man den Begriff der positiven ganzen Zahl, dass er für Kinder wissenschaftlich erschöpfend behandelt werden könne, und dass Jeder ohne weiteres Nachdenken und ohne Bekanntschaft mit dem, was Andere gedacht haben, genau von ihm Bescheid wisse. So fehlt denn vielfach jene erste Vorbedingung des Lernens: das Wissen das Nichtwissens. Die Folge ist, dass man sich noch immer mit einer rohen Auffassung begnügt, obwohl schon Herbart1 eine richtigere gelehrt hat. Es ist betrübend und entmuthigend, dass in dieser Weise eine Erkenntniss immer wieder verloren zu gehen droht, die schon errungen war, dass so manche Arbeit vergeblich zu werden scheint, weil man im eingebildeten Reichthume nicht nöthig zu haben glaubt, sich