Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Серия: Leni Behrendt Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916879
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konnte sie ihn in Muße betrachten. Auf dem hohen schlanken Körper, der nicht ein Lot zuviel hatte, saß ein rassiger Kopf mit einem klugen, vornehmen Gesicht. Die Augen waren blau

      und ein wenig schwermütig und verträumt, das Haar strahlendblond. Und Hände hatte der Mann, wunderbare Hände.

      Jetzt war sein Antlitz überschattet von Trauer.

      »Warum sind Sie so traurig?« fragte sie leise.

      Er fuhr zusammen und strich sich über Augen und Stirn.

      »Das wissen Sie doch, Frau Sölve. Die eine unbedachte Stunde macht mir das Leben schwer.«

      »Unsinn –«, winkte sie ab. »Damals hatte ich die Sensibilität einer Kranken heute gebe ich Ihnen recht. Hier haben Sie meine Hand, schlagen Sie ein, Freund Jörn. Ich weiß von keiner Schuld nur noch von Freundesrecht.«

      Überwältigt ergriff er ihre Hand und drückte seine Lippen darauf.

      »Was sind Sie doch für ein tapferes, warmherziges Menschenkind«, sagte er leise, und sie lachte hellauf.

      »Haben Sie eine Ahnung!«

      Dick trat ein und zauberte in seiner gewandten, geräuschlosen Art einen Kaffeetisch herbei und verließ dann ebenso geräuschlos das trauliche Gemach.

      Sölve aß mit dem Appetit eines gesunden Menschen, und er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden.

      »Frau Sölve, ich kann Ihre wunderbare Veränderung kaum fassen.«

      Sie griff nach einer Zigarette, er reichte ihr sein Feuerzeug herüber, und sie kuschelte sich wieder in ihren Sessel zurück.

      »Verändert habe ich mich gar nicht«, entgegnete sie lebhaft. »Ich habe nur wieder zu mir zurückgefunden. Ich verdanke es allen, die mir dazu verholfen haben. Und das gibt mir Mut zu meiner Bitte. Sie wissen, daß ich Heike in Uhlen habe?«

      »Ja. Und Ihre tapfere Entschiedenheit hat Bewunderung in mir erregt.«

      »Keine Bewunderung für

      eine Selbstverständlichkeit«, wehrte sie errötend ab. »Ich bin einfach dazu verpflichtet, Jobsts Kind an mein Herz zu nehmen.

      Nun hat Heike in der jungen Kinderschwester wohl eine vorzügliche Betreuerin, aber ohne ärztliche Aufsicht kann sie nicht bleiben. Der Doktor der Klinik, den ich bat, das Kind in Uhlen weiter zu behandeln, hat mir meine Bitte schroff abgelehnt. Da sind Sie nun der einzige, der helfen kann. Wollen Sie, Jörn?«

      »Das können Sie noch fragen, Frau Sölve? Ich bin mit tausend Freuden der Ihre.«

      »O wie schön –!« lachte sie befreit auf. »Nun weiß ich unser Kleinchen in guter Hut. Kommen Sie gleich mit, damit ich Sie mit meinem Tausendschönchen bekannt machen kann?«

      »Tausendschönchen –? Wie reizend«, lächelte er weich. Und:

      »Tausendschönchen –«, sagte er auch, als er sich über das Kind beugte, ergriffen bis ins tiefste Herz hinein.

      Was in Menschenkräften stand, das wurde nun für das Kind getan. Doktor Fels und der tüchtige Landarzt Schlimm mußten heran mit ihrem Rat, Kapazitäten wurden an das Spitzenbettchen der kleinen Heike gerufen. Jeden Hinweis, jeden Rat nahm Doktor Jührich eifrig in sich auf. Studierte alle in Frage kommenden Bücher und war auch sonst unermüdlich um das Kind bemüht.

      Und es war, als ob seine fast übermenschliche Mühe nicht unbelohnt bleiben sollte. Denn eines Morgens, als er das Kinderzimmer betrat, kam ihm Sölve freudestrahlend entgegen –

      »Sie hat gelacht, Jörn – sie hat gelacht –!« jubelte sie zwischen Lachen und Weinen.

      Skeptisch trat er an das Bettchen, und schaute mit atemloser Spannung auf das Kind, dessen übergroße, unergründliche Augen zu Sölve emporstrahlten, die einen ulkigen Hampelmann tanzen ließ, der bei jeder Bewegung ein fideles Quietschen von sich gab.

      »Heikelein, schau mal, was die Mami hat«, kam es in unendlicher Zärtlichkeit von den roten Lippen. »Hin und her, auf und ab, zappelt unser Hannepapp«, sang sie lustig dazu.

      Und tatsächlich, das Kind verzog das Gesichtlein.

      »Haben Sie gesehen, wie sie gelacht hat?« fragte sie atemlos vor Freude.

      »Gelacht?« mußte er ihre herzzitternde Freude dämpfen. »Gelacht ist zuviel gesagt. Aber es war immerhin ein schattenhaftes Lächeln.«

      »O Sie Wortklauber!« schalt Sölve entrüstet. »Heikelein, strafe seine Worte Lügen. Lach einmal – lach einmal richtig.«

      Als wolle das Geschöpfchen ihr zu ihrem Recht verhelfen, lächelte es diesmal stärker – und da war selbst der skeptische Onkel Doktor zufrieden.

      Nun ging es langsam bergauf. Unendlich mühsam war dieser Aufstieg, der oft genug einen Stillstand brachte. Aber ein Rückgang war nie zu verzeichnen.

      Es kam auch der Tag, an dem das kleine Wesen das winzige Händlein hob. Ein wenig nur, aber es rief unbeschreibliche Freude hervor. Die Händchen faßten zu, die Beinchen lagen nicht mehr so starr und steif auf dem Kissen, und das Köpflein bewegte sich hin und her.

      Jetzt galt es, das kleine Kreuz zu kräftigen. Das war nun die Aufgabe, die der unermüdliche Jörn sich gestellt hatte.

      Und auch das gelang. Immer größere Fortschritte waren zu verzeichnen. Bald schrie das kleine Mädchen durch das Schloß und verlangte energisch seinen Willen, den es auch immer bekam.

      »Jetzt pflegen wir sie – später erziehen wir sie –«, lachte der Arzt, der ja so froh war – fast so froh wie Sölve.

      *

      Du trotziges Kind, du jung

      wildes Blut,

      du kannst dir dein Glück nicht

      erzwingen,

      halte fein still, dann tust du

      gut, dein Fatum weiß schon,

      was er tut, überlaß ihm ein

      gutes Gelingen.

      Ricarda kam ebenso gern nach Uhlen wie ihr Schwesterchen Elwira. Wenn sie nur von zu Hause fortkommen konnte, dann scheute sie kein Wetter, machte sich freudig auf den Weg, um einige frohe Stunden bei ihrer geliebten Sölve zu verbringen.

      Doch seit einiger Zeit kam sie so oft, daß Sölve sie lachend fragte, welche List sie denn immer anwende, um

      dem mütterlichen Gewahrsam zu entfliehen.

      Da senkte Ricarda das reizende Köpfchen und schwieg. Verschwieg der Freundin die Auftritte, die es wegen ihrer Heimlichkeiten zu Hause gab. Doch sie war taub und blind dagegen, ging sogar zum offenen Widerstand über, so daß die Mutter ganz ratlos war.

      An einem Sonntag war Ricarda schon am frühen Nachmittag nach Uhlen gekommen und weit über die übliche Zeit geblieben, so daß Sölve sie nach dem Abendessen nach Hause fahren ließ.

      Ungefähr zwei Stunden später war sie wieder da – blaugefroren, zitternd vor Kälte und mit einer dickgeschwollenen Nase.

      Die drei Menschen, die

      recht gemütlich zusammensaßen, sprangen erschrocken auf und starrten auf das Mädchen, das mit hängendem Kopf und hängenden Armen mitten im Zimmer stand.

      Frau Fröse erholte sich zuerst von ihrem Schreck.

      »Ricarda, was ist Ihnen geschehen? Sind Sie gefallen?«

      »Nein –«, kam es über die zusammengepreßten Lippen. »Meine Mutter hat mich geschlagen.«

      »Ricarda!« rief Sölve erschrocken und umfaßte die Schulter des Mädchens, das noch immer steif dastand, den trotzfun kelnden Blick ins Weite gerichtet. »Komm, setz dich, und erzähle, was es zu Hause gegeben hat.«

      »Ich darf bei dir bleiben, Sölve?«

      »Wenn es deine Eltern gestatten –«