Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich C. Glauser
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962816315
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Das sei ihm nicht auf­ge­fal­len. Aber wenn Stu­der es be­merkt habe, dann sei das ja die Haupt­sa­che… Der Ge­mein­de­prä­si­dent habe im­mer drein­re­den wol­len: das sei ein Mord, habe er ge­sagt, si­cher ein Raub­mord, und nie­mand an­ders habe ihn be­gan­gen als ei­ner der Ver­bre­cher, die der El­len­ber­ger bei sich an­ge­stellt ha­be… Na­tür­lich sei­en ein Hau­fen Leu­te bei der Ent­de­ckung da­bei ge­we­sen, so­dass es dem Statt­hal­ter nicht schwer ge­fal­len sei, die Stel­le zu fin­den. Sie hät­ten dann noch den Dr. Neu­en­schwan­der ge­holt, der den Tod fest­ge­stellt und den Wit­schi ins Ge­mein­de­spi­tal habe brin­gen las­sen. Mur­mann habe ver­langt, die Sek­ti­on sol­le im Ge­richts­me­di­zi­ni­schen In­sti­tut aus­ge­führt wer­den. Dr. Neu­en­schwan­der sei är­ger­lich ge­wor­den, habe dann aber auch ein­ge­wil­ligt, nur habe er ein Pro­to­koll auf­ge­setzt und es ›Sek­ti­ons­pro­to­koll‹ ge­tauft, auch mit ei­ner Son­de die Schuss­wun­de un­ter­sucht und dann in ge­lehr­ten Aus­drücken ihre mut­maß­li­che Stel­lung fest­ge­hal­ten…

      »Die Ta­schen wa­ren leer?«

      »Ganz leer«, sag­te Mur­mann. »Und das ist mir auch auf­ge­fal­len.«

      »Wa­rum?«

      »Ich weiß sel­ber nicht…«

      »Aber an dem Tag soll der Wit­schi drei­hun­dert Fran­ken bei sich ge­habt ha­ben? Er hat doch Rech­nun­gen ein­kas­siert? Und von da­heim noch Geld mit­ge­nom­men?«

      – Von da­heim habe er si­cher kein Geld mit­ge­nom­men, dar­auf möch­te er, Mur­mann, schwö­ren. Aber hun­dert­fünf­zig Fran­ken habe er wohl ge­habt, er habe Rech­nun­gen ein­kas­siert, und die Bau­ern, bei de­nen er ge­we­sen sei, hät­ten te­le­fo­nisch die Sa­che be­stä­tig­t…

      »Wei­ter!« sag­te Stu­der. Er hat­te eine Bris­sa­go an­ge­zün­det…

      – Der Statt­hal­ter sei ein schüch­ter­nes Mann­li, er­zähl­te Mur­mann, und habe im­mer dem Äsch­ba­cher zu­ge­stimmt. Der habe be­tont, es hand­le sich um einen Mord, und das sei Mur­mann merk­wür­dig vor­ge­kom­men. Er für sein Teil sei si­cher, dass Wit­schi sich um­ge­bracht ha­be…

      »Nicht gut mög­lich«, sag­te Stu­der. »Der As­sis­tent im Ge­richts­me­di­zi­ni­schen hat’s mir vor­de­mons­triert. Es müss­ten Pul­ver­spu­ren vor­han­den sein. Zu­ge­ge­ben, der Wit­schi hat­te lan­ge Arme, aber stell’ dir ein­mal vor, wie er hät­te die Waf­fe hal­ten müs­sen…« Er trat ins Lam­pen­licht, nahm den Brow­ning vom Tisch, prüf­te, ob er ge­si­chert sei (das Ma­ga­zin war zwar leer, aber… ) und hob ihn dann… Stu­der ver­such­te jene Stel­lung nach­zuah­men, die ihm der ita­lie­ni­sche As­sis­tent vor­de­mons­triert hat­te. Da sein Arm ziem­lich dick war, ge­lang es ihm nicht.

      Mur­mann schüt­tel­te den Kopf. Wit­schi sei ge­len­kig ge­we­sen, so­dass eine Mög­lich­keit im­mer­hin vor­han­den sei…

      »Er­zähl’ wei­ter!« un­ter­brach ihn Stu­der.

      – Es sei nicht mehr viel zu er­zäh­len. Auf Be­fehl des Statt­hal­ters habe er, Mur­mann, am Nach­mit­tag noch die Ar­bei­ter vom El­len­ber­ger ei­nem Ver­hör un­ter­wor­fen. Aber es sei nichts da­bei her­aus­ge­kom­men. Er sei dann zu den Wit­schis ge­gan­gen, habe aber nur den Sohn da­heim an­ge­trof­fen. Der habe nichts sa­gen wol­len… Schließ­lich habe der Ar­min ge­meint, er habe ge­hört, der Va­ter sei im Wald er­mor­det wor­den, aber das sei Sa­che der Po­li­zei.

      »Nun bin ich doch stut­zig ge­wor­den. Ich hab’ doch am Mor­gen ex­tra den Fo­to­gra­fen hin­auf­ge­schickt, da­mit er die Fa­mi­lie auf den To­des­fall vor­be­rei­te… Und denk’ dir, da sagt mir der Bursch, es sei ei­gent­lich ein Glück, dass der Va­ter tot sei, sonst hät­t’ man ihn doch in der nächs­ten Zeit ad­mi­nis­tra­tiv ver­sorg­t…«

      »Und die drei­hun­dert Fran­ken?«

      »Ich bin dann zum Bahn­hof­ki­osk ge­gan­gen und hab’ die Frau Wit­schi aus­ge­fragt. Die hat mir er­zählt, ihr Mann habe am Mor­gen hun­dert­fünf­zig Fran­ken mit­ge­nom­men. Ich hab’ wis­sen wol­len, warum er so viel Geld mit­ge­nom­men hat. Aber sie hat nur im­mer be­haup­tet, ihr Mann habe das Geld ge­braucht. Sonst hat sie nichts sa­gen wol­len. Und dann hat die Frau Wit­schi wei­ter ge­sagt – ge­nau wie ihr Sohn – mit ih­rem Mann sei es nicht mehr zum Aus­hal­ten ge­we­sen, er habe im­mer mehr und mehr ge­sof­fen und der Äsch­ba­cher habe ge­meint, man müs­se ihn ver­sor­gen. Sie habe dem Wen­de­lin kein Geld mehr ge­ge­ben, aber der El­len­ber­ger, der habe im­mer aus­ge­hol­fen, sich Schuld­schei­ne aus­stel­len las­sen… ja, hab’ ich ge­meint, aber die hun­dert­fünf­zig Fran­ken, die der Wit­schi mit auf die Rei­se ge­nom­men habe, wo­her denn die sei­en? Da hat sie ge­merkt, dass sie sich wi­der­spro­chen hat, hat zu­erst et­was ge­stot­tert, der Mann habe sie not­wen­dig ge­braucht, und dar­um habe sie ihm das letz­te Geld ge­ge­ben, dann hat sie nichts mehr sa­gen wol­len…«

      »Du meinst also, der Wit­schi hat die drei­hun­dert Fran­ken für ir­gend et­was ge­braucht?«

      »Ja, schau, das wär’ dann ganz ein­fach. Der Wit­schi er­schießt sich im Wald. Er hat den Schlumpf an die glei­che Stel­le be­stellt, sa­gen wir um elf Uhr. Der Schlumpf muss den Brow­ning ho­len, denn wenn die Waf­fe ne­ben der Lei­che bleibt, wird nie­mand an einen Mord glau­ben. Der Schlumpf soll die Waf­fe bei­sei­te schaf­fen und, wenn es nö­tig ist, sich an­kla­gen las­sen, da­für be­kommt er drei­hun­dert Fran­ken und dann wird ihm ver­spro­chen, er darf die Son­ja hei­ra­ten, wenn die Un­ter­su­chung nie­der­ge­schla­gen wor­den ist… Das wird man ihm mund­ge­recht ge­macht ha­ben, der gute Tschal­pi hat sich das ein­re­den las­sen und jetzt steckt er im Dreck…«

      »Und du meinst, er darf nichts sa­gen?«

      »Na­tür­lich, sonst reißt er die Son­ja in die Ge­schich­te hin­ein…«

      »Du, Mur­mann… Oder nein, sag mir zu­erst, wer hat dir ge­mel­det, dass der Schlumpf im ›Bä­ren‹ eine Hun­der­ter­no­te ge­wech­selt hat?«

      »Das kann ich dir nicht ein­mal sa­gen. Ich hab’ an dem Abend da ne­ben­an mei­nen Rap­port ge­schrie­ben. Da hat das Te­le­fon ge­läu­tet, ich hab’ den Hö­rer ab­ge­nom­men, mich ge­mel­det, aber der an­de­re hat sei­nen Na­men nicht ge­sagt, nur ganz schnell ge­mel­det: ›Der Schlumpf hat im Bä­ren einen Hun­der­ter ge­wech­sel­t‹, und wie ich ge­fragt hab’, wer dort ist, hat es ge­knackt, der an­de­re hat schon ein­ge­hängt ge­hab­t…«

      »Und was hast du dann ge­macht?«

      »Ich hab’ nicht pres­siert, hab’ mei­nen Rap­port fer­tig ge­schrie­ben, dann um Mit­ter­nacht hab’ ich die Run­de ge­macht durch alle Wirt­schaf­ten. Im ›Bä­ren‹ hab’ ich den Wirt bei­sei­te ge­nom­men und ihn ge­fragt, ob das wahr sei, dass der Schlumpf eine Hun­der­ter­no­te ge­wech­selt habe. ›Ja‹, hat er Wirt ge­sagt. ›Heut’ abend, so um neun Uhr. Der Schlumpf hat einen hal­b­en Li­ter Ro­ten be­stellt, dann einen Ko­gnak ge­trun­ken, nach­her zwei große Bier, und auf das Gan­ze noch einen Ko­gnak!…‹ Mich hat’s ge­wun­dert, dass der Schlumpf so viel ge­trun­ken hat, und ich habe den Wirt ge­fragt, ob der Schlumpf im­mer so sau­fe? Nein, hat der Wirt ge­sagt, sonst nicht, und ihn habe es auch ge­wun­dert. Vi­el­leicht, hat der Wirt ge­meint, müs­se der Schlumpf die Son­ja auf­ge­ben, jetzt, wo der Va­ter tot sei… Ich hab’ dann noch te­le­fo­niert, ob ich den Schlumpf ver­haf­ten soll, und der Statt­hal­ter hat mir den Be­fehl