Die Pfeife ist gestopft, nun hat der Bauer Zeit zu sagen: „’s selb wird’s doch nit thun.“
„Überlegt nicht lange, Bauer. Das Glück klopft nur einmal an, dann geht’s vorbei. Wenn ich hundertundfünf sag’, so bin ich leichtsinnig. Aber damit wir doch wieder einmal was handeln miteinander.“
Der Bauer wendet sein Auge nicht von der Pfeife und schüttelt fast unmerklich den Kopf. „Ich denk’, ich werd’ sie doch derweil noch behalten.“
„Also, wieviel wollt Ihr?“
Nun kommt Schwamm und Feuerstein dran. Es giebt ein paar Funken, aber das Ding will nicht glosen. Endlich macht er den Mund auf, aber nicht um den Preis auszusprechen, sondern um den Zunder anzublasen.
„Hundertfünf, und einen Leikauf fürs Weib. Aber geschwind ja sagen, Bauer, es könnt’ mich gereuen.“ Der Händler tastet an der Kuh herum, ob die Haut locker ist, ob das Fleisch federt. „Ein zähes Luder. Redet schon ab. Aber halten thu’ ich’s noch, mein Wort. Also...!“
Der Bauer raucht an. Und wie das Zeug in gutem Zug ist, sagt er, das erste Mal recht vernehmlich: „Ich mein’, ich werd’ jetzt gar keine verkaufen.“
Dieser ausführliche Handel hat drei Stadien. Im ersten weiß der Bauer nicht, welche Kuh er weggeben soll. Im zweiten weiß er nicht, welchen Preis er machen soll. Im dritten endlich kommt er drauf, daß er überhaupt keine verkauft. Und um so weit zu kommen, bedurfte es länger als eine Stunde.
Das, mein Freund, ist jener Typus der Unentschlossenheit und Gleichgültigkeit, der verhängnisvoll wird. Schon am nächsten Tage soll der Schlappzopf dem Viehhändler nachgelaufen sein und ihm die Kuh um hundert Gulden verkauft haben. Wenn ich wieder auf die Welt komme, das heißt: in euere Welt, so soll in der „Kontinentalen“ das „Dorfting“ angeregt werden. Vor jedem Gemeindehaus auf der Wand soll eine Tafel hängen, auf welcher die Bauern und die Händler Angebot und Nachfrage darthun; sachkundige Ökonomen dürften wissen, was das bedeutet. Und das Dorfting soll zwischen Erzeuger und Verbraucher die Ware vermitteln und den Zwischenhändler soll der Teufel holen.
Beim Viehhandel sind — so viel ich schon gemerkt habe — die Bauern untereinander nicht just die Gewissenhaftesten. In der produktiven Arbeit bleibt der Mensch ehrlich, beim Handeln wird er ein Strick, hier wie dort. Mein Adam hat mit dem Nansenbauer Kühe getauscht. Der Adam hat dem Nansen versichert, seine Kuh gebe drei Maß Milch, aber weislich nicht dazugesetzt, binnen welcher Zeit. Der Nansen hat dem Adam behauptet, seine Kuh sei trächtig, er hatte ihr zur Stunde nämlich ein Heubündel auf den Rücken gelegt. Sein Ehrenwort giebt der Bauer nie, aber „gut steht er“. Wenn er sagt: Ich steh gut für das oder das, dann kannst du ihm leidlich trauen. Der Adam wollte auch: „Steh mir gut, Nans, daß die Kuh trächtig ist!“ Der Nans antwortete gelassen: „Gutstehen thu ich erst, wenn das Eis schmilzt, jetzt rutscht man noch zu viel.“ In demselben Falle fand sich mein Hausvater mit seiner Milchkuh. So führen sie einander in aller Gemütlichkeit hinters Licht und das Gewissen beißt den Händler nur, wenn er sich sagen muß: du bist diesmal dümmer gewesen, als der andere.
Eine verblüffende Erfahrung mache ich. Die Gebirgsbauern älteren Schlages haben keine Ahnung vom Laufe, den die Zeit genommen hat. Aber fest drauf los politisiert wird trotzdem im Hoisendorfer Wirtshause. Zum Beispiel: Der Russe kommt. Der mag die großen Städte nicht leiden und will sie verbrennen, wie er einst seine Hauptstadt Moskau verbrannt hat. Die Juden werden erschlagen, ihr Geld an die armen Bauern verteilt. Die Chinesen sollen auch erschlagen werden, aus ihren Zöpfen will der Preußenkaiser lange Peitschen machen lassen — für die Socialdemokraten. Der heilige Vater hat den Fürsten übrigens das Kriegführen verboten. Wolle einer anfangen, so müßten alle übrigen gegen ihn zusammenhalten. — Den größten Abscheu haben sie immer noch vor dem „Erzschelm“ Napoleon; alle Hoffnung setzen sie auf Kaiser Josef den Zweiten, der in einer Berghöhle schläft und wieder aufwachen wird, wenn zu Weihnachten die Kirschbäume blühen.
Manchmal hört der Bauer, daß man jetzt deutsch sein müsse. Darüber schüttelt er den Kopf. Hatte er doch geglaubt, es gebe mit Ausnahme von ein paar Rastelbindern und Katzelmachern (Welschen) auf der ganzen Welt nichts anderes, als deutsch.
Mehr Interesse haben die Leute des Almgaies für Erfindungen und Entdeckungen. Dabei kommen auch lustige Phantasten zum Wort. Den Telegraph stellt sich mancher als einen einfachen Glockenzug vor. Wenn man in Salzburg anzieht, klingelt’s in Wien. Der Blitzableiter ist ein Magnet, er zieht den Blitz herbei und spießt ihn auf. In großen Städten werden solche von Blitzableitern gesammelte Blitze in einen Riesenbottich geleitet und aus diesem dann das elektrische Licht geholt. Es giebt Schnellzüge, die man Blitzzüge nennt und vom Blitz gezogen werden. Das sind die elektrischen Eisenbahnen. — In Amerika drüben giebt’s viel Gold, aber der Weg hinüber ist naß; man kann gar nicht zu Fuße gehen, nicht einmal mit Wasserstiefeln. Man muß sich auf ein Schiff setzen, das oft fast so groß ist, wie ein Heustadel und eine ganze Kirchen voll Leute drinnen Platz hat. Die Schiffe sind von Eisen und sinken doch nicht unter, weil sie der Dampf über dem Wasser hält. — So kraus geht’s im Kopfe zu, während die Hände das rechte thun.
Nicht den mindesten Groll habe ich hier bisher gegen reiche und vornehme Herrschaften bemerkt, obschon häufig von solchen die Rede ist. „Sie werden schon auch ihre Nussen aufzuknacken haben.“ Indes merkt der Bauer, daß sie draußen um etwas raufen. Um was, das weiß er nicht. Wird schon ein guter Brocken sein und vielleicht für ihn auch was abfallen.
Ja, mein Lieber, das sind Sachen! Die „Funzen“ aber ist alle. Ich gehe schlafen und rufe dir „Guten Morgen!“ zu.
Dein Hans.
Achter Sonntag
Am achten Sonntage.
Wenn dir, teurer Freund, meine Briefe, die einem wahren Herzensbedürfnisse entspringen, wirklich Vergnügen machen, so ist das ja göttlich! Es wäre dir, sagst du, fast alles neu und alles lehrreich und inniger Anteilnahme gewiß, was ich dir schreibe und du begleitetest mich in Freude und Not dieses Jahres als treuer Kamerad. Herrlicher Freund, wie machest du mich mutig. Ein böses Siebentel ist ja schon reichlich vorüber, mit den übrigen sechsen hoffe ich fertig zu werden. Nur selten habe ich noch das Gefühl der Verbannung, aber mein Trotz gegen die Widersacher bei der „Kontinentalen“ steigert sich von Tag zu Tag. Und auch das ist eine Macht. Hast du es dir nicht auch schon gedacht, daß in der Welt mehr Tüchtiges aus Trotz und Haß geschieht, denn aus Liebe?
Je größer ich vor den Augen des Herrn Stein von Stein aufwachse, je kleiner werde ich im Adamshause. In dieser vergangenen Woche war wieder ein schlimmer Tag. Es war Holzarbeit im Walde, denn der Winter hat ums Haus herum die Brennholzstöße gelichtet. Am Freitag — ach diese Freitage! Es ist doch was dran. Der Hausvater hatte in der Mühle zu thun, so sollten die Barbel und ich hinaus in den Wald. Ob nicht der Rocherl uns begleiten könne? Ganz beklommen fragte ich es.
„Zu was ihr nur den Rocherl brauchen thätet, möcht’ ich wissen!“ rief die Mutter scharf, „ihr werdet mit den paar Bäumlein Holz doch allein fertig werden!“ — Und der Elefant ist in diesen Bergen ein unbekanntes Tier.
So gingen wir. Ich mit Axt und Keil, das Mädel mit der breiten zweigriffigen Holzsäge. Der Schnee war hoch, wir sanken bis auf die Knie ein. Ich stapfte voraus, die Barbel hinter mir her. Und sagen thaten wir uns kein Wort. Das Struppwerk kratzte an unserem Gewand, schnellte uns Schnee ins Gesicht. Auf dem Baum krächzte ein Häher.
„Wir hätten auch zu einer besseren Zeit können holzschneiden gehen,“ sage ich.
„Es ist auch heute gut,“ sagt sie. Und weiter nichts.
Plötzlich macht die Sägplatte auf ihrer Achsel ein gorgelndes Getöne; ein federnder Kiefernzweig hat ihr ins Gesicht geschlagen — heftig. Sie nimmt