Dr. Daniel Staffel 3 – Arztroman. Marie Francoise. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Francoise
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Daniel Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740918033
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Ihrer Frau Bescheid geben, damit sie sich um Sie keine Sorgen macht.«

      Rainer nickte dankbar. Er war froh, daß Dr. Daniel bei ihm war, und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als er die grauen Mauern betrat, hinter denen er seinen Vater wußte.

      »In den Besucherraum werde ich nicht mitgehen«, erklärte Dr. Daniel. »Ihr Vater wäre sicher nicht sehr erfreut, wenn er mich sehen würde.«

      Rainer konnte nur nicken. Der Gedanke, daß sein Vater in einer dieser vielen Zellen saß, schnürte ihm förmlich die Kehle zu. Und dann saß er ihm gegenüber und erschrak vor der Kälte und Teilnahmslosigkeit im Gesicht seines Vaters.

      »Vater…«, stammelte er. »Warum…?«

      Martin Bergmann zuckte die Schultern. »Ich wollte diesen elenden Balg loswerden.«

      Rainer brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, daß sein Vater von Claudia sprach.

      »Du meinst… unsere Tochter?« fragte er fassungslos und erwartete irgendwie, daß sein Vater verneinen und sich alles als ein Mißverständnis herausstellen würde. »Deine Enkelin?«

      »Natürlich meine ich eure Tochter.« Der alte Bergmann spuckte diese Worte beinahe aus. Dann zuckte er wieder die Schultern. »Daß es das Mädchen erwischt hat, war ein Versehen. Andererseits… es muß Metzler arg getroffen haben, und das war die Sache dann doch schon wieder wert.«

      Alles in Rainer erstarrte zu Eis. Er hatte das Gefühl, einem völlig Fremden gegenüberzusitzen. War das wirklich noch sein Vater? War es denn möglich, daß sie beide aus demselben Fleisch und Blut waren?

      »Du wolltest mein Kind töten?« Rainer konnte die Worte nur flüstern.

      »Das kannst du sehen, wie du willst«, entgegnete Martin Bergmann kalt. »Aber ich werde mich hüten, dir gegenüber irgend etwas zuzugeben.« Er beugte sich vor. »Ich habe keine Lust, hier drin zu versauern. Einen Mordversuch wird mir niemand anhängen. Vor Gericht wird das ein Unfall mit Fahrerflucht sein – mehr nicht. Und wenn du etwas anderes behaupten solltest, wird dich mein Anwalt im Zeugenstand zerlegen, hast du mich verstanden, mein Sohn?«

      »Klar und deutlich«, entgegnete Rainer mechanisch. Wie schon einmal hatte er auch jetzt wieder das Gefühl, in einem schrecklichen Alptraum zu stecken, aus dem er jeden Moment erwachen würde. Fast sehnte er sich danach, daß der Wecker klingelte oder irgend etwas anderes geschah, was ihn aufwachen ließ. Doch er mußte diese grauenhaften Minuten irgendwie überstehen.

      »Den Bach«, brachte Rainer mühsam hervor. »Warum hast du den Bach vergiftet?«

      »Metzler sollte ein bißchen Arbeit bekommen«, antwortete Martin Bergmann kaltblütig. »Und ein paar Todesfälle in seiner Klinik hätten ihm bestimmt geschadet.« Er senkte den Kopf. »Obwohl ich den Kerl nicht ausstehen kann, muß ich zugeben, daß er ein guter Arzt ist. Eine Arsenvergiftung ohne den geringsten Anhaltspunkt so schnell zu diagnostizieren… da gehört schon was dazu.«

      »Vater, du bist verrückt«, flüsterte Rainer betroffen. »Du warst bereit, Menschen zu töten, nur um Wolfgang zu schaden. Oh, mein Gott, was geht nur in deinem Kopf vor?« Abrupt stand er auf. »Ich muß an die frische Luft!«

      Martin Bergmann lachte spöttisch. »Du wärst zu so etwas nicht fähig. Aber du warst ja schon immer viel zu lasch.«

      Entsetzt starrte Rainer ihn an. »Du bist auch noch stolz darauf, was? Meine Güte, Vater…« Kraftlos ließ er sich wieder auf den unbequemen Holzstuhl sinken. »Ich habe es dir schon einmal gesagt, Vater. Ich konnte dich nie leiden, aber ich habe dich immer respektiert. Ich habe zu dir aufgeblickt. Du warst so etwas wie ein Vorbild für mich. Wie du die CHEMCO aufgebaut hast… dieses Riesenwerk. Aber jetzt… nicht genug damit, daß du Anke unmittelbar nach Claudias Geburt vorgeschlagen hast, unsere Tochter gegen einen Jungen einzutauschen.« Er stockte kurz. »Es war ja gar kein Vorschlag. Du hast ihr gedroht, sie mit dem Mädchen nicht ins Haus zu lassen. Schon damals habe ich den größten Teil meiner Achtung, die ich trotz deiner vielen Fehler immer noch für dich empfand, verloren. Aber daß du mein Kind töten wolltest und… und daß du den Tod unschuldiger Menschen provoziert hast, nur um Wolfgang zu schaden… nein, Vater, das kann ich nicht mehr akzeptieren, und das werde ich dir auch niemals verzeihen. Du hast als Vorbild versagt – kläglich versagt und… ich hätte nie gedacht, daß ich so etwas einmal sagen könnte, aber… ich hoffe, daß du für viele Jahre hier im Gefängnis bleiben mußt. Und wenn man dich irgendwann entläßt, dann schwöre ich dir, daß du Steinhausen nie mehr betreten wirst. Dafür werde ich persönlich sorgen.« Er stand auf. »Ich habe von jetzt an keinen Vater mehr.«

      *

      Der Prozeß gegen Martin Bergmann schlug in Steinhausen hohe Wellen. Rainer hatte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, denn er wußte, daß das meiste, was sein Vater ihm im Gefängnis gesagt hatte, nicht zu beweisen sein würde. Aber auch ohne den Mordversuch an seiner Enkelin wogen die Anklagen gegen Martin Bergmann schwer genug.

      Was den Unfall betraf, bei dem Stefanie Scheibler schwer verletzt worden war und darüber hinaus auch ihr Baby verloren hatte, konnte ihm keine Absicht nachgewiesen werden, denn Stefanie konnte sich an den Unfallhergang noch immer nicht erinnern, und auch ein Hypnoseversuch hatte nichts erbracht. Stefanie war eben nicht zu hypnotisieren.

      Aber was die Vergiftung des Steinhausener Baches betraf, so war hier der Vorsatz seines Tuns unschwer nachzuweisen. Die Tonne mit dem hochgiftigen Wasser, das mittels einer Zeitschaltuhr in den draußen vorbeifließenden Bach entleert worden war, bewies deutlich, in welcher Absicht Martin Bergmann gehandelt hatte. Das Motiv blieb allerdings unklar, denn der Angeklagte hüllte sich in Schweigen.

      Die Tatsache, daß Martin Bergmann bisher nicht vorbestraft gewesen war, wirkte sich aufgrund der Schwere der gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen nur bedingt strafmildernd aus. Und so wunderte sich eigentlich niemand, als in beiden Strafverfahren schließlich die Urteile verkündet wurden, die Martin Bergmann zu insgesamt acht Jahren Haft verurteilten.

      »Die Strafe ist noch viel zu mild«, erklärte Rainer hart.

      Dr. Daniel und Wolfgang Metzler sahen ihn entsetzt an. Sie hatten ihn heute zu Hause besucht, weil sie gedacht hatten, die Urteilsverkündung gegen seinen Vater müßte ihm arg zusetzen. Doch das Gegenteil schien der Fall zu sein, und Dr. Daniel fragte sich wieder einmal, was an jenem Tag im Gefängnis wohl wirklich geschehen war. Rainer hatte kein Wort darüber verloren.

      Jetzt sah er Dr. Daniel und Wolfgang an.

      »Er wollte Claudia töten.«

      Fast tonlos kamen diese Worte über Rainers Lippen.

      »Das ist doch Unsinn, Rainer«, wehrte Dr. Daniel ab. »Es war ein Unfall…«

      »Nein, Herr Dr. Daniel, leider nicht.« Rainer vergrub das Gesicht in den Händen. »Er hat es mir ins Gesicht gesagt. Und er hat den Steinhausener Bach vergiftet, weil er mit Todesfällen Wolfgangs Ruf und den der Waldsee-Klinik schädigen wollte.«

      Dr. Daniel und Dr. Metzler wechselten einen Blick, und auch in ihren Gesichtern stand nun blankes Entsetzen.

      »Was geht in diesem Mann nur vor?« murmelte Dr. Daniel.

      »Ich hätte gegen ihn ausgesagt, wenn nur die geringste Chance bestanden hätte, meine Worte zu beweisen«, fuhr Rainer fort. »Ich hätte mit meiner Aussage dafür gesorgt, daß er auf Lebzeiten in eine geschlossene Anstalt gekommen wäre, denn einen Menschen wie ihn darf man nicht länger frei herumlaufen lassen.« Er senkte den Kopf. »Aber es war nicht zu beweisen, und wenn er in acht Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, dann kann ich nur dafür sorgen, daß er nie wieder nach Steinhausen kommen wird.«

      *

      »Du, Robert, ist dir das eigentlich auch aufgefallen?« fragte Dr. Metzler, als sich die Freunde knapp zwei Stunden später auf dem Heimweg befanden. »Als Rainer von dem alten Bergmann gesprochen hat, hat er nicht ein einziges Mal ›mein Vater‹, sondern immer nur ›er‹ gesagt.«

      Dr. Daniel nickte. »Nach allem, was ich jetzt über die Angelegenheit weiß, ist das nur zu verständlich.