PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221257
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feine Idee? Jeder in Hirschberg muß ein Kleid und Strümpfe geben.«

      Frau Bender lachte. »Du hast wohl heute früh in den Zeitungen gelesen, daß im ganzen Reich eine Kleidersammlung vorgenommen wird? Jeder soll seine Schränke durchsehen und hergeben, was er nicht braucht, damit die Armen im Winter nicht zu frieren brauchen.«

      »Das haben sie geschrieben?« Pommerle zog die Stirn kraus.

      »Ja, mein Kind, gerade heute ist vom Reich der große Aufruf in der Zeitung erschienen. In Kürze fahren Wagen durch die Stadt, dann wird eingesammelt.«

      Pommerles kleine Faust fiel kräftig auf den Tisch. »Das habe ich mir doch ausgedacht und nicht das Reich. Alles müssen sie mir nachmachen. Erst hat der Jule sein Geld für die Armen hergegeben, und dann hat uns das Reich das auch nachgemacht. – Nein, Mutti, ehe das Reich kommt mit seinem Wagen, wollen wir sammeln. Dann wird der Bürgermeister wieder sagen, ich habe etwas Wohltätiges gemacht. – Das war schön.«

      »Du kleines, dummes Pommerle! Die Ideen, die du hast, haben andere schon lange vor dir gehabt.«

      »Warum haben sie denn nicht schon lange gesammelt und der Ida dünne Strümpfe gegeben, die nicht so häßlich gestopft sind? – Ach, Mutti, im braunen Strumpf ist ein blauer Faden. Wenn ich nur gedurft hätte, dann hätte ich fürchterlich gelacht.«

      »Nein, mein Kind, darüber darfst du nicht lachen. Vielleicht hat Idas Mutter keinen braunen Faden zum Stopfen gehabt und auch kein Geld, um passende Wolle zu kaufen. So hat sie Blau nehmen müssen. Doch wir wollen der Ida ein Paar Strümpfe von dir schenken.«

      »Siehst du, das habe ich auch schon gesagt! Mutti, ich bin noch schneller als das Reich! Wir werden sammeln, und dann setzen wir auf den kleinen Wagen die Ida und die Karoline, dann schreien wir an allen Straßenecken, daß wir für die armen Kinder was brauchen.«

      »Das geht nicht, Pommerle, das würde die kleinen Mädchen beschämen. Ganz still und heimlich muß man den Kindern die Sachen schenken, damit sie nicht gekränkt werden. Was würdest du sagen, wenn man dich auf den kleinen Wagen setzte, wenn der Jule nebenher ginge und riefe: ›Schenkt doch dem Pommerle ein Paar Strümpfe, es kann sich keine kaufen.‹ Du würdest dich sicherlich schämen.«

      »Na und ob, ich haute dem Jule kräftig eine 'runter!«

      »Die beiden Schwertfeger-Mädchen würden sich auch schämen.«

      »Wie heißen die?«

      »Ida Schwertfeger und Karoline Schwertfeger.«

      Pommerle lachte aus vollem Halse. »Schwertfeger! – – Fegt der Mann Schwerter? Oder was macht er?«

      »Das ist ein alter Name, mein Kind, der schon vor vielen Jahrhunderten war. Die Schwertfeger waren in früheren Zeiten angesehene Männer, die die Schwerter blank putzten und in richtige Form brachten. Der Name hat sich durch Jahrhunderte vererbt. Dabei ist doch nichts zu lachen.«

      »Ich möchte nicht Schwertfeger heißen, Mutti. Ströde ist doch viel schöner und Bender auch. Oder Kretschmar, wie der Jule. Das ist ganz besonders schön.«

      »Wenn du erst älter bist, Kleinchen, wirst du dich für solche Namen interessieren. Es macht viel Freude, sich mit der Herkunft alter Namen zu beschäftigen. Doch dazu bist du heute noch zu klein.«

      Als Pommerle wieder mit den beiden Mädchen spielte, hielt es ganz plötzlich inne und fragte:

      »Warum habt ihr denn so einen komischen Namen? Hat euer Vater wirklich die Schwerter zusammengefegt?«

      Doch weder Ida noch Karoline konnten Pommerle darauf eine Antwort geben. Sie wußten nicht, was der Vater getan hatte, er war den ganzen Tag über fort gewesen.

      »Manchmal ist er mit dem Besen herumgegangen«, meinte Ida schließlich.

      In Pommerles Köpfchen spukte noch lange dieser seltsame Name. Vielleicht konnte Sabine nähere Auskunft geben. Aber Sabine hatte jetzt auch viel zu tun, denn bei Meister Reichart war der zehnjährige Rudolf eingetroffen, der ebenso scheu und still war wie Ida und Karoline. Und so kam Pommerle zu der Überzeugung, daß eben alle Kinder, die in finsteren Wohnungen lebten, erst gepflegt und mit Liebe begossen werden müßten, wenn man sie in Licht und Sonne verpflanzte, ehe sie wieder aufblühten.

      Trotz aller Freundlichkeiten, die den beiden Mädchen von seiten Frau Benders und Pommerles zuteil wurden, blieben sie scheu. Um ihnen nun eine besondere Freude zu bereiten, beschloß man im Benderschen Hause, am kommenden Sonntag einen Ausflug nach dem Kynast und der alten Burgruine zu machen. Vom Turm aus sollten die Kleinen zum ersten Male in ihrem Leben einen Blick über das schlesische Gebirge haben. Es würde für sie etwas Neues sein und den Mädchen eine schöne Erinnerung bleiben, für die spätere Zeit. Wenn sie vielleicht auch hier, bei fremden Leuten, alles schweigsam hinnahmen, würden sie sicherlich im vertrauten Kreise von alledem erzählen, was sie erschaut hatten. Der Ausflug nach dem Kynast sollte ein Sonnenblick in dem traurigen Leben der Kinder werden.

      Pommerle freute sich riesig auf den Ausflug und bedrängte die Mutter, auch Jule mitzunehmen, denn der wisse gar schöne Geschichten von den Bergen. Er könne den fremden Kindern vieles erzählen.

      »So will ich zu Meister Reichart gehen und ihn fragen, ob er uns auch seinen Schützling, den Rudolf, mitgibt. Er wird sicherlich noch nicht auf dem Kynast gewesen sein.«

      Pommerle sprang jubelnd im Zimmer umher. »Fein, dann sind wir eine große Familie, und ich erzähle von der Kunigunde, die auf dem Kynast gelebt hat!«

      So wurde beschlossen, bei gutem Wetter am nächsten Sonntag den gemeinsamen Ausflug zu unternehmen. Pommerle schwärmte seinen beiden Gästen von der alten Burg vor, erzählte vom Höllengrund, in dem der Teufel und der Rübezahl lebten. Dort hätten sich beide mal fürchterlich gezankt.

      »Ganz grausig ist es dort. Dicke Buchen, und der Jule meint, manchmal steht der Rübezahl hinter so 'ner dicken Buche und beguckt sich die Leute, die durch den Höllengrund herunterklettern. Aber Angst braucht ihr nicht zu haben. Der Rübezahl ist kein richtiger Mensch, nur ein Geist, und ich glaube nicht, daß er heute noch durch das Riesengebirge geht. – Früher, ja, da ist er dem Kilian und anderen Männern erschienen, er hat auch armen Kindern geholfen. Aber jetzt kommt er nicht mehr.«

      Ganz besondere Freude hatte Pommerle noch dadurch, daß man Ida und Karoline nette Sommerkleider anzog, die aus dem Vorrat des kleinen Mädchens stammten. Frau Bender hatte mit geschickter Hand die Kleider passend gemacht, und Ida und Karoline betrachteten mit glänzenden Augen den neuen Staat. Zum ersten Male seit ihrem Hiersein sah man in zwei glückliche Kindergesichter.

      »Sie machen es wie meine Lilie«, flüsterte Pommerle der Mutter zu, »sie fangen nun an zu blühen.«

      Am Sonntagmittag fand sich Jule mit dem zehnjährigen Rudolf ein. Pommerle stellte fest, daß auch dieser Knabe erst noch kräftig begossen und gepflegt werden müsse.

      »Richtig verhungert sieht er aus, Jule. Ihr müßt ihn gut füttern.«

      »Das tut die Meisterin. Er kriegt immer was mehr als ich.«

      »Das macht nichts, Jule. Wir haben immer gut zu essen, und die armen Kinder müssen dann doch wieder immerzu olles fettes Schweinefleisch essen, was gar nicht schmeckt.«

      »Quatsch, die essen überhaupt kein Fleisch.«

      »Du mußt das nicht so laut sagen, Jule, sonst sind sie beschämt, geradeso, als wenn wir sie auf 'nem Wagen durch die Stadt fahren. Das dürfen wir nicht. Aber sammeln tun wir, Jule, alle Kleider von ganz Hirschberg! Und wenn dann das Reich kommt, wollen wir schon einen großen Haufen haben. Dann sagt der Bürgermeister wieder, wir sind wie ein leuchtendes Beispiel vorangegangen.«

      Schließlich brach man auf. Zunächst ging es mit der Talbahn bis nach Hermsdorf. Von dort aus begann die Wanderung zum Kynast. Es war ein herrlicher Sonntagnachmittag. Die Breslauer Kinder rissen die Augen weit auf, denn die prachtvolle Natur machte auch auf sie gebührenden Eindruck. Manchmal blieb Ida stehen und sagte leise: »Das riecht so schön.«

      »Ja, das ist die Heimatluft«, meinte Pommerle