Keine Frage, daß auch die Erfolge in den Schulgegenständen in erster Linie vom Gemeinschaftsgefühl des Kindes abhängen, das ja den Ausblick in die zukünftige Gestaltung seines Lebens in der Gemeinschaft in sich birgt. Fragen der Freundschaft, so wichtig für späteres Zusammenleben, der Kameradschaft samt allen notwendigen Charakterzügen der Treue, der Verläßlichkeit, der Neigung zur Zusammenarbeit, des Interesses für Staat, Volk und Menschheit sind dem Schulleben einverleibt und bedürfen der sachkundigen Pflege. Die Schule hat es in der Hand, die Mitmenschlichkeit zu erwecken und zu fördern. Sind dem Lehrer unsere Gesichtspunkte klar, so wird er es auch verstehen, in freundschaftlicher Aussprache dem Kinde seinen Mangel an Gemeinschaftsgefühl, dessen Ursachen und deren Behebung vor Augen zu führen und es der Gemeinschaft näherzubringen. In allgemeinen Aussprachen mit den Kindern wird es ihm gelingen, sie zu überzeugen, daß ihre Zukunft und die der Menschheit von einer Verstärkung unseres Gemeinschaftsgefühls abhängig ist und daß die großen Fehler in unserem Leben, Krieg, Todesstrafe, Rassenhaß, Völkerhaß, aber auch Neurose, Selbstmord, Verbrechen, Trunkenheit usw., aus dem Mangel des Gemeinschaftsgefühls entspringen und als Minderwertigkeitskomplexe, als verderbliche Versuche, eine Situation auf unstatthafte und unzweckmäßige Weise zu lösen, aufzufassen sind.
Auch die in dieser Zeit sich bemerkbar machende sexuelle Frage kann Knaben und Mädchen in Verwirrung stürzen. Nicht solche, die für die Kooperation gewonnen sind. Sie, die gewohnt sind, sich als Teil eines Ganzen zu fühlen, werden nie aufregende Geheimnisse mit sich herumtragen, ohne mit ihren Eltern darüber zu sprechen oder den Rat des Lehrers einzuholen. Anders die, die schon in ihrer Familie ein feindliches Element erblicken. Sie, und vo r allem wieder die verwöhnten Kinder, sind am leichtesten einzuschüchtern und durch Schmeicheleien zu verführen. Das Vorgehen der Eltern in der Aufklärung ist durch ihr Mitleben von selbst gegeben. Das Kind soll soviel wissen, als es verlangt, und es soll ihm in solcher Art vermittelt werden, daß es die neue Kenntnis auch richtig verträgt und verdauen kann. Man muß nicht zögern, aber auch Eile ist überflüssig. Daß Kinder in der Schule über sexuelle Dinge sprechen, kann kaum vermieden werden. Das selbständige Kind, das in die Zukunft blickt, wird Unflat von sich weisen und Torheiten nicht glauben. Eine Anleitung zur Furcht vor Liebe und Ehe ist natürlich ein großer Fehler, wird aber auch nur von abhängigen Kindern, die an sich mutlos sind, entgegengenommen werden.
Die Pubertät, als eine weitere Lebensfrage, wird von vielen als dunkles Mysterium angesehen. Auch in dieser Zeit findet man nur, was vorher in dem Kinde schlummerte. Fehlte es ihm bis dahin an Gemeinschaftsgefühl, so wird seine Pubertätszeit entsprechend verlaufen. Man wird nur deutlicher sehen, wie weit das Kind zur Mitarbeit vorbereitet ist. Ihm steht ein größerer Bewegungsraum zur Verfügung. Es hat mehr Kraft. Vor allem aber hat es den Drang, in irgendeiner ihm entsprechenden, es verlockenden Weise zu zeigen, daß es kein Kind mehr ist, oder, seltener, daß es ein solches noch ist. Ist es in der Entwicklung des Gemeinschaftsgefühls gehindert worden, so wird der unsoziale Ausschlag seines irrtümlichen Weges sich deutlicher zeigen als vorher. Viele von ihnen werden in der Sucht, als erwachsen zu gelten, lieber die Fehler als die Vorzüge Erwachsener annehmen, da ihnen dies um vieles leichter fällt, als etwa der Gemeinschaft zu dienen. Delikte aller Art können so zustande kommen, wieder leichter bei verwöhnten Kindern als bei anderen, da diese, auf sofortige Befriedigung trainiert, einer Versuchung welcher Art immer schwer widerstehen können. Derlei Mädchen und Knaben fallen Schmeicheleien leicht zum Opfer oder einer Anspornung ihrer Eitelkeit. Stark bedroht sind in dieser Zeit auch Mädchen, die zu Hause ein schweres Gefühl der Zurücksetzung durchmachen und an ihren Wert nur glauben können, wenn sie Schmeicheleien hören.
Das Kind, bisher im Hinterland, nähert sich dann bald der Front des Lebens, an der es die drei großen Lebensfragen vor sich sieht: Gesellschaft, Arbeit und Liebe. Sie alle verlangen zu ihrer Lösung ein entwickeltes Interesse am anderen. Die Vorbereitung für dieses gibt den Ausschlag. Wir finden da Menschenscheu, Menschenhaß, Mißtrauen, Schadenfreude, Eitelkeiten aller Art, Überempfindlichkeit, Aufregungszustände beim Zusammentreffen mit anderen, Lampenfieber, Lug und Trug, Verleumdung, Herrschsucht, Bosheit und vieles andere. Der für die Gemeinschaft Erzogene wird leicht Freunde gewinnen. Er wird auch Interesse haben an allen Fragen der Menschheit und seine Auffassung und sein Gehaben zu ihrem Nutzen einrichten. Er wird nicht darin seinen Erfolg suchen, im Guten oder im Schlechten aufzufallen. Sein Leben in der Gesellschaft wird stets von seinem Wohlwollen begleitet sein, wenngleich er gegen Schädlinge der Gemeinschaft seine Stimme erheben wird. Auch der gütige Mensch kann sich bisweilen der Verachtung nicht entschlagen.
Die Erdkruste, auf der wir leben, nötigt die Menschheit zur Arbeit und zur Arbeitsteilung. Das Gemeinschaftsgefühl prägt sich hier als Mitarbeit zum Nutzen anderer aus. Der Gemeinschaftsmensch wird nie daran zweifeln, daß jedem der Lohn seiner Arbeit gebührt und daß die Ausbeutung des Lebens und der Arbeit anderer niemals das Wohl der Menschheit fördern kann. Schließlich und endlich leben wir Nachkömmlinge doch vorwiegend von den Leistungen großer Vorfahren, die zum Wohle der Menschheit beigetragen haben. Der große Gemeinschaftsgedanke, der sich auch in den Religionen und in großen politischen Strömungen äußert, fordert mit Recht die bestmögliche Verteilung von Arbeit und Konsum. Wenn jemand Schuhe verfertigt, so macht er sich einem anderen nützlich und hat das Recht auf ein auskömmliches Leben, auf alle hygienischen Vorteile und auf gute Erziehung seiner Nachkommen. Daß er dafür Geld bekommt, ist die Anerkennung seiner Nützlichkeit in einer Periode des entwickelten Marktes. So gelangt er zum Gefühl seines Wertes für die Allgemeinheit, der einzigen Möglichkeit, das allgemeine menschliche Minderwertigkeitsgefühl zu mildern. Wer nützliche Arbeit leistet, lebt in der sich entwickelnden Gemeinschaft und fördert sie. Diese Bezogenheit ist so stark, wenn auch nicht immer überdacht, daß sie das allgemeine Urteil über Fleiß und Unfleiß leitet. Niemand wird Unfleiß eine Tugend nennen. Auch das Recht des durch Krisen oder Überproduktion arbeitslos Gewordenen auf hinreichenden Unterhalt ist heute bereits allgemein anerkannt, eine Auswirkung, wenn nicht einer gesellschaftlichen Gefahr, so des wachsenden Gemeinschaftsgefühls. Auch was die Zukunft bringen wird an Änderungen der Produktionsweise und der Verteilung der Güter, wird zwangsweise der Kraft des Gemeinschaftsgefühls besser entsprechen müssen als heutzutage, ob die Änderung nun erzwungen oder gegeben sein wird.
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