»Tot? Bea? Und was wollen Sie jetzt von mir?«
Till hielt wieder das Buch hoch. »Das haben wir dort gefunden. Draußen auf der Terrasse. Frau Sydow starb in ihrem Pool.«
»Das gibt’s doch gar nicht«, stammelte Schäfer und setzte sich auf einen Stuhl. Till setzte sich auf den zweiten vorhandenen Stuhl. Sonst standen in dem Raum noch ein kleines Tischchen, ein Bügelbrett und ein mit Socken und Unterhosen behängter Wäscheständer.
»Doch, das gibt es. Und jetzt fragen wir uns, warum Frau Sydow in ihrem Pool ertränkt wird und gleich daneben ein Buch liegt, in dem Sie beschreiben, wie Sie Frau Sydow fast in diesem Pool ertränkt hätten. Haben Sie eine Erklärung dafür?«
»Der Täter muss das Buch gelesen haben und will mir nun die Schuld in die Schuhe schieben«, stieß Schäfer hervor.
»Wer hat denn alles das Buch gelesen?«
»Das weiß ich doch nicht. Das kann man doch in jeder Buchhandlung kaufen.«
»Tut aber niemand. Es wurden vom Verlag genau zehn Bücher verkauft. Und zwar alle zehn an Sie.«
»Das kann doch gar nicht sein. Wie kommen Sie denn darauf? Es wurden 5.000 Bücher gedruckt.«
»4.990 lagern in Rumänien. Wir haben uns vorhin mit Ihrem Verleger unterhalten. Also, wo sind die 10 Bücher geblieben?«
»In Rumänien? Warum in Rumänien? Dieses Buch wird ein Renner. Sie wollen mich hier wohl ins Kreuzverhör nehmen?«
»Aber nicht doch«, beschwichtigte ihn Till. »Ich bin hier, um Sie als Zeugen zu befragen. Wenn wir Sie verhören wollen, bekommen Sie eine Vorladung auf das Präsidium. Ich möchte doch nur wissen, was es mit diesem Buch auf sich hat und wer es alles gelesen hat.«
»Dazu kann ich leider keine Aussage machen.« Schäfer verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in die Luft.
»Warum nicht?«
»Weil ich meine Leser nicht in Schwierigkeiten bringen will.«
»Momentan bringen Sie nur sich selbst in Schwierigkeiten. Haben Sie denn von den zehn Büchern noch welche hier?«
»Ich möchte keine Aussage dazu machen«, wiederholte Schäfer trotzig.
»Sie haben Beate Sydow ein Buch geschickt, ist das richtig?«
Jens Schäfer schluckte und wischte sich Schweißperlen von der Stirn. »Ja«, murmelte er dann vor sich hin. »Das Buch haben Sie ja jetzt.«
»Falsch. Das Buch, das Sie ihr geschickt haben, hat sie verbrannt. Dieses hier muss also ein anderes sein. Ich frage mich nur, wo es herkommt.«
»Vielleicht hatte sie einen neuen Liebhaber, der von dem Buch erfahren hat. Vielleicht kam es deswegen zum Streit und er hat sie umgebracht.«
»Sehen Sie, das wäre eine Möglichkeit. Und deswegen möchte ich gerne wissen, wo Ihre zehn Bücher abgeblieben sind.«
»Ich habe sie den Frauen geschickt.«
»Den Frauen, die Sie in dem Buch verarbeitet haben? Mit denen Sie ein Verhältnis hatten?«
»Ja, verdammt noch mal.« Schäfer wurde die Situation immer unangenehmer.
»Warum haben Sie das getan?«
»Weil ich ihnen endlich zeigen wollte, wie erbärmlich sie sind«, sprudelte es plötzlich aus Schäfer heraus. »Sie haben mich alle behandelt wie ein Spielzeug. Wenn sie Lust zum Spielen hatten, haben sie mich gerufen, wenn nicht, durfte ich wieder gehen. Aber wenn ich mal nicht wollte, waren sie beleidigt. Einsame, verbitterte Frauen, die sich was vormachen und glauben, die Männer müssten ihnen zu Füßen liegen und nach ihrer Pfeife tanzen. Ich wollte ihnen mit dem Buch einen Spiegel vor das Gesicht halten. Das ist alles.«
»Das liest sich im Buch aber ganz anders. Ich hatte eher den Eindruck, dass die Frauen nach Ihrer Pfeife tanzen sollten.«
»Für den oberflächlichen Betrachter mag das so aussehen. Wer sich mit dem Buch ernsthaft auseinandersetzt und bereit ist, sich in die Tiefen meiner Zeilen zu stürzen, der wird mir nur zustimmen können.«
»Ach so«, sagte Till und traute seinen Ohren nicht. Er nahm sich vor, schnellstmöglich auch die anderen Episoden des Philipp von Mahlenburg zu lesen. Ob er viel tiefer in die Zeilen stürzen konnte, bezweifelte er. Er blättere vor Schäfers Augen neugierig in dem Buch. »Sie haben Ihre Beziehungen zu vier verschiedenen Frauen darin verarbeitet, also haben Sie vier Bücher an die Frauen geschickt. Was ist mit den anderen sechs Büchern?«
Schäfer zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie wohl verschenkt.«
»An wen?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe mit so vielen Leuten über das Buch gesprochen, als es rauskam. Dem einen oder anderen habe ich vielleicht ein Lese-Exemplar in die Hand gedrückt.«
»Sie haben keines mehr?«
»Nein. Ich habe ja das Manuskript. Aber ich werde mir wohl wieder welche vom Verlag besorgen müssen.«
»Falls mal jemand wieder ein Lese-Exemplar haben möchte?«
»Ganz genau.«
»Haben Sie noch Kontakt zu Nadja Sydow?«, wechselte Till das Thema.
Schäfer erschrak, als er den Namen Nadja hörte. Wieder bildeten sich Schweißperlen auf seiner Stirn. »Nein, wie kommen Sie auf Nadja?«
»Sie scheint Sie schwer beeindruckt zu haben. Immerhin war es ihre Anwesenheit, die Sie dazu veranlasst hat, Beate Sydow unter Wasser zu drücken. So, wie ihr Mörder es auch getan hat.«
»Das war doch nur ein Spiel«, wehrte Schäfer ab. »Ich hätte sie doch niemals ertränkt.«
»Manchmal wird aus einem Spiel schnell Ernst. Manchmal sogar tödlicher Ernst. Wo waren Sie heute Morgen zwischen sechs und zehn Uhr?«
»Hier. Ich habe bis neun Uhr geschlafen. Dann habe ich Wäsche gewaschen.«
»Keine Zeugen?«
»Ich war allein.«
»Wann genau haben Sie die Beziehung zu Frau Sydow beendet?«
Schäfer überlegte einen Moment. »Das muss jetzt ungefähr fünfzehn Monate her sein.«
»Und seitdem waren Sie nicht mehr im Haus von Frau Sydow?«
»Nein.«
»Und Nadja Sydow haben Sie seitdem auch nicht mehr gesehen?«
»Nein.«
»Gut, Herr Schäfer. Das war es fürs Erste. Falls Ihnen doch noch einfällt, wem Sie die verbliebenen sechs Bücher gegeben haben, melden Sie sich bitte. Hier ist meine Karte. Vergessen Sie nicht, dass der Mörder von Frau Sydow darunter sein könnte. Und wenn dem so ist, zieht er Sie ganz tief in den Schlamassel. Es gibt also gar keinen Grund für Sie, jemanden zu decken.«
»Ja«, sagte Schäfer nur und nahm die Karte von Till.
5
Mein perfekter Plan
Ich ließ mir Zeit mit meinem Plan. Es sollte ein perfekter Plan werden und nach drei Wochen war er ausgereift. Mit dem Plan im Kopf besuchte ich den eitlen Pfau in seiner Behausung im Sandweg. Seinen richtigen Namen und seine Adresse hatte ich schnell herausgefunden. Seine Gespielin hatte ihm nach der unschönen Episode im Pool den Laufpass gegeben, nun würde ich das herrenlose Hündchen wieder einfangen.
Er staunte nicht schlecht, als ich vor seiner Wohnungstür stand.
»Hallo, Herr Schäfer«, sagte ich lächelnd und schlüpfte an ihm vorbei in die Wohnung hinein. Hastig schloss er die Tür hinter mir. Der feine Philipp von Mahlenburg