Eigenthümliche Vorliebe für das Meer; dankbare Erinnerung an die Eindrücke, die mir das bewegliche Element, zwischen den Wendekreisen, in friedlicher, nächtlicher Ruhe oder aufgeregt im Kampf der Naturkräfte gelassen: haben allein mich bestimmen können den individuellen Genuß des Anblicks vor dem wohlthätigen Einflusse zu nennen, welchen unbestreitbar der Contact mit dem Weltmeer auf die Ausbildung der Intelligenz und des Charakters vieler Völkerstämme, auf die Vervielfältigung der Bande, die das ganze Menschengeschlecht umschlingen sollen, auf die Möglichkeit zur Kenntniß der Gestaltung des Erdraums zu gelangen, endlich auf die Vervollkommnung der Astronomie und aller mathematischen und physikalischen Wissenschaften ausgeübt hat. Ein Theil dieses Einflusses war anfangs auf das Mittelmeer und die Gestade des südwestlichen Asiens beschränkt; aber von dem sechzehnten Jahrhundert an hat er sich weit verbreitet, und auf Völker erstreckt, die fern vom Meere im Innern der Continente leben. Seitdem Columbus Die unbekannte Stimme sagte ihm: »maravillosamente Dios hizo sonar tu nombre en la tierra; de los atamientos de la mar Oceana, que estaban cerrados con cadenas tan fuertes, te dió las llaves.« Der Traum des Columbus ist erzählt in dem Briefe an die catholischen Monarchen vom 7 Julius 1503 (Humboldt, Examen critique T. III. p. 234). »den Ocean zu entfesseln gesandt war« (so rief ihm auf seinem Krankenlager, im Traumgesicht am Flusse Belen, eine unbekannte Stimme zu), hat auch der Mensch sich geistig freier in unbekannte Regionen gewagt.
Die zweite, und zwar äußerste und allgemein verbreitete Umhüllung unseres Planeten: das Luftmeer, auf dessen niederem Boden oder Untiefen (Hochebenen und Bergen) wir leben, bietet sechs Classen der Naturerscheinungen dar, welche den innigsten Zusammenhang mit einander zeigen: und aus der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre; aus den Veränderungen der Diaphanität, Polarisation und Färbung; aus denen der Dichtigkeit oder des Druckes, der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Electricität entstehen. Enthält die Luft im Sauerstoff das erste Element des physischen Thierlebens, so muß in ihrem Dasein noch eine andere Wohlthat, man möchte sagen höherer Art, bezeichnet werden. Die Luft ist die »Trägerinn des Schalles«: also auch die Trägerinn der Sprache, der Mittheilung der Ideen, der Geselligkeit unter den Völkern. Wäre der Erdball der Atmosphäre beraubt, wie unser Mond, so stellte er sich uns in der Phantasie als eine klanglose Einöde dar.
Das Verhältniß der Stoffe, welche den uns zugänglichen Schichten des Luftkreises angehören, ist seit dem Anfange des neunzehnten Jahrhunderts ein Gegenstand von Untersuchungen gewesen, an denen Gay-Lussac und ich einen thätigen Antheil genommen haben. Erst ganz neuerlich hat durch die vortrefflichen Arbeiten von Dumas und Boussingault auf neuen und sicheren Wegen die chemische Analyse der Atmosphäre einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht. Nach dieser Analyse enthält die trockene Luft im Volum 20,8 Sauerstoff und 79,2 Stickstoff; dazu 2 bis 5 Zehntausendtheile Kohlensäure, eine noch kleinere Quantität von gekohltem Wasserstoff Boussingault, recherches sur la composition de l’Atmosphère in den Annales de Chimie et de Physique T. LVII., 1834 p. 171–173; derselbe ebendaselbst T. LXXI. 1839 p. 116. Nach Boussingault und Lewy oscillirte der Kohlensäure-Gehalt des Luftkreises in Audilly, also fern von den Ausdünstungen der Städte, nur zwischen 0,00028 und 0,00031 im Volum., und nach den wichtigen Versuchen von Saussure und Liebig Spuren von Ammoniacal-Dämpfen Liebig in seinem wichtigen Werke: die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie 1840 S. 64–72. Ueber Einfluß der Luft-Electricität auf Erzeugung des salpetersauren Ammoniaks, der sich bei Berührung mit Kalk in kohlensauren verwandelt, s. Boussingault, Économie rurale considerée dans ses rapports avec la Chimie et la Météorologie 1844 T. II. p. 247 und 697 (vergl. auch T. I. p. 84)., die den Pflanzen ihre stickstoffhaltige Bestandtheile liefern. Daß der Sauerstoff-Gehalt nach Verschiedenheit der Jahreszeiten oder der örtlichen Lage auf dem Meere und im Inneren eines Continents um eine kleine, aber bemerkbare Menge variire, ist durch einige Beobachtungen von Lewy wahrscheinlich geworden. Man begreift, daß Veränderungen, welche microscopische animalische Organismen in der in dem Wasser aufgelösten Sauerstoff-Menge hervorbringen, Veränderungen in den Luftschichten nach sich ziehen können, die zunächst auf dem Wasser ruhen. Lewy in den Comptes rendus de l’Acad. des Sciences T. XVII. 1843 p. 235–248. In einer Höhe von 8226 Fuß (Faulhorn) war die durch Martins gesammelte Luft nicht sauerstoffärmer als die Luft zu Paris. J. Dumas in den Annales de Chimie 3ème Série T. III. 1841 p. 257.
Die Beimischung des kohlensauren Ammoniaks in der Atmosphäre darf man wahrscheinlich für älter halten als das Dasein der organischen Wesen auf der Oberfläche der Erde. Die Quellen der Kohlensäure In dieser Aufzählung ist des nächtlichen Aushauchens der Kohlensäure durch die Pflanzen, indem sie Sauerstoff einhauchen, nicht gedacht, da diese Vermehrung der Kohlensäure reichlich durch den Respirationsproceß der Pflanzen während des Tages ersetzt wird. Vergl. Boussingault, Écon. rurale T. I. p. 53-68; Liebig, organische Chemie S. 16 und 21. in dem Luftkreise sind überaus mannigfaltig. Wir nennen hier zuerst die Respiration der Thiere, welche den ausgehauchten Kohlenstoff aus der vegetabilischen Nahrung, wie die Vegetabilien aus dem Luftkreise, empfangen; das Innere der Erde in der Gegend ausgebrannter Vulkane und die Thermalquellen; die Zersetzung einer kleinen Beimischung gekohlten Wasserstoffs in der Atmosphäre durch die in der Tropengegend so viel häufigere electrische Entladung der Wolken. Außer den Stoffen, die wir so eben als der Atmosphäre in allen uns zugänglichen Höhen eigenthümlich genannt haben, finden sich noch zufällig, besonders dem Boden nahe, andere ihr beigesellt, welche theilweise als Miasmen und gasförmige Contagien auf die thierische Organisation gefahrbringend wirken. Ihre chemische Natur ist uns bisher nicht durch unmittelbare Zerlegung erwiesen; wir können aber, durch Betrachtung der Verwesungs-Processe, welche perpetuirlich auf der mit Thier-und Pflanzenstoffen bedeckten Oberfläche unseres Planeten vorgehen, wie durch Combinationen und Analogien aus dem Gebiete der Pathologie geleitet, auf das Dasein solcher schädlichen örtlichen Beimischungen schließen. Ammoniacalische und andere stickstoffhaltige Dämpfe, Schwefel-Wasserstoff-Säure, ja Verbindungen, die den vielbasigen (ternären und quaternären) des Pflanzenreichs Gay-Lussac in den Annales de Chimie T. LIII. p. 120; Payen, mém. sur la composition chimique des Végétaux p. 36 und 42; Liebig, org. Chemie S. 299–345; Boussingault, Écon. rurale T. I. p. 142–153. ähnlich sind: können Miasmen bilden, welche unter mannigfaltiger Gestaltung (keinesweges bloß auf nassem Sumpfboden oder am Meeresstrande, wo er mit faulenden Mollusken oder mit niedrigen Gebüschen von Rhizophora mangle und Avicennien bedeckt ist) Tertiärfieber, ja Typhus erregen. Nebel, welche einen eigenthümlichen Geruch verbreiten, erinnern uns in gewissen Jahreszeiten an jene zufälligen Beimischungen des unteren Luftkreises. Winde und der durch die Erwärmung des Bodens erregte aufsteigende Luftstrom erheben selbst feste, aber in seinen Staub zerfallene Substanzen zu beträchtlicher Höhe. Der die Luft auf einem weiten Areal trübende Staub, der um die capverdischen Inseln niederfällt und auf welchen Darwin mit Recht aufmerksam gemacht hat, enthält nach Ehrenberg’s Entdeckung eine Unzahl kieselgepanzerter Infusorien.
Als Hauptzüge eines allgemeinen Naturgemäldes der Atmosphäre erkennen wir: 1) in den Veränderungen des Luftdruckes die regelmäßigen, zwischen den Tropen so leicht bemerkbaren stündlichen Schwankungen: eine Art Ebbe und Fluth der Atmosphäre, welche nicht der Massen-Anziehung Bouvard hat im Jahr 1827 durch Anwendung der Formeln, die Laplace kurz vor seinem Tode dem Längen-Bureau übergeben hatte, gefunden, daß der Theil der stündlichen Oscillationen des Luftdruckes, welcher von der Anziehung des Mondes herrührt, das Quecksilber im Barometer zu Paris nicht über 18/1000 eines Millimeters erheben könne: während nach 11jährigen Beobachtungen eben daselbst die mittlere Barometer-Oscillation von 9 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags 9,756 Millimeter, von 3 Uhr Nachmittags bis 9 Uhr Abends 0,373 Millimeter war. S. Mémoires de l’Acad. des Sciences T. VII. 1827 p. 267. des Mondes zugeschrieben werden darf, und nach der geographischen Breite, den Jahreszeiten und der Höhe des Beobachtungsortes über dem Meeresspiegel sehr verschieden ist; 2) in der klimatischen Wärme-Vertheilung die Wirkung der relativen Stellung der durchsichtigen und undurchsichtigen Massen (der flüssigen und festen Oberflächenräume), wie der hypsometrischen Configuration der Continente: Verhältnisse, welche die geographische