Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Серия: Leni Behrendt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959790246
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und das brachte den erregten Mann endlich zur Besinnung.

      Zögernd streckte er seine zitternde Hand nach ihr aus, doch nachdrücklich wurde sie zurückgestoßen.

      »Rühre mich nicht an!« sagte sie dumpf und schwer. »Ich verachte dich.«

      Da fuhr der Mann auf, als habe ihn ein Stich getroffen durch und durch.

      Doch ehe er etwas erwidern konnte, hörte er die Korridortür schließen, riß sich mit aller Energie zusammen und trat in den Korridor, um zu verhüten, daß die Mutter ins Zimmer kam, um nach Lenore zu sehen, was er als selbstverständlich annahm. Denn wie er seine Frau jetzt kennengelernt hatte, hielt er sie zu allem fähig, auch daß sie ihm im Beisein der Mama weitere Szenen machte.

      Also ging er dieser entgegen, die hastig fragte:

      »Junge, du bist schon hier?«

      »Und zwar aus einem besonderen Grund. Ich muß morgen früh nach Berlin, als Leiter eines Ärztekursus.«

      »Ralf, welch eine Auszeichnung!« rief die Mutter entzückt. »Dann wird es bestimmt nicht lange dauern, bis du Oberarzt wirst.«

      »Daß weiß ich nicht, Mama«, dämpfte er ihre Hoffnungsfreudigkeit. »Zuerst möchte ich mit dir über Lenore sprechen.«

      »Warum, ist sie kränker geworden?«

      »Nein, sie ist fieberfrei. Aber da du dich so oft über ihre trotzige, launenhafte Art beklagtest, wirst du kaum mit ihr fertigwerden, wenn ich fort bin.«

      »Aber Junge, darüber brauchst du dir doch keine Sorge zu machen«, schauspielerte sie so überzeugend, daß manch ein Star vor Neid erblaßt wäre. »Ich bin bisher ganz gut mit ihr ausgekommen und werde es auch weiter tun. Gott ja, man muß wohl so allerlei einstecken, aber was tut man nicht alles seinem Sohn zuliebe. Lenore ist eben von ihren Eltern zu sehr verzogen worden, die in dem einzigen Kind einen Abgott sahen, mit dem andere Menschen sich dann abplagen müssen. Aber ich beschwichtige sie schon, wenn sie zu bocken anfängt«, schloß die vortreffliche Dame lachend. Und da beugte der Sohn sich voll Verehrung über ihre Hand.

      »Ich danke dir, Mama.«

      Für Lenore hatte er keinen Blick, kein Wort. Er tat so, als ob sie gar nicht anwesend wäre. Regungslos lag sie da, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, den schmerzverdunkelten Blick auf die Decke gerichtet. Ihr war sterbenselend zumute.

      Sie zuckte zusammen, als die Schlösser des Koffers einschnappten. Ungemein aufreizend klang es, so als wollte der Mann damit ausdrücken, daß er nun sein Bündel geschnürt hätte, um damit einen Weg zu wandern, der weit ab von dem ihren führte.

      Dann ging er hinaus.

      Als er nach Stunden zurückkehrte und zu Bett ging, stellte Lenore sich schlafend. Ach, wenn sie es doch wirklich könnte! Aber sie lag schlaflos da, starrte in die Dunkelheit und zergrübelte sich das Hirn, was nun werden sollte.

      Sie hatte Angst, eine bebende Angst vor der Zukunft. Für die wenigen Minuten, da sie die Beherrschung verlor und ihm entgegenschrie, was sie so lange schweigend erduldet hatte, würde sie schwer büßen müssen.

      Erst beim Morgengrauen schlief sie ein, und zwar so fest, daß sie nicht merkte, wie der Gatte aufstand. Erst als sie die Stimme der Schwiegermutter hörte, die im Korridor laut und wortreich den Sohn verabschiedete, da schreckte sie auf.

      Er war gegangen, wirklich gegangen, ohne ihr Lebewohl zu sagen.

      Doch nein, nicht ganz so. Lenore entdeckte auf ihrem Nachttisch einen Umschlag, den sie mit zitternden Fingern aufriß und dann die wenigen Zeilen las.

      Du wirst bei meiner Mutter bleiben, bis ich zurückkomme, das befehle ich Dir! Alles Weitere wird sich dann finden.

      Ralf

      Und dem Brief lag das Geld bei – ihre Weihnachtsgabe an ihn.

      So schieden zwei Menschen, die sich doch eigentlich aus Liebe geheiratet hatten. Und die gewiß glücklich gelebt hätten, wenn sie es zu zweit hätten tun dürfen.

      *

      Und nun begann für die junge Frau eine Leidenszeit, die sie kaum ertragen konnte. Immer wieder spielte sie mit dem Gedanken, ihrem armseligen Leben einfach ein Ende zu machen, schreckte aber immer wieder davor zurück. Denn was sie vermutet hatte, war nun zur Gewißheit geworden.

      Ihr Leben zu vernichten, wäre ihre eigene Angelegenheit gewesen, aber bei dem keimenden Leben, das sie in sich trug, hielt sie es für Mord.

      Allmählich stumpfte sie so ab, daß ihr alles gleichgültig war. Sie verrichtete in ihrem Zustand nicht nur die gesamte Hausarbeit, sondern schleppte auch Brennmaterial aus dem Keller, wusch die große Wäsche, alles Arbeiten, bei denen sie zu Schaden kommen konnte.

      Es war an einem bitterkalten Tag Anfang Februar, als Lenore zur großen Wäsche befohlen wurde. Sie war gerade dabei, einen Korb voll davon in die Waschküche zu tragen, als ihr so schwindlig wurde, daß sie haltsuchend nach dem Treppengeländer griff, wobei sie den Korb fallen ließ, der mit großem Gepolter die Treppe hinabsauste.

      Das hörte man in der Parterrewohnung, wo man gerade beim Frühstück saß.

      »Was war denn das?« fuhr Herr Warteck samt Gattin und Schwiegertochter erschrocken hoch. »Es hörte sich fast so an, als wäre jemand die Treppe heruntergefallen.«

      Schon sprangen sie auf, eilten in den Flur und bemerkten zuerst einmal den Korb, der seines Inhalts entledigt dalag. Und als die Blicke weiterschweiften, erfaßten Sie auch Lenore, die sich krampfhaft arn Geländer festhielt. Das Gesicht erschreckend blaß, die Augen wie erloschen.

      Gleich darauf wurde die regungslose Gestalt von hilfreichen Armen umfaßt und vorsichtig in das Wohnzimmer geführt, wo Frau Warteck das elende Geschöpf behutsam in den Sessel drückte.

      »Frau Skörsen, was haben Sie denn?« fragte sie leise, »Sie sind ja weiß wie die Wand.«

      »Mir – wurde – schwindlig«, tropften die Worte langsam von den Lippen. »Aber das – vergeht – wieder.«

      »Dann haben Sie es schon öfter gehabt?«

      »Ja, das gehört wohl zu – meinem – Zustand.«

      Die drei Menschen warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu.

      Mütterlich streichelte Frau Warteck über das goldschimmernde Köpfchen und sagte mit leisem Vorwurf:

      »Aber Kindchen, dann dürfen Sie doch nicht so schwere Körbe schleppen! Das sollte der Herr Gemahl nun wirklich nicht dulden, schon gar nicht als Arzt.«

      »Er ist ja nicht da und weiß außerdem von meinem Zustand noch nichts.«

      »Und die Schwiegermutter?«

      »Auch nicht. Und wenn, würde sie bestimmt keine Rücksicht darauf nehmen.«

      »Sieht der Menschenschinderin ähnlich«, brummte der alte Herr. »Was sie nämlich mit Ihnen treibt, kann man nur mit Schinderei bezeichnen. Die ganze Nachbarschaft hält sich schon darüber auf. Wenn der Herr Doktor zurückkommt, wird sich schon jemand finden, der den Mut hat, ihm über seine von ihm so verehrte Mutter die verblendeten Augen zu öffnen. Ich aber werde sofort zu der Megäre gehen und ihr gehörig den Marsch blasen.«

      »Bitte, nicht!« hielt Lenore ihn angstvoll am Ärmel zurück. »Ich müßte ja doch nur dafür büßen.«

      »Sie hat recht«, bestätigte Frau Warteck, ein liebes, betuliches Muttchen, das man sich beim besten Willen nicht als böse Schwiegermutter vorstellen konnte, und die es gewiß auch nicht war. Sie liebte ihre Schwiegertochter wie ein eigenes Kind und begriff es einfach nicht, daß es auch anders sein könnte.

      »Lenore!« drang jetzt eine laute, scharfe Stimme bis zu ihnen hin. Erschrocken sprang Lenore auf und hastete davon.

      »Na, wenn einem da nicht der Kragen platzen soll, dann gibt es sowas überhaupt nicht«, knurrte Herr Warteck wie ein gereizter Kettenhund. »Und es findet sich keiner, der dieses bedauernswerte