»Nur kein Neid, wer hat, der hat.«
Pomadig wehrte er die Hand ab, die nach seiner Wange zielte.
»Aber Schwesterchen, du wirst doch nicht«, lachte er sie freundlich an. »Du mußt doch nicht gleich hauen wollen.«
»Also Heinz, dieser Bengel…«
»Laß ihn in Ruh«, unterbrach er sie ungehalten. »Du hast dich so lange nicht um den Jungen gekümmert, also laß es auch fernerhin bleiben. Wir wissen ganz genau, daß er dir Mittel zum Zweck sein soll, doch das Ziel erreichst du nie. Gib das Rennen auf, bevor du dich noch mehr blamierst.«
»Ich soll mich blamiert haben?« fauchte sie ihn an. »Womit denn?«
»Mit deinen unverschämten Besuchen im Schloß.«
»Na, das ist doch, das ist doch…«
»Unerhört, jawohl«, fiel er gelassen ein. »Kehr zurück in deine Welt, in unsere paßt du nicht hinein.«
»Das hier ist mein Elternhaus.«
»Das du seit deiner Heirat nicht mehr aufgesucht hast. Nicht einmal zu den Begräbnissen der Eltern bist du erschienen…«
»Da war mein Mann schwer krank«, schnitt sie ihm hastig das Wort ab. »Sonst wäre ich bestimmt hergekommen, wo ich doch so große Sehnsucht nach meinem lieben Zuhause hatte.«
»Erzähl hier doch keine Märchen.«
»Erlaube mal, bin ich nicht sofort hergekommen, nachdem der Tyrann mir das nicht mehr verbieten konnte? Habe ich mir nicht in meiner Heimatstadt eine Wohnung eingerichtet?«
»Die du gleich verlassen hast, um dich zwei Jahre in deiner Welt herumzutreiben und nach einem Mann zu angeln, natürlich nach einem…«
»Unverschämter!«
»Der Geld hat«, fuhr er unbeirrt fort. »Denn bei dir fing es an, knapp zu werden. Da besannst du dich auf deine Wohnung, kamst her, sahst nach Jahren den Grafen Björn wieder, der indes ein Mann geworden ist und was für ein Mann! So was schafft unser Herrgott nicht alleweil. Für dich schon gar nicht, meine liebe Jella, also mach dich nicht weiter lächerlich.«
»Jetzt ist es aber genug!« schrie sie krebsrot vor Wut, die Fäuste nach ihm schüttelnd. »Das sollst du mir büßen!«
Wie eine Furie fegte sie los und dann war Ruhe nach dem Sturm.
»Das ist ja gräßlich«, sagte Klara kläglich. »Mußtest du denn so rigoros vorgehen, Heinz?«
»Ja«, entgegnete er fest. »Sie muß wissen, daß wir über alles Bescheid wissen, sonst reißt der Ärger mit ihr nicht ab.«
*
Armgard hatte von ihrem Großvater einen Wagen bekommen, elfenbeinfarben mit grünen Polstern. Ein schnittiger Zweisitzer, flink und wendig, so ein richtiger Flitzer. In wenigen Minuten war sie mit ihm im Dorf, um Einkäufe zu machen, was bisher größtenteils Spierke erledigt hatte.
Dünen hießen zuerst Gut wie Dorf, was zu Verwechslungen führte. Also nannte man es um in Schloß Dünen und Klein-Dünen, weil es zuerst nur aus einigen Häusern bestand. Im Laufe der Jahre kamen dann so viele hinzu, daß eine Schule erbaut werden mußte, später sogar eine Kirche, Geschäfte wurden notwendig, Arzt und Apotheke, sogar einen Bahnhof konnte das schmucke Dorf aufweisen.
Und dann kamen die Fremden. Zuerst reichte das kleine Gasthaus noch aus, doch dann mußte es erweitert werden, und nicht lange darauf wurde ein zweites erbaut und zwar vom gleichen Wirt.
Armgard fuhr gern nach Klein-Dünen und war dort auch gern gesehen. Jemand hatte sie mal Senatorfräulein genannt, und der Name hing ihr nun an.
Sie fuhr aber auch gerne nach Seestadt, das den Namen Kurort mit Recht trug. Denn alles war vorhanden, was dazu gehörte. Da die Gäste viel Geld hineinbrachten, war die Verwaltung in der Lage, ihr Seestadt zu hegen und zu pflegen.
So fuhr Armgard denn mit ihrem Flitzer in der Umgegend herum, und oft fuhr der Großvater mit. Das frisch-fröhliche Menschenkind wirkte auf ihn wie ein Jungquell.
»Er ist so richtig flott geworden«, sah der Kapitän ihm schmunzelnd nach, als er mit jugendlichem Elan aus dem Zimmer ging. »Nun müssen wir aufpassen, daß er nicht womöglich über die Stränge schlägt.«
»Mit oder ohne Trauschein?« fragte Lottchen so trocken, daß Armgard hell herauslachte. Es klang so überschäumend lustig, daß es nicht nur die beiden Frökes mitriß, sondern auch den Großvater und die Björns, die er mitbrachte.
»Wo man lacht, da laß dich ruhig nieder«, zeigte er einladend auf die Sesselgruppe. »Und nun möchte ich gern wissen, worüber Tausendschönchen so übermütig gelacht hat.«
»Über ein Bemerkung von Tante Lottchen«, antwortete sie noch immer lachend.
»Und was für eine Bemerkung?«
»Die ist zu delikat, um verraten zu werden, Großpapachen.«
»Nanu Lottchen, du wirst doch nicht?« zwinkerte er ihr zu, sie zwinkerte zurück und ließ dabei die Nadeln munter klappern.
»Wir sind gekommen, um euch zum Eiersuchen einzuladen«, brachte nun die Gräfin ihr Anliegen vor. »Jonathan hat bereits die Einladung angenommen und wird am ersten Ostertag mit Kind und Kegel erscheinen. Dann werden wir endlich einmal frohes Leben um uns haben.«
»Das ihr doch nicht womöglich von den steifleinenen Gylts erwartet?« fragte Fröke, und sie wehrte lachend ab.
»Von den würdigen natürlich nicht. Aber von den noch nicht würdigen, Christine und Jo und vor allen Dingen von Armgard und Lutz. Wo die beiden sind, geht es immer lustig zu.«
»Wir älteren Semester sollen womöglich auch suchen?« fragte der Kapitän unbehaglich.
»Selbstverständlich. Mitgefangen, mitgehangen.«
»Dann wird er aber bald hängen«, meinte Lottchen pomadig. »Das tut er nämlich immer, wenn er was sucht. Doch vorher zertrampelt er noch die Eier.«
»Na, vielleicht geht es andersrum«, zog er ungerührt an seiner Pfeife. »Bei einem Pummelchen kann man nie wissen.«
»Wir werden es erleben«, sagte Gräfin Erdmuthe, die immer ihren Spaß an den Neckereien der beiden hatte, die sich so herzlich zugetan waren. Sie konnte sie sich aus ihrem Leben nicht wegdenken, gleichfalls nicht Frederik von der Gylt nebst seinen Angehörigen. Das waren Menschen, auf die man sich verlassen konnte. Auch in schlechten Zeiten, das hatten sie mehr als einmal bewiesen.
Ostern war in diesem Jahr Anfang April, und so mußte man sich bei dem mürrischen Gesellen auf unwirtliches Wetter gefaßt machen. Doch er zeigte sich gnädig. Ließ sogar während der Eiersuche im Schloßpark die Sonne scheinen. Aber man hätte sich auch bei Regen nicht davon abhalten lassen. Warm und wetterfest angezogen machte man sich auf die Suche nach all den netten Ostersachen.
Man fand sie in den raffiniertesten Verstecken. Einzeln, in Päckchen, in Nestern mit buntgefärbten Hühnereiern, solchen aus Schokolade und Marzipan, Küken, Häschen und ein kleines persönliches Geschenk.
An jedem Stück hing ein Zettel mit Namen, damit keiner zu kurz kam. Sechs Sachen waren jedem zugedacht, die er allein suchen mußte: Zu zweit oder gar zu dritt zu gehen, war nicht gestattet.
Natürlich erstreckten sich die Verstecke nicht über den ganzen riesengroßen Park, sondern nur über einen kleinen Teil, der gekennzeichnet war. Mutter und Sohn Björn, die Spender, standen hinter einem Gebüsch und sahen mit Vergnügen dem Suchen zu. Selbst der würdige Herr Senator nebst Gattin, der Grandseigneur von der Gylt, der tapsige Herr Kapitän mit seinem Pummelchen, machten eifrig mit. Man suchte, äugte, machte groteske Sprünge, reckte sich, ging in die Hocke, legte sich sogar lang, wenn man unter einem Strauch etwas erspähte. Wie komisch man dabei wirkte, war ja so egal.
Es