Herd und Schwert. Fritz Skowronnek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fritz Skowronnek
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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einer kleinen Pause fing Tante Christine von ihrem Leben und von ihrem verstorbenen Gatten an zu erzählen. Aus ihren Worten sprach eine milde Abgeklärtheit, die über den Dingen steht und deshalb mit gütigem Verstehen urteilt. Es war, als wenn sie mit sich selbst spräche. Zuletzt schwieg sie eine Weile, in Erinnerung versunken. Dann sagte sie mit fester Stimme:

      »So, mein lieber Junge, nun lass’ mich allein. Lass’ dir Grundmoser holen und besprich dich mit ihm. Ist es dir recht, dass ich alle Beamten heute zu Mittag eingeladen habe, damit du sie gleich kennen lernst und sie dich auch?«

      »Selbstverständlich, liebste Tante. Sei mir nicht böse, dass ich dir noch nicht so gedankt habe, wie ich es müsste. Es ist zu viel, was auf mich einstürmt Ich kann es ja noch nicht fassen.«

      Er beugte sich nieder, um ihre Hände zu küssen. Da nahm sie sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn auf Stirn und Mund.

      »Ich verstehe dich, man muss sich auch an das Glück gewöhnen, hoffentlich wird es dir nicht zu schwer fallen,« fügte sie mit einem schalkhaften Lächeln hinzu.

      … Kurt zitterten die Hände, als er den Geldschrank in seinem Arbeitszimmer aufschloss und das Dokument herausnahm, das ihn aus einem armen Assessor zu einem reichen Großgrundbesitzer machte. Als Jurist sah er auf den ersten Blick, dass es eine Schenkungsurkunde, nicht etwa ein Testament war, das erst nach dem Tode der Tante in Kraft getreten wäre.

      Er schloss die Augen und lehnte sich in den Sessel zurück. Es kam ihm dabei das Gelüst an, von seiner Macht sofort Gebrauch zu machen und sich ein Frühstück zu bestellen.

      Doch ehe er den Entschluss ausführen konnte, trat Jons ein und meldete:

      »Das Frühstück ist aufgetragen.«

      Kurt lachte laut auf. Es kam ihm vor, als wäre er in einen Prinz verzaubert, dem eine höhere Gewalt jeden Wunsch erfüllte, kaum dass er ihn gedacht hatte. Wenn er nur nicht aus dieser Verzauberung unsanft in die Wirklichkeit zurückversetzt würde. Dann lachte er wieder, als er das Dokument zurücklegte und im Schrank verschloss.

      Auch nach Grundmoser brauchte er nicht zu schicken. Der Graubart erwartete ihn schon und begrüßte seinen neuen Herrn zurückhaltend und ehrerbietig. Kurt schüttelte ihm sofort kräftig die Hand und bat ihn, Rücksicht darauf zu nehmen, dass er von der Landwirtschaft nichts, aber auch nicht das Geringste verstehe.

      »Das werden wir schon kriegen«, erwiderte der Graubart gleichmütig. »Wir sind mit der Aussaat durch und die stille Zeit für uns Landwirte hat begonnen.«

      »Wie stehen die Saaten, Herr Inspektor«, fragte Kurt, um doch etwas zu fragen.

      Grundmoser schmunzelte.

      »Sie werden ja selbst sehen. Ich denke, wenn es Ihnen recht ist, lassen wir uns gleich nach Mittag den Jagdwagen anspannen und fahren das Gut ab. Vormittags kann ich Ihnen noch die Ställe zeigen.«

      Dem neuen Besitzer von Berschkallen schwirrte der Kopf von all den Namen, die er in den Ställen hörte und las. Jedes Pferd, jeder Bulle, jede Kuh hatte einen Namen, der auf einer Tafel über ihren Köpfen verzeichnet war. Dann kamen die Beamten zur Mittagstafel. Ein verwitterter, knorriger Grünrock, der Förster mit seinem Hilfsjäger, der Brennereiführer, der Molkereiverwalter, der Ziegeleimeister, der Hofverwalter und noch einige junge Inspektoren.

      Kurt fühlte sich unter all den Männern wie ein junger Hund, der ins Wasser geworfen wird und schwimmen soll. Aber er schwamm, und Grundmoser half ihm dabei. Er sprach nicht von der Landwirtschaft, sondern von dem seligen gnädigen Herrn und erzählte von dem großen Begräbnis. Wie der alte Herr Braczko aus Keimkallen drei Nächte beim toten Freunde die Leichenwache gehalten, dabei Rotspohn getrunken und dem Verstorbenen im Sarge zugeprostet habe. Bald nach 1 Uhr sei er jede Nacht sanft eingeschlummert, dann habe ihn Jons unter den Arm genommen und auf einer Liege zur Ruhe gebracht.

      4. Kapitel

      Schneller, als er selbst gedacht hatte, fand sich Kurt in die Rolle des Gutsherrn. Eine Stunde, nachdem ihn Grundmoser durch die Hälfte der Begüterung gefahren hatte, denn in den paar Stunden war es nicht möglich, das ganze Gut zu besichtigen, trat er wieder bei seinem Herrn ein, blieb an der Tür stehen und sagte in einem von der bisherigen derben Vertraulichkeit völlig abstechenden Ton:

      »Wir haben heute mit zehn Gespannen auf den Schlag 4 nach der Keimkaller Grenze Dung gefahren. Sechs Gespanne haben Getreide zur Bahn gebracht, ein Gespann …«

      Kurt drehte sich lachend in seinem Stuhl um:

      »Aber lieber Herr Grundmoser, weshalb erzählen Sie mir das? Kommen Sie lieber her und setzen Sie sich zu mir. Ich habe, offen gestanden, immer um diese Zeit einen bescheidenen Dämmerschoppen eingenommen und wäre nicht unglücklich darüber, wenn die Beherrscherin der Küche ein paar Fläschchen Bier im Hause hätte.«

      Grundmoser verbeugte sich schmunzelnd und trat näher, nachdem er durch einen Druck auf die elektrische Klingel Jons herbeigerufen hatte.

      »Was befehlen der gnädige Herr. Pilsener Urquell oder Münchener Hofbräu? Es ist beides frisch angesteckt.«

      Die Frage kam dem Gutsherrn so komisch vor, dass er den alten Diener erst einen Augenblick verdutzt ansah und dann laut auflachte.

      »Frisch angesteckt?«

      »Aber ja doch,« erwiderte Grundmoser. »Die Herrschaft braucht doch kein Flaschenbier zu trinken.«

      Kurt kam die Sache so unbegreiflich vor, dass er aufstand und Jons folgte. Er fand im Korridor hinter der Diele eine Kammer und darin zwei in Eis gepackte Fässer, die an zwei Stahlflaschen mit Kohlensäure angeschlossen waren. Kopfschüttelnd kehrte er auf seinen Platz zurück. Das war eine angenehme Überraschung, aber sie bestätigte ihm nur die Tatsache, dass man sich auch hier an der russischen Grenze mit allen Annehmlichkeiten des Lebens umgeben kann, wenn man nur das nötige Kleingeld besitzt.

      Bei dem Gedanken, wie sich sein Leben wohl in dem einsamen Gutshause gestalten werde, hatte er mit einem gelinden Schauer auch an die magere Beleuchtung mit Petroleum oder im besten Falle mit Spiritusglühlicht gedacht. Auch darin hatte er sich geirrt. Denn überall im Hause gab es elektrisches Licht.

      Nach dem Abendbrot ließ er bei seiner Tante anfragen, ob er ihr gute Nacht wünschen dürfe. Sie empfing ihn für ein paar Minuten, bloß um ihn zu fragen, ob er sich schon etwas mit seinem Schicksal ausgesöhnt habe.

      »Ach, Tante,« rief er aus, »mir kommt alles, wie ein schöner Traum vor.«

      »Aus dem du jeden Morgen neu gestärkt zur Wirklichkeit erwachen wirst. Schlaf wohl, mein Junge.«

      »Das wünsche ich dir auch, liebe Tante.«

      »Ach, mein Junge, die Nacht ist für mich nicht der schönere Teil des Tages … Dann regen sich bei mir die Schmerzen, erst gegen Morgen pflege ich ein paar Stunden Schlaf zu finden … Vergiss nicht, was du heute Nacht träumst,« rief sie ihm nach, als er sich zur Tür wandte.

      An einem der nächsten Abende nahm er seine geliebte Geige aus dem Kasten und spielte in seinem Arbeitszimmer auf und ab gehend im Dunkeln … Und er war ein Meister auf seinem Instrument, der zur Not mit dieser Kunst sich hätte sein Brot verdienen können. Ohne dass er es merkte, wurde die Tür zur Diele leise geöffnet. Er wusste nicht, dass die alte Dame auch die anderen Zimmertüren hatte öffnen lassen und mit stiller Freude seinem Spiel lauschte. In den ersten Jahren ihrer Ehe hatte sie viel musiziert, aber schon seit Jahren stand der prächtige Flügel im Musikzimmer unbenutzt.

      Am nächsten Tage sagte ihm die Tante, welchen Genuss und welche Freude er ihr durch sein Spiel bereitet habe. Seitdem spielte er in dem großen Speisezimmer, das näher an ihrem Schlafzimmer lag, und kein Abend verging, wo er nicht sein Instrument zur Hand genommen hätte. Ihm selbst bereitete es die größte Freude, dass er durch sein Spiel seiner Wohltäterin einen Genuss verschaffen konnte.

      Allmählich entwickelten sich auch seine gesellschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarn.

      Er hatte auf den Rat der