Herd und Schwert. Fritz Skowronnek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fritz Skowronnek
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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waren augenscheinlich alle von seiner Ankunft unterrichtet.

      Im Vorbeifahren hatte er auf einer Tafel gelesen: Adlig Rittergut Berschkallen. Das waren also schon seine Leute, wie er lächelnd denken musste.

      Dann bog der Wagen in einen von mannshoher Mauer umzogenen Park, und wenige Minuten später rasselten die Räder auf der gepflasterten Rampe eines zweistöckigen, schmucklosen, aber sehr ansehnlichen Gebäudes.

      Ein Mädchen trat aus der Tür und knickste freundlich lächelnd, als er an ihr vorüber ins Haus trat. Eigenartige Gefühle waren es, die ihn beschlichen, als er, von dem Mädchen geführt, durch die Zimmer schritt.

      Zuerst ein großes Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Geldspind und mindestens einem halben Dutzend schwerer Ledersessel. Dahinter ein kleines Eckzimmer, in dessen Kamin ein helles Feuer loderte. Daneben sein Schlafzimmer, mit solider Behaglichkeit eingerichtet. Alles, was er sah, machte den Eindruck alten gefestigten Reichtums. Eine kleine Klitsche war es sicherlich nicht, die ihm das Schicksal in den Schoß werfen wollte, sondern ein großer, reicher Herrensitz.

      Sein ganzes Innere geriet in Aufruhr, als der Gedanke auf ihn einstürmte, dass er von Stund’ an über ein Stück Erde schreiten sollte, das ihm gehörte, oder aller Wahrscheinlichkeit nach gehören würde, und aus diesem Gedanken erwuchs der feste Vorsatz, den Besitz zu gewinnen und festzuhalten.

      Kurt musste sich förmlich zusammenrucken, als der alte Diener mit seinem Koffer eintrat und ihn fragte, ob er dem gnädigen Herrn ein Bad bereiten sollte … wie es der gnädige Herr haben wollte, heiß oder lauwarm. Es fiel Kurt auf, dass der alte Mann ihn nicht Herr Assessor, sondern gnädiger Herr ansprach. Hatte die Tante ihn bereits dem Dienstpersonal gegenüber in diese Würde eingesetzt? Ganz mechanisch reichte er Jons den Kofferschlüssel und trat vor den Spiegelschrank, um einen Blick hineinzutun. Es kam ihm vor, als müsste er in diesem Moment ganz anders aussehen als sonst, wenn er um diese Zeit, manchmal noch mit einem Aktenstück unter dem Arm, durch die stillen Gassen des märkischen Städtchens zum Amtsgericht wanderte. Fast schien es ihm wunderbar, dass er keinen Unterschied entdecken konnte.

      Vorerst musste er sich daran gewöhnen, dass der alte Mann ihn wie einen kleinen Jungen bediente. Er half ihm beim Auskleiden, dann verschwand er durch eine Tapetentür im Badezimmer und stellte das Wasser ab, das die Wanne bereits gefüllt hatte.

      Zu gern hätte Kurt mit dem alten Diener, der sicherlich doch mit dem Hause verwachsen war, ein Gespräch angeknüpft, um ihn nach allem Möglichen zu fragen. Er unterließ es jedoch, um sich nicht eine Blöße zu geben und zu zeigen, wie wenig er von dem Hause wusste, in das ihn sein Schicksal geführt hatte. Beim Ankleiden trank er eine Tasse Kaffee und ein Gläschen Benediktiner, wobei er die Entdeckung machte, dass ein Wandschrank des Zimmers eine ganze Anzahl verschieden geformter Flaschen barg.

      »Kann ich jetzt meine Tante sprechen?«

      »Die gnädige Frau lässt bitten.«

      Über die mit Jagdtrophäen geschmückte Diele, durch ein saalartiges Esszimmer, führte ihn Jons nach dem anderen Flügel des Schlosses, wie das Herrschaftshaus von den Leuten genannt wurde. Eine seine Nerven erregende Spannung überkam ihn auf dem kurzen Gange.

      Nun öffnete Jons vor ihm leise die Tür, um ihn hindurch zu lassen und sie hinter ihm zu schließen. Überrascht blieb er auf der Schwelle stehen. Das Bild, das sich seinen Augen bot, machte einen tiefen Eindruck auf ihn.

      In einem Fahrstuhl saß eine stattliche alte Dame. Das frische Gesicht von einer Fülle weißer Haare umrahmt, die noch kein Häubchen duldeten. Von dem Gesicht, das noch jetzt schön genannt werden musste, strahlte ihm eine herzgewinnende Freundlichkeit und eine Freudigkeit entgegen, dass er mit schnellen Schriften auf sie zu eilte und sich über die beiden Hände beugte, die sich ihm entgegenstreckten.

      »Tante Christine!«

      Seine Stimme hatte den aus tiefer Brust kommenden Herzenslaut gefunden.

      »Mein lieber Junge,« sagte die alte Dame leise, und ihre Hand fuhr sanft über sein volles Haar. Ihre Augen, aus denen helle Freude leuchtete, verrieten nicht im Geringsten, dass sie nichts mehr wahrnahmen, als einen dunklen Schatten. Schnell holte er einen Stuhl und setzte sich neben sie. Tante Christine fasste seine Hand und hielt sie fest.

      »Ich danke dir, dass du gekommen bist … Ist dir der Entschluss schwer gefallen?«

      Mit einem aufrichtigen Lachen antwortete er:

      »Ja, Tante, es ist mir nicht ganz leicht geworden.«

      »Du hast wohl erwartet, eine alte, verbitterte, griesgrämige Frau zu finden, die dich unter ihre Fuchtel nehmen würde?«

      »Griesgrämig und verbittert? Nein, Tante, ich hatte doch schon genug Beweise des Gegenteils. Offen gesagt, ich habe mich nur vor der ländlichen Einsamkeit gefürchtet. Sieh mal, ich bin in der Stadt aufgewachsen und nie aufs Land hinausgekommen.«

      »Mein lieber Kurt, wer hinreichend Arbeit hat, kennt Einsamkeit und Langeweile nicht.«

      Ihre Stimme war bei diesen Worten ernst geworden, dann zog aber wieder ein mildes Lächeln über ihr Gesicht.

      »Du brauchst aber auch hier die Freuden der Geselligkeit nicht zu vermissen. Du findest junge lebensfrohe Nachbarn. Du hast auf Berschkallen selbst eine sehr gute Jagd. Du wirst überall zur Jagd eingeladen.«

      »Ach, Tante, ich habe noch kein Gewehr in der Hand gehabt, und zuerst und vor allen Dingen muss ich doch die Landwirtschaft lernen.«

      »Willst du es wirklich?«

      »Ja, Tante, das ist mein fester Entschluss, und ich will mir Mühe geben. Ich will mich doch nicht hier als Drohne füttern lassen.«

      »Nein, mein Junge, die Absicht hatte ich allerdings nicht. Aber stell’ dir deine Aufgabe nicht zu schwer vor. Mein alter Oberinspektor Grundmoser ist ein treuer und sehr zuverlässiger Mensch, der dich ganz allmählich in deinen Beruf einführen wird.«

      Kurt nickte eifrig.

      »Du behältst natürlich die Leitung in der Hand und bestimmst, was ich zuerst lernen soll … die Viehzucht, oder?«

      Er sah, wie Tante Christine über seinen Eifer lächelte und hielt inne.

      »Nein, mein Junge, du sollst nicht bei mir und Grundmoser als Eleve eintreten. Du bist hier jetzt schon der Herr. Das Schriftstück, das dich dazu einsetzt, findest du in deinem Zimmer im Geldschrank. Hier sind die Schlüssel dazu. Du sollst und brauchst dich nicht um Kleinigkeiten zu kümmern, das besorgt Grundmoser mit seinen Inspektoren. Und im Notfall, wenn eine wichtige Entscheidung an dich herantritt, wirst du mich bereit finden, dir jeden Rat zu erteilen, den du verlangst. Ich will nach 30 Jahren schwerer Arbeit Ruhe und Stille haben.«

      Kurt sah erstaunt, ja fassungslos die Dame an. Er glaubte, nicht recht gehört zu haben.

      Er war schon in diesem Augenblick hier Herr und Besitzer des Gutes? Die alte Dame fühlte, was ihn bewegte. Ganz leise sprach sie weiter:

      »Du musst auch mit der Möglichkeit rechnen, dass ich mal ganz plötzlich die letzte Fahrt zum Gottesacker antrete. Ja, mein Junge, ich leide an einer sehr schweren heimtückischen Krankheit, an der Gicht. Sie hat mir bereits das Augenlicht und den Gebrauch meiner Füße geraubt. Jetzt ist sie nach dem Oberkörper emporgestiegen, und dann pflegt es manchmal sehr rasch zu Ende zu gehen.«

      Kurt schwieg erschüttert und beugte sich über die Hand der tapferen Frau, die so ergeben von ihrem schweren Leiden und ihrem Ende sprechen konnte. Sie legte ihm wieder die Hand auf das Haupt.

      »Ich glaube zu wissen, Kurt, dass du verständig genug sein wirst, dich der Leitung Grundmosers anzuvertrauen Er ist nicht mehr der Jüngste, aber er wird noch einige Jahre vorhalten und bei dir bleiben, bis du selbst im Stande bist, Berschkallen zu bewirtschaften. Du vergibst dir nichts, wenn du ihn wie einen guten, treuen Freund behandelst.«

      »Darauf kannst du dich verlassen, Tante. Das, wird mir schon die Ehrfurcht gebieten, die ich vor dem, was du geschaffen hast, empfinde.«

      Über das Gesicht der alten Dame huschte ein Lächeln.

      »Das hast du sehr schön gesagt, mein Junge. Aber Grundmoser