»Ich will mich natürlich nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen,« sagte Cäcilie.
»Gnädige Frau,« erwiderte Paul, »das bedeutet entschieden einen Fortschritt.«
»Trotzdem . . .« fuhr Cäcilie fort.
»Nein!« rief Paul, »nicht ›trotzdem‹, denn damit verderben Sie wieder alles. – Wenn ich Ihnen bei dem Sprung ins neue Leben auch gern behilflich bin, so wollen wir doch nicht vergessen, daß es in erster Linie geschäftliche Dinge sind, die uns zusammenführen. Und was den Sprung in die Gesellschaft betrifft, den mit Ihnen jetzt hunderttausend andere machen, so glaube ich, daß Sie sich nicht viel hinaufzumühen brauchen. Die Gesellschaft wird Ihnen entgegenkommen.«
»Hörst du’s, Leo!« rief sie erregt. »Die Gesellschaft wird mir entgegenkommen. – Wenn Sie doch recht behielten!«
»Und schließlich kommt es dahin, daß Sie sich besser in der neuen Gesellschaft zurechtfinden als wir.«
»Sie schmeicheln,« wehrte Cäcilie verlegen und kokett.
»Nein, nein! Sie werden sehen, daß ich recht habe.«
»Sie meinen, daß wir moderner sind. Das ist schon möglich.«
»Wandlungsfähiger! Schon, weil Sie nichts aufzugeben haben. Oder« – und dabei dachte er an das Buttergeschäft – »wenigstens nichts, dessen Aufgabe Ihnen schwer fiele.«
Cäcilie verstand ihn zwar nicht ganz, sagte aber:
»Das ist sehr möglich. – Übrigens, es war im Grunde doch etwas Geschäftliches, was ich Ihnen sagen wollte.«
»Dann, bitte!«
»Mein Mann würde Sie, falls Sie noch nichts gefunden haben, gern zu sich nehmen. Es käme ihm auch auf ein paar Tausend Mark . . .«
»Verehrte Frau Berndt,« unterbrach sie Paul; »ich weiß, Sie meinen es gut; vielen Dank also! – Aber es geht nicht.«
»Schade!« sagte sie. – »Ich hätte es mir so nett gedacht. – Und, warum nicht?«
»Ich muß schon wieder auf die Familienbilder weisen!« erwiderte er. »Gewiß! Sie haben recht, wenn Sie uns darum beneiden. Es ist das Beglückendste, was es gibt, dieser Zusammenhang. Es ist mehr wert als Geld, das merke ich jetzt erst so recht, wo ich mein Vermögen verloren habe. Es gibt einem das Gefühl der Sicherheit; man schwebt nicht in der Luft, man hat seine innere Heimat, man fühlt sich bodenständig. Dieser alte Mann« – und er wies auf eins der Porträts – »den ich nie kannte, steht meinem Herzen so nahe, wie jedes meiner Kinder.«
»Nicht möglich!« rief Cäcilie. »Hast du gehört, Leo?«
Und da Berndt nicht gehört hatte, sondern mit seinen Gedanken gerade bei einer Konservenlieferung war, um die er sich bewarb, so sagte er:
»Merk’ dir’s!«
»Aber daraus erwachsen auch Pflichten! Gewiß, es wäre ein Leichtes, die Firma Röhren, deren Name allein ein Vermögen wert ist, zu veräußern. Gerade heut’, wo die Besitzer der neuen Vermögen Gelegenheiten suchen, auch sozial aufzurücken. Denken Sie, ich verkaufte Ihrem Manne die Firma!«
»Ich wollte es eben in Vorschlag bringen!« sagte Cäcilie.
»Ich käme mir vor wie ein Verräter! Glauben Sie nur, ich hätte nicht mehr den Mut, zu diesen Bildern da aufzusehen. Es ist eben mehr als nur die tote Leinwand, mehr als nur Familiengeschichte, was sich darin äußert. Es ist die Fortsetzung der Persönlichkeit. – Ich bin ein sehr eigenwilliger Mensch und dulde nicht, daß andere sich in meine Angelegenheiten mischen. Denen gegenüber aber fühle ich mich verpflichtet, Rechenschaft abzulegen über alles, was ich tue.«
»Großer Gott!« rief sie und sah auf die lange Bilderreihe – »jedem Einzelnen? Das ist ja schrecklich! Leo, was meinst du, da verzichten wir lieber.«
»Ich hoffte, Sie würden mich verstehen,« sagte Paul. – »Es wäre mir eine Genugtuung gewesen, wenn es mir gelungen wäre, Ihnen . . . .«
»Nein! nein!« wehrte Cäcilie ab, »nur nicht! Wenn wir bei jedem Geschäft erst erforschen wollten, was mein seliger Vater und Großvater und die meines Mannes dazu gesagt hätten – du lieber Gott, derweil hätte uns die Konkurrenz längst die fettesten Bissen weggeschnappt.«
»Du läßt also wohl besser deine Bekehrungsversuche,« sagte Käte; und Paul stimmte ihr zu und erwiderte:
»Das scheint mir auch.«
»Überhaupt,« sagte Cäcilie – »geschäftlich, da ist mir nicht bange, da werden wir schon machen. Aber wenn Sie uns gesellschaftlich ein wenig zur Hand gehen wollten. Denken Sie – darf ich es sagen, Leo?«
»Wie? was?« fragte Berndt und sagte vor sich hin: »elftausendsiebenhundert.«
Cäcilie zierte sich, wurde rot, senkte den Kopf, spreizte die dicken Finger und sagte:
»Gott, Leo, du weißt doch!«
»Ach so! natürlich! Du meinst . . .«
»Ja!« sagte sie und sah ihn kokett von unten herauf an. – »Unsere Hoffnung.«
Eine Pause entstand. Dann sagte Käte:
»Ihre Hoffnung? was ist das?«
»Gott! es sagt sich so schwer, nicht wahr?« – und sie bedeckte beschämt den Leib mit ihren roten Händen.
»Sie werden Mutter?« fragte Käte ohne jede Verlegenheit.
Cäcilie senkte den Kopf noch tiefer und hauchte:
»Ja!«
»Da brauchen Sie doch nicht so heimlich zu tun,« sagte Käte. – »Das ist doch das Schönste, was einer Frau geschehen kann.«
»Ich schäm’ mich aber so.«
Käte, die das gar nicht begriff, sagte:
»Ja, Sie sind doch verheiratet.«
»Ich schwör’s Ihnen zu,« erwiderte Cäcilie.
»Seit vier Jahren.«
»Nun also! Und es ist das erste Mal?«
»Ja!«
»So freuen Sie sich doch!«
»Das sage ich meiner Frau auch,« meinte Berndt. – »Man weiß dann doch wenigstens, wo sein Geld ’mal bleibt.«
»So meinte ich es natürlich nicht. Ich dachte dabei lediglich an das Gefühl einer Mutter.«
Paul legte seinen Arm um Käte und sagte:
»Spar’ dir die Müh’, Kind!« – und leise fügte er hinzu: »freue dich, daß wir anders sind!«
Cäcilie überwand infolge dieses Zuredens ihre falsche Scham, hob den Kopf wieder in die Höhe, zog die Hände ein, gab den Leib frei und sagte breit:
»Ja! Also ich bekomme ein Kind.«
»Darauf habe ich nur eine Antwort,« erwiderte Käte, »ich gratuliere!«
»Danke!« sagte Cäcilie. Auch Berndt verbeugte sich, meinte aber:
»Übrigens ist es noch nicht so weit.«
Und Cäcilie ergänzte:
»Erst in zwei Monaten. Wir nehmen natürlich eine Amme. Das heißt: wenn wir eine prima bekommen. Wissen Sie keine?«
Käte, die so plötzlich Vertrauensperson ihr völlig fremder Menschen wurde, konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Ich wüßte schon eine!« sagte sie.
»Leo! das wäre doch glänzend!« rief Cäcilie.
»Du weißt ja noch gar nichts!« gab Berndt zur Antwort.
»Ich bitt’ dich, die Amme von Röhrens! Was brauch’ ich da weiter viel zu wissen?«
»Das heißt,« berichtigte Käte, »unsere Amme ist es nicht.«
»Wessen