»Sie haben also den Wunsch, gesellschaftlich eine Rolle zu spielen?« fragte Paul, und beide erwiderten gleichzeitig:
»Ja!« und Cäcilie fügte noch hinzu:
»Deshalb sind wir ja hier.«
»Wie?« fragten Käte und Paul
»Na, Sie gehörten doch auch dazu . . .«
»Wozu?« fragten Paul und Käte, obschon sie wußten, was Cäcilie meinte. Aber es reizte sie, zu sehen, wie weit ihre Taktlosigkeit, in der nicht einmal kränkende Absicht lag, ging.
»Nu, ich mein’ nur,« erwiderte sie. »Man hört und sieht doch allerlei. Und nachdem Sie nun doch ’mal unsere Vergangenheit kennen, brauchen wir Ihnen ja auch kein Theater mehr vorzumachen.« – Und damit gab sie ihre gezwungene Haltung auf, zog nicht mehr alle paar Minuten ihr Seidenkleid zurecht und ließ ihre roten, fleischigen Hände ungeniert auf dem Schoß liegen.
»Ich dachte gar nicht, daß es heute abend noch so nett werden würde,« sagte Käte belustigt. »Findest du nicht, Paul? ein echter Thackeray.«
»Sie sprechen von einem Maler?« fragte lernbegierig Cäcilie und besah sich die Wände.
»Ungefähr,« erwiderte Paul.
»Schöne Sachen haben Sie da!«
»Gefallen sie Ihnen?«
»Welches ist der echte Thackeray?« fragte Cäcilie und wies auf ein Porträt, das man Lippi zuschrieb und das einen alten Mann mit unverkennbar orientalischem Typ darstellte. – »Vermutlich das?«
»Ungefähr,« erwiderte Paul, und Berndt sagte:
»Ich glaube, du kennst dich bald aus.«
Cäcilie strahlte.
»Und die andern?« fragte sie, und wies auf eine Reihe alter Porträts, die an den beiden Längswänden des Salons hingen.
»Das sind Familienbilder,« erwiderte Käte, »die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern von mir und meinem Mann, und das da« – sie wies’ auf ein Porträt in Lebensgröße – »ist der Großvater meines Urgroßvaters aus dem Jahre siebzehnhundertsieben.«
»Sieh’ bloß, Leo!« rief sie erregt – »Was es alles gibt! Aber das ist doch nicht zweihundert Jahre alt? Das sieht ja aus wie neu. Das ist erst später angefertigt, nicht wahr? Vermutlich nach einer Photographie?«
Käte lächelte.
»Das ist über zweihundert Jahre alt,« erwiderte sie, – »nur in der Zwischenzeit wiederholt gefirnißt. Wenn Sie nahe herangehen, sehen Sie auch das Alter.«
Cäcilie stand auf, trat an die Wand, stieg auf einen Stuhl und besah sich das Bild.
»Wahrhaftigen Gott!« rief sie – »lauter Sprünge! Na, für das Alter hat er sich trotzdem gut erhalten, Ihr Urgroßvater! – Gott, Leo, wenn man doch auch so was hätte!«
Berndt hatte ein Notizbuch herausgezogen, in dem er eifrig blätterte.
»Leider sind diese Porträts bei dem Kaufpreis von achtmalhunderttausend Mark nicht einbegriffen,« stellte er fest.
»Schlemihl!« erwiderte Cäcilie; und Käte, die nach einer stummen Verständigung mit Paul gerade im Begriff war, Getränke und Zigarren kommen zu lassen, ließ den Arm, den sie eben zur Klingel hob, fallen und dachte:
Nein! sie sind zu unmöglich!
»Vielleicht läßt sich das nachträglich noch machen,« meinte Cäcilie und wandte sich an Paul.
Der schüttelte den Kopf.
»Biete!« rief Cäcilie ihrem Mann zu, und der sagte:
»Tausend!«
Paul und Käte mußten lachen.
Berndt bot.
»Zweitausend!«
Und da Pauls und Kätes Ausdruck auch daraufhin nicht ernster wurde, so sagte Cäcilie, die noch immer auf dem Stuhle stand:
»Unsinn! keine Ahnung hast du!« – Sie stellte ihre Lorgnette wieder auf das Bild ein, besah und befühlte es, pustete darauf und sagte:
»Fünftausend!«
»Cäcilie!« rief Berndt vorwurfsvoll.
»Laß mich!« wehrte sie ab. »Ich will das Bild haben. Ich seh’ nicht ein: es sieht mir genau so ähnlich wie Ihnen!« sagte sie zu Käte. »Also, wie ist’s? Fünftausend Mark sind kein Pappenstiel!«
Käte führte das Spitzentuch vor den Mund, um nicht laut aufzulachen. Paul, der sich mehr in der Gewalt hatte, sagte:
»Und wenn Sie für die Villa den doppelten Kaufpreis zahlen – das Bild, wie überhaupt jedes dieser Familienbilder, bekommen Sie nicht.«
Cäcilie war außer sich:
»Was soll das heißen?« rief sie. »Für Geld bekommt man alles!«
»Doch wohl nicht!« erwiderte Paul.
»Das möchte ich ’mal sehen, was wir uns bei unserm Geld nicht kaufen können.«
Paul wies als Antwort mit einer leichten Gebärde auf die Wände, an denen die Porträts der Familie hingen.
»Denn nicht!« rief sie verärgert, stieg von dem Stuhl herunter und brabbelte vor sich hin: »Koulant is das nicht!«
»Wie? bitte!« fragte Paul.
»Nu, ich mein’ nur, ich begreif’ das nicht.«
»Das glaub’ ich gern!« sagte Käte.
»Wenn Sie den Mann noch gekannt hätten! aber das ist doch unmöglich!«
»Er ist seit zweihundert Jahren tot,« erwiderte Paul.
Cäcilie sah Paul und Käte mitleidig an, schüttelte den Kopf und sagte:
»Schade!«
»Was ist schade?« fragte Käte.
»Nu, ich mein’ nur,« sagte sie. »Aber vielleicht, daß die Zeiten auch für Sie noch einmal besser werden.«
Paul wollte aufbrausen. Käte, die es sah, hielt ihn zurück.
»Herr, vergib ihnen,« sagte sie, »denn sie wissen nicht, was sie tun.«
Da mußte auch Paul lachen. Und während sich Berndts verständnislos ansahen, rief er Käte zu:
»Du hast recht! Laß was zu trinken kommen. – Nehmen Sie eine Hamburger oder eine Import?« fragte er Berndt.
Der griff in die Tasche, zog ein Zigarrenetui heraus und sagte:
»Danke! Ich bin versehen, ich möchte nicht gern, daß Sie . . .«
»Herr!« rief Paul bestimmt und hielt ihm zwei Kisten Zigarren unter die Nase. »Da Sie in die Gesellschaft wollen, so merken Sie sich: wenn man wo zu Besuch ist, raucht man nicht seine eigenen Zigarren.«
»Merk’ dir’s, Leo!« sagte Cäcilie, und Leo machte ein verdutztes Gesicht und nahm vor Schreck gleich aus beiden Kisten.
»Sie nehmen es meinem Manne doch nicht übel?« fragte Käte. – »Nur, weil Sie vorhin doch selbst sagten, Sie seien hauptsächlich aus diesem Grund heute abend zu uns gekommen.«
»Durchaus nicht!« erwiderte Berndt.
»So! Dann legen Sie eine Zigarre gefälligst wieder zurück,« befahl Paul. Und Leo folgte und legte die Hamburger Zigarre zu den Importen.
Der Diener schob einen Tisch herein, auf dem Liköre, Pilsener Bier, Saft, Obst, Ingwer, Kuchen und Konfitüren standen.
Cäcilie staunte.
»Sieh bloß, Leo!« rief sie – »wie entzückend!«
Und Leo nickte und erwiderte:
»Merk’s dir!«
Als Cäcilie sich das zwölfte Praliné in den Mund schob, schlug Berndt das Gewissen, und er sagte:
»Ich