Eines Abends gegen vier Uhr kam Mocquet ins Haus.
Er kaufte Pulver ein.
Während des Einkaufens winkte er mir mit dem Auge. Er ging hinaus. Ich folgte ihm.
»Nun, Mocquet,« fragte ich, »was gibts?« »Errathen Sie’s nicht, Herr Alexander?« »Nein.«
»Errathen Sie nicht, daß ichs, wenn ich bei der Frau Generalin Pulver kaufe, statt es ganz einfach in Haramont zu holen, d.h. wenn ich eine ganze Stunde gehe statt einer Viertelstunde, daß ich Ihnen dann eine Partie vorzuschlagen habe?
»Ach, mein lieber Mocquet! Und was denn?«
»Es Ist Ein Wolf da, Herr Alexander.«
»Wirklich?«
»Er hat heute Nacht dem Herrn Destournelles ein Schaf gestohlen, und ich bin ihm bis in den Wald von Tillet nachgelaufen.«
»Und nun?«
»Heute Nacht werde ich ihn ganz gewiß wieder sehen, ich werde ihn auftreiben, und morgen früh wollen wir ihm dann seinen Denkzettel geben.«
»O welch ein Glück!«
»Nur bedarf es der Erlaubniß . . .
»Von wem, Mocquet?«
»Von der Frau Generalin.«
»Komm wieder mit mir herein, Mocquet, wir wollen sie darum ersuchen.«
Meine Mutter betrachtete uns durch die Fensterscheiben hindurch.
Sie dachte sichs sogleich, daß irgend ein Complott geschmiedet wurde. Wir kamen herein.
»He, Mocquet,« sagte Sie, »Du gefällst mir gar nicht mehr.«
»Warum, Frau Generalin?« fragte er.
»Nun, weil Du dem Jungen immer den Kopf warm machst; er denkt bereits nur zu viel an Deine verdammte Jagd.«
»Ei, Frau Generalin, das ist wie mit den Hunden von guter Race: sein Vater war ein Jäger, er ist ein Jäger, sein Sohn wird ein Jäger werden; darein müssen Sie sich zu finden wissen.« »Und wenn ihm ein Unglück zustößt!«
»Bei mir! Ein Unglück! Ein Unglück bei Mocquet! Was fällt Ihnen ein? Ich bürge mit Leib und Seele für Herrn Alexander. Ihm ein Unglück zustoßen, dem Sohn des Generals! Nein, nein, nimmermehr!«
Meine arme Mutter schüttelte den Kopf.
Ich hing mich ihr an den Hals.
»Liebes Mütterchen,« sagte ich, »laß Dich erbitten.« »Aber Du mußt ihm seine Flinte laden, Mocquet.«
»Seien Sie doch ruhig! Sechzig Körner Pulver, keins mehr, keins weniger, und eine Kugel, wovon zwanzig auf das Pfund gehen«
»Du darfst ihn nicht verlassen.«
»So wenig als sein Schatten«
»Du mußt ihn neben Dich stellen.«
»Zwischen meine Beine.«
»Mocquet! Dir allein vertraue ich ihn an.«
»Und Sie sollen ihn unversehrt zurückerhalten. Kommen Sie, Herr Alexander, nehmen Sie Ihre Siebensachen zusammen und lassen Sie uns gehen.
Die Frau Generalin erlaubt es.
»Ei wie? Du willst ihn schon heute Abend mitnehmen, Mocquet?«
»Natürlich, denn morgen wäre es zu spät, um ihn abzuholen; dem Wolf muß man mit Tagesanbruch zu Leibe gehen.«
»Also zu einer Wolfsjagd willst Du ihn mithaben?«
»Fürchten Sie etwa gar, der Wolf könnte ihn fressen?
»Mocquet! Mocquet!«
»Wenn ich Ihnen doch sage, daß ich für Alles gutstehe!«
»Und wo soll er übernachten, der unglückliche Junge?
»Beim alten Mocquet! Er bekommt eine gute Matratze auf dem Boden, Betttücher so weiß, wie diejenigen, welche der liebe Gott über die Ebene hingebreitet hat, und zwei gute warme Decken. Er soll sich gewiß nicht erkälten, seien Sie ganz ruhig.«
»Ach ja, liebe Mutter, sei doch ruhig. Komm jetzt, Mocquet, ich bin bereit.«
»Und Du gibst mir nicht einmal einen Kuß, unglückliches Kind?«
»O freilich, liebes Mütterchen, lieber zwei als einen.«
Und ich warf mich meiner Mutter an den Hals und erdrückte sie beinahe in meinen Armen.
»Und wann wird man Dich wieder zu sehen bekommen?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, wenn er erst morgen Abend zurückkommt.«
»Wie so? morgen Abend! Du sagtest doch von Tagesanbruch.«
»Mit Tagesanbruch geht es auf den Wolf los; aber wenn wir das Nest leer finden, so wird der junge Herr doch wenigstens im Moor von Wallu ein Paar Enten schießen dürfen.«
»Du wirst machen, daß er ertrinkt.«
»Ei zum Teufel,« sagte Mocquet, »wenn ich nicht die Ehre hätte, mit der Frau meines Generals zu sprechen, so würde ich sagen . . .
»Was würdest Du sagen, Mocquet?
« »Daß Sie einen Hasenfuß aus Ihrem Sohn machen wollen. Aber wenn die Mutter: des Generals hinter ihm gestanden und ihn an seinen Rockschößen gezupft hätte, so wäre er seiner Lebtage nie übers Meer her nach Frankreich gekommen.«
»Du hast Recht, Mocquet, nimm ihn mit; ich bin unvernünftige.«
Und meine Mutter wandte sich ab, um sich eine Thräne aus dem Auge zu wischen.«
Einer Mutter Thräne ist ein Herzdiamant, köstlicher als eine Perle von Ophir.«
Ich sah sie fließen.
Ich ging zur armen Frau hin und sagte ganz leise zu ihr:
»Wenn Du willst, Mutter, so bleibe ich.«
»Nein, nein, mein Junge, geh’ nur,« sagte sie; »Mocquet hat Recht; Du mußt einmal ein Mann werden.«
Ich umarmte sie noch ein letztes Mal.
Dann eilte ich Mocquet nach, der sich bereits auf den Weg gemacht hatte.
Nach etwa hundert Schritten wandte ich mich um.
Meine Mutter war bis mitten in die Straße herausgegangem um mir so lang als möglich mit ihren Blicken zu folgen.
Jetzt kam die Reihe an mich, eine Thräne aus meiner Wimper zu wischen.
»Nun das ist sauber,« sagte Mocquet zu mir, »jetzt weinen Sie also auch Herr Alexander!«
»Was fällt Dir ein, Mocquet? Das kommt blos von der Kälte her.«
Du, der Du mir diese Thränen gegeben hattest, o mein Gott, Du weißt wohl, daß ich nicht vor Kälte weinte.
VIII
Wir kamen bei dunkler Nacht in Mocquets Wohnung an.
Unser Nachtessen bestand in einer Omelette mit Speck und einer Kaninchenfricassee.
Dann bereitete mir Mocquet mein Bett.
Er hatte meiner Mutter Wort gehalten: ich erhielt eine gute Matratze, zwei weiße Betttücher und zwei gute, sehr warme Decken.
»Vorwärts!« sagte Mocquet zu mir, »schlüpfen Sie jetzt da hinein und schlafen Sie; wir werden morgen früh wahrscheinlich schon um vier Uhr ausrücken müssen.«
»So bald Du willst, Mocquet.«
»Ja, ja, am Abend sind Sie früh auf, aber morgen früh werde ich wohl einen Topf kalten Wassers in Ihr Bett schütten müssen, um Sie auf die Beine zu bringen.«
»Ich erlaube Dir das, Mocquet, wenn Du mich zweimal rufen mußt.«
»Nun, es wird sich schon zeigen.«
»Aber bist Du denn heute so außerordentlich schlaflustig, Mocquet?«
»Was soll ich anders thun als schlafen.«
»Ei