Was für eine Freude! Der Traum wird wahr. Luciana fängt an, sich das Treffen am Flughafen in ihrer Fantasie vorzustellen. Sie mit einem Schild in der Hand, auf das sie in groÃen Buchstaben ' VINCENT' schreiben würde. Er, schön und elegant, mit dem Koffer mit dem Abflugsaufkleber Abidjan, Sonnenbrille; vielleicht ein kleines Souvenir für sie und ihr Kind.
Luciana hält es nicht mehr aus und organisiert im Detail die BegrüÃung von Vincent. âSoll ich ein Banner am Eingang des Hauses anbringen? Vielleicht besser nicht, das ist banal.â
Sie möchte nicht, dass es aussieht, als ob sie sich zu sehr in die Sache hineinsteigerte und ihn so behandelte, als ober er der einzige Mann auf der Welt sei. Besser an konkretere Dinge denken, wie ein ganz spezielles Abendessen, eines ihrer persönlichen Spezialitäten: Safran-Lasagne, Heidelbeerkuchen und einen guten italienischen Wein. Es sollte ganz einfach sein, aber dennoch perfekt für die BegrüÃung desjenigen, der ihrem Leben neuen Schwung geben wird. Luciana kann es nicht mehr erwarten, ihn in ihre Armen zu schlieÃen. Sie fängt wieder an Gymnastik zu machen und zum Mittagessen isst sie Salat und Mozzarella. Sie möchte in der Zeit bis sie Vincent treffen wird, noch zwei, drei Kilo abnehmen.
Luciana wird immer schöner und das bemerken auch ihre Freunde. Ihre Augen funkeln wenn sie ihre Geschichte erzählt, von dem Glück einen solch besonderen Mann auf Facebook getroffen zu haben. Manche Freundin lässt schon auch mal fallen: âSei vorsichtig mit den sozialen Netzwerken! Da ist nicht alles Gold was glänzt!â Aber Luciana hört ihr kaum zu. Sie erwartet derartige Warnungen, aber sie lässt sie auÃer Acht. Ihr Glück liegt darin, dass sie den Mann ihres Lebens getroffen hat und da hat das Gerede ihrer Freundinnen kein Platz.
Aber einen Tag erreicht sie eine schlechte Nachricht, die ihrer Glückseligkeit, ihrer vom Schicksal Auserwähltsein einen herben Dämpfer verpasst. Vincent sendet ihr eine Nachricht von der Elfenbeinküste und bittet um Hilfe. Er ist verzweifelt. Man hatte seine Aktentasche gestohlen, mit Geldbörse und Kreditkarte, Handy und alles Geld, das er mitgebracht hatte. Die Räuber haben ihn auÃerdem auch noch mit dem Auto verfolgt und bei der Flucht hat er ein 8 Jahre altes Kind angefahren, das nun schwerverletzt im Krankenhaus liegt. Vincent droht jetzt eine Gefängnisstrafe, wenn er nicht sofort 2500 Euro für die medizinische Behandlung bezahlt.
Das Bewusstsein von Luciana beginnt sich zu lichten
Viele Frauen hätten bezahlt, so wie in vielen anderen Romance Scams, aber bei Luciana beginnt eine kleine Alarmglocke zu läuten und sie stellt tausend Fragen: sie möchte ein Foto des verletzten Kindes, seine Daten, Kontaktinformationen und Bankdaten des Krankenhauses, dem sie das Geld überweisen soll.
Vincent ist über das Misstrauen ein bisschen beleidigt. Er sagt es ihr. Dann, mit viel Geduld erklärt er ihr, dass das Krankenhaus keine Ãberweisungen aus Europa akzeptiert. Der einzige Weg, zu zahlen ist eine Ãberweisung mit Money transfert.
Der Nebel im Gehirn von Luciana löst sich auf und sie schreibt eine E-Mail an die Botschaft in Abidjan, in der sie um Auskunft über den sogenannten Vincent bitten, sie schickt sein FB-Profil und das wenige, was sie sonst noch von ihm weiÃ. Sie findet heraus, dass der Mann ein polizeibekannter Betrüger und Teil einer Gruppe ist, die auf romantische Betrügereien spezialisiert ist.
Alarmglocke
Luciana beginnt die Informationen in ihrem Besitz zusammenzureimen. Der angebliche Vincent gibt sich als Franzose aus, denn in der Elfenbeinküste, ist Französisch als ehemalige Kolonie noch Amtssprache. Er hat Abidjan nie verlassen, aber er hat so getan als ob er dort hingereist wäre, um in der Heimat die Geldüberweisung zu erhalten.
Luciana schickt ihm das Geld nicht, denn sie ist so klug, den Betrug rechtzeitig zu bemerken. Es war die Bitte um Geld, die ihren inneren Alarm auslöste. Intuition und Vernunft gewinnen über Gefühle und der Betrüger verliert das Spiel, das er so mühsam gespielt hatte.
Jede Frau, jeder Mensch sollte - bei einer Anfrage nach Geld - aus dem durch die Liebe vernebelten Bewusstsein auftauchen. Es sollte eine automatische Reaktion auslösen: Geld = Erwachen!
Dann ein herzliches "Leck mich" an den skrupellosen Räuber. Aber es ist nicht einfach, einen Traum aufzugeben. Nachdem Luciana Anzeige erstattet hat, weint sie tagelang. Sie sagt, sie hätte sich wie eine arme Närrin gefühlt, wie eine Idiotin:
âEr hat diese psychische Gewalt verwendet - erklärt Luciana in einem Interview - um mich buchstäblich in die Knie zu zwingen. Er machte sich sogar Sorgen um mich und fragte, ob ich gut geschlafen hätte, ob ich gegessen hätte und wie mein Arbeitstag war! Es ist offensichtlich, dass, wenn ich bei klarem Verstand gewesen wäre, es für unmöglich gehalten hätte, dass ein so netter und höflicher Mann sich in jemand wie mich verliebt, die weder hübsch noch jung ist; aber leider, macht, wie man so schönt sagt, Liebe blindâ6.
Mary
Die Geschichte von Mary wird von ihrem Sohn Lucien erzählt. Eine schlimme Geschichte, aber mit Happy End, wenn man das so nennen kann, wenn man sein eigenes Geld wieder beschafft.
Mary feierte gerade ihren 59. Geburtstag, als sie von einem amerikanischen Seemann kontaktiert wird, der ihr Glückwünsche und eine Freundschaftsanfrage schickt. Der Mann sagte, sein sei Name Michael Miller und er wäre 53 Jahre alt.
Sie lebt seit zehn Jahren in Italien. Sie ist Französin, die mit einem italienischen Journalisten verheiratet war und von dem sie geschieden ist. Sie hat aus dieser Ehe einen Sohn, Lucien, der als Mathematiklehrer an einem Gymnasium in Rom arbeitet, wo sowohl er als auch seine Mutter lebt.
Die Annäherung Michaels findet an ihrem Geburtstag statt. Er schickt ihr eine Freundschaftsanfrage, sie akzeptiert sie. Er schickt ihr einen groÃen Strauà roter Rosen (ein Foto) mit Glückwünschen in englischer Sprache.
âWie hast du deinen Geburtstag verbracht?" fragt sie Michael am nächsten Tag in einem Italienisch voll von grammatischen Fehlern.
âGut! Ich war mit meinen Freunden zum Essen und wir hatten einen schönen Abend.â
âDo you have a lot of friends? Who do you like? I'm jealous.â
âSprichst du Französisch? fragt ihn Mary - ich kann nur ein bisschen Englisch."
âAvez vous beaucoup d'amis? Qui aimez-vous? Je suis jalouxâ, wiederholt er und gibt zu, dass er den Satz mit Google übersetzt hat, und setzt die Unterhaltung mit Kopieren-Einfügen von Online-Ãbersetzungen fort.
âAlso, wenn du Google benutzt, dann wähle gleich die italienische Sprache - drängt ihn Mary - weil in Französisch ich automatisch alle Fehler korrigiere.â
âHast du viele Freunde? Wer gefällt dir? Ich bin eifersüchtig.â
âSei nicht albern!â
âIch denke nur an dich. Vor einem Monat habe ich dein Bild gesehen, aber ich bin schüchtern und erst an deinem Geburtstag fand ich den Mut, dich anzusprechen!â
âWirklich?â fragt ihn Mary geschmeichelt. âUnd was gefällt dir an mir? Ich bin eine normale Frau.»
âNormal? Say normal is false. Normal entspricht nicht der Wahrheit. Du bist schön.â
âWie alt bist du, hast du gesagt?â
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