Der Klosterjaeger. Ganghofer Ludwig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ganghofer Ludwig
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Das ist doch ein Tier mit Haar und Füßen?“

      „Frißt aber Fische! Verstehst du? Das ist Philosophie der Klosterküche: Biber, Otter und Wildente, ob Pelz oder Federn, was Fische frißt, wird wieder als Fisch gegessen. Und ganz mit Recht! Denn die Nahrung macht das Wachstum und bildet aus ihrem Stoff den Körper. Somit verzehrst du in diesem Braten kein richtig Fleisch, sondern ein Teilchen von jedem Hecht und Karpfen, von jeder Grundel und Schleie, die der Biber schmauste.“

      „So?“ lächelte Haymo. „Dann aber, Frater Küchenmeister, wundert mich eines.“

      „Was, mein Junge?“

      „Daß Ihr am Fasttag nit auch eine Hirschkeule auf die Tafel setzt.“

      In Entsetzen klatschte der Frater die Hände zusammen. „Haymo! Du gottverlorener Mensch!“

      „Warum? Die Hirsche äsen Gras und Kräuter. Also muß ihr Fleisch ein Gemüse sein, wie Kohl und Rüben. Und das ist doch Fastenspeis.“

      Der Küchenmeister machte ein verdutztes Gesicht; dann schlug er lachend die Hand auf den Tisch. „Schade, schade, Haymo, daß du kein Klerikus geworden! In dir steckt ein Kirchenlicht. Und das soll nit umsonst geleuchtet haben! Im nächsten Kapitel mache ich den Vorschlag, daß man alles Wildbret als Fastenspeis erklären soll.“ Nachdenklich schwieg er und schüttelte den Kopf. „Nein! Ich tu’s doch lieber nit. Am Ende drehen sie den Spieß um und sagen: wie der Hirschbraten kein Gemüse ist, so ist der Biberschwanz kein Fisch, obgleich er Schuppen hat. Und Biberschwanz ess’ ich für mein Leben gern. Gib her ein Bröckl!“ Und aus dem ‚Bröckl‘ wurde mit Kosten und Kosten der halbe Braten. „Gelt, du? Das rutscht wie Butter.“

      „Ja, Frater, ein feiner Braten! Der kommt wohl von weither?“

      „Von der Donau. Dort leben die Biber zu Hunderten in ihren Wasserdörfern. Von Straubing bis weithinunter gegen Wels hat der Passauer Bischof das Jagdrecht. Mit dem letzten Salzkarren hat er uns ein Dutzend geschickt, wickelfette Kerle!“

      „Von Passau? Ist das von dorther, von wo der neue Pater Fischmeister gekommen ist?“

      „Warum fragst du?“

      Haymo wurde rot. „Ich mein’ nur so. Ich hab ihn gesehen, heut früh am See.“

      Des Fraters Augen leuchteten. „Den soll der liebe Gott unserm Kloster erhalten! So viel hat noch keiner von See und Fisch verstanden, wie der! Hast du den Ferch draußen am Spieß gesehen? Den hat er mit eigener Hand gefangen. Ich laß aber auch nichts auf ihn kommen. Ich halt es mit ihm. Da mögen sie im Kloster reden, was sie wollen.“

      „Was reden sie von ihm?“ fragte Haymo, wobei er sich alle Mühe gab, seine Spannung zu verbergen.

      „Ach, dummes Zeug! Bevor er hinauszog in die Seeklause, haben sie ihn in der Nacht oft schreien hören in seiner Zell, daß es jedem, der es hörte, durch Mark und Bein ging. Und wenn sie dann zu ihm hineinrannten, fanden sie ihn am Boden, mit zerrauftem Haar und blutigen Fingernägeln. Nun sagen sie, daß der Teufel Macht hätte über ihn, weil furchtbare Sünden auf seinem Gewissen liegen. Und sie sagen, der Teufel käme in der Nacht und raufe mit ihm um seine Seele.“

      Haymo saß mit erblaßtem Gesicht und stammelte: „Soll das wahr sein können?“

      „Glaub mir, Haymo, dem Teufel laufen die Seelen so scharenweis zu, daß er gemütlich warten kann, bis sie kommen. Der braucht sich nit zu raufen um das, was sein ist. Und bei einer Seel, die dem lieben Herrgott gehört, da hilft ihm auch das Raufen nichts.“

      „So?“ Haymos Stimme klang seltsam gereizt; denn wieder sah er den Pater Fischmeister vor Gittli stehen, mit verlangend gestreckten Armen, mit brennenden Augen. „Ihr meint wohl, der Pater hätt so eine fromme Seel, die nirgends hin will, als nur hinauf in den Himmel?“

      „Was weiß ich? Kein Mensch hat ein Guckloch vor dem Herzen, daß man hineinschauen könnt, wie’s aussieht drinnen. Auf jeder Pfanne liegt ein Deckel. Nun errat’s, was drinnen kocht! Mit der Nase riecht man auch nit alles. Und wer immer auf den Knien rutscht, ist noch lang kein Heiliger. Es kann auch einer in den Himmel kommen, der steife Beine hat. Und dann, was geht’s mich an? Er ist der beste Fischer. Das ist mir genug. Freilich, was Besonderes muß es schon gewesen sein, was den ins Kloster verschlagen hat. Wenn ich zurückdenke die zwanzig Jahr – “

      „Ihr habt ihn gekannt?“ fiel Haymo hastig ein.

      „Gekannt? Nein! Aber gesehen hab ich ihn einmal. Und hab ihn auch nimmer vergessen. Es war zu Regensburg. König Ludwig – jetzt ist er lange schon Kaiser, und Gott mag ihn erhalten, denn er ist ein guter Herr – der sollte damals zu Gast kommen bei Bischof Adalbert. Und da holten sie mich aus dem Kloster, damit ich das Mahl rüste. Ja, mein Junge, ich hab allzeit was gegolten! Ein Koch wie ich! – Lassen wir’s, denn stolz sein ist eine Sünd. Ich kam also, und ich sag dir, Wunder hab ich gewirkt, Wunder! Was ein Auerhahn für ein Vieh ist, das weißt du doch?“

      „Keine schönere Jagd, Frater!“

      „Jagen? Meintwegen! Aber essen? Ich dank! Was aber will ich machen? ‚Bruder Küchenmeister‘, sagte Herr Adalbert zu mir, ‚ich will dir kund und zu wissen tun, daß Herrn Ludwigs Lieblingsgericht der Auerhahn ist.‘ Auch ein Geschmack, denk ich mir! Dazu gehört ein gut bayrischer Magen. Und Zähne! Die hat er freilich. Das haben seine Feinde gespürt, mit denen er ins Beißen kam. Also, ein Auerhahn! Ja, aber wie? Ich sag dir, Haymo, die ganze Nacht hab ich kein Auge zugetan. Und der liebe Gott hat mich erleuchtet. Ich habe damals eine Beize erfunden – eine Beize! Und der Auerhahn kam auf die Tafel. Und wie! Butter, Haymo, Butter!“

      „Aber der Pater Fischmeister?“ drängte Haymo.

      „Ja, richtig! Es war ein wunderschöner Maitag, als Herr Ludwig einzog im Hof der Bischofsburg. Alles glitzerte von Sonne. Der Himmel gut bayrisch: blau mit silbernen Schäflen. Als sie kamen – ich sag dir, Haymo, das war ein Glanz und eine Pracht, von all dem funkelnden Gold und Eisen! Vom Küchenfenster sah ich’s mit an. Und ein Jubel und eine Freud! Herr Ludwig ritt auf einem schneeweißen Pferd.“

      „Die Krone auf dem Haupt und das Zepter in der Hand?“

      „Dummer Bub!“ lachte der Frater. „Da kennst du unsern Kaiser schlecht. Nein! Im schlichten Jägerkleid, nit ärmer wohl, aber auch nit besser als der Kittel, den du am Leib trägst. Sein Gefolg aber! Du, das schaute sich an, als wären die Schatzkammern der Untersberger Zwerge lebendig geworden. Und unter den Fürsten und Rittern war einer – “

      „Der Pater Fischmeister?“

      „Erraten! Freilich, damals hieß er noch nit Pater Desertus, sondern Dietwald, Burggraf zu Falkenberg.“5

      „Ein Graf!“ staunte der Jäger.

      „Hast du schon den heiligen Georg auf seinem Roß gesehen?“

      „Ja, auf dem Bild, das im Zimmer des Vogtes hängt.“

      „So sah er aus. Stolz und schön! Unter dem blitzenden Helme ringelten sich die schwarzen Locken hervor. Auf den Lippen sproß ihm der erste Flaum, ein lachendes Gesicht wie Milch und Blut, aber eine Gestalt und Glieder, und eine Kraft! Sein Roß schnaufte nur so unter ihm! Und als wär’s ein Birkenblatt, so trug er den schweren Schild, einen weißen Falk auf blauem Grund. Andern Tages beim Turney, da brauchte er nur so zu machen – “ der Frater Küchenmeister tippte den Zeigefinger auf Haymos Brust, „und die Herren Ritter purzelten in den Sand und streckten alle viere in die Luft. Und die Weibsleut! Wie verrückt waren sie. Die Augen guckten sie sich aus nach ihm. Er aber – Was gibt’s?“

      Ein Laufbursch war in die Stube hereingestürmt; der Klostervogt hätte nach dem Jäger fragen lassen.

      Erschrocken sprang Haymo auf; aber so rasch kam er nicht zur Tür hinaus. Der Frater Küchenmeister hatte noch allerlei Anliegen; er zählte dem Jäger an den Fingern die würzigen Wald- und Almenkräuter her, welche Haymo in die Küche liefern sollte, sobald der Frühling sie erweckt hätte zum Blühen. Auch die Bärenschinken wären aufgeknappert bis auf den letzten Knochen. Ob nicht Aussicht wäre auf neuen Vorrat? Nicht nur wegen der Schinken. „Gesulzte Bärentatzen!“ Der Frater verdrehte die Augen


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Falkenberg in Niederbayern an einem Nebenbach der Vils.