Reise über Indien und China nach Japan.. Freiherr von und zu Richard Eisenstein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Freiherr von und zu Richard Eisenstein
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
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und reiche Einheimische, speciell Parsen, sassen vorne an der Leine, ein buntes Gemisch tropischer Trachten.

      Am 21. Februar machte ich einen Spaziergang durch die Stadt, um das Volksleben zu studiren. Die hiesigen Eingeborenen gehören hauptsächlich drei Stämmen, und zwar den Hindus, den Parsen und Mohamedanern an. Die Hindus zerfallen wieder in sehr viele verschiedene Kategorien, welche durch Zeichen mit Oelfarbe auf der Stirne sich den Religionssecten gemäss von einander unterscheiden. Diese Farbenzeichnung erinnert an jene, wie sie in einem Bienenhause auf den verschiedenen Körben gemacht werden, damit die Biene ihre Familie leichter erkenne. Auch in der Körperfarbe selbst gibt es Verschiedenheiten, und stehen Leute mit brauner Hautfarbe in höherem Ansehen als jene mit schwarzer. Da nun die Hindus, sowie die Heiden überhaupt, uns Europäer als Christen und Fleischesser sehr verachten, und da eine Bedienung von uns, speciell das Serviren von Fleischspeisen, von den etwas besseren, braunen Hindus ihrer Religion gemäss verschmäht wird, so sind es nur die Leute von der geringer angesehenen schwarzen Hindurace, welche bei den Europäern und in den europäischen Hôtels und Clubs als Diener fungiren.

      Die Bekleidung der männlichen Hindus besteht aus einem Stück Linnen, welches um die Hüften geschlungen ist, und hie und da aus einem kurzen, weissen Leibchen auf dem Oberleib, sowie aus einem langen, breiten, weissen Leinenstreifen, welcher in ebenfalls breiter Form um den Kopf getragen wird. Die Köpfe sind vielfältig glatt rasirt.

      Die schwarzen Diener bei Privaten, in den Hôtels und Clubs tragen im Allgemeinen weisse Kleider nach europäischem Schnitte, tragen das Haupt im Hause unbedeckt und das tiefschwarze Haar nach unserer Weise geordnet. Beim Ausfahren haben die Kutscher und Diener buntfärbige und verschiedenartig, turbanähnlich geformte Kopfbedeckungen.

      Viele von den braunen Hindus tragen ziemlich grosse Ringe aus Golddraht mit eingelegten Perlen durch die oberen Theile der Ohrmuschel durchgezogen.

      Die Hinduweiber sind auf den Strassen nicht viel zu sehen, da sie selten von ihrer Hütte und dem dieselbe umgebenden Vorraume fortkommen. Diese Weiber tragen ein farbiges Linnen um die Hüften und um den oberen Theil der Beine, ferner ein dunkles, enge anliegendes Leibchen, und dann und wann noch einen farbigen Leinenstreifen über den Oberleib, dazu kommen noch beinahe ausnahmslos fingerdicke Silberreifen an den unteren Enden der Arme und Beine, sowie grössere oder kleinere Ringe aus Golddraht mit eingelegten Perlen durch die Nasenflügel derart gezogen, dass sie einseitig über den Mund herabhängen. Selbst die bei dem Bau von Häusern oder zum Gassenkehren verwendeten Taglöhnerinnen haben Silberreifen um Hand- und Fussknöcheln, sowie auch Goldringe in den Nasenflügeln.

      Die Ehe der Hindus wird von den beiderseitigen Eltern für ihre Kinder schon im Alter von drei bis sechs Jahren gegenseitig festgesetzt, und diese Verabredung gilt bereits als Ehe. Die beiderseitigen Gatten kommen indess erst zusammen, wenn der Mann 16-18 Jahre, die Frau 12-14 Jahre alt geworden ist, wobei dann eine Feier stattfindet, zu welcher die Brauteltern verpflichtet sind, möglichst viele Verwandte und Bekannte einzuladen. Dabei gibt es dann auch eine Musik von Trommeln, Trompeten, Schlägern u. s. w., mit welchen ein wahrer Heidenspectakel erzeugt wird. Die von den beiderseitigen Eltern für ihre Kinder in deren frühester Jugend verabredete Ehe ist für die beiden künftigen Eheleute absolut bindend, so dass das Mädchen, wenn der ihr zugesprochene Junge vor der wirklichen Heirat stirbt, in früheren Zeiten als Witwe verbrannt wurde, jetzt aber sich nicht mehr vermählen darf. Die Schwiegereltern aber schlagen und verfolgen ein solches Mädchen, weil sie nach ihrer Göttervorstellung annehmen, dass dasselbe am Tode ihres Sohnes schuld sei.

      Die Mütter tragen ihre unbekleideten Kinder bis zum fünften oder sechsten Lebensjahre auf einer ihrer Hüften reitend in der Weise, dass die Vorderseite des Kindes gegen die Mutter zugewendet ist, und diese den betreffenden Arm um den Rücken des Kindes geschlagen hat. Im Allgemeinen ist dem Hinduweibe Eitelkeit und eine gewisse Geziertheit eigen. Die Männer, wenn sie eben nicht arbeiten, liegen oder hocken auf der Strasse herum, und zwar das letztere in der Art, dass die Waden die Oberschenkel, und diese wieder die Brust berühren. Sämmtliche Hindus unterstehen unbedingt den Regeln des Kastengeistes, und so folgen die männlichen Kinder stets der Thätigkeit ihres Vaters nach. Den Satzungen ihrer Religion gemäss glauben die Hindus an das Uebergehen der Seele der verstorbenen Menschen in Thierkörper. Sie halten deshalb alle Thiere sehr gut, tödten sie nicht und nähren sich nur von Pflanzenkost, besonders von Reis. Selbst die vornehmsten und vermögendsten Hindus führen die Speisen mit den Fingern in den Mund.

      Der allerangesehenste Stamm der Hindus ist der der Brahmanen, welche die Selbstpeinigung als das höchste Ziel des Lebens ansehen. Da gibt es Brahmanen, welche z. B. eine Hand seit ihrer Jugend stets zur Faust geschlossen gehalten haben, so dass die Nägel durch den Handrücken gewachsen sind, oder die einen Arm immer senkrecht in die Höhe tragen, bis er ganz abgestorben und steif emporragt. Es zeigt dies wahrlich eine grosse Verkommenheit des menschlichen Geistes und beweist, auf welch' niederer Stufe diese Heiden stehen, wenn sie Menschen, die sich selbst künstlich verkrüppelt haben, als die Ersten ihres Volkes betrachten und verehren.

      Die verstorbenen Hindus werden auf Holzstössen verbrannt. Zu diesem Zwecke werden längs der Mauern der sehr ausgedehnten Verbrennungsstätten grosse Scheiterhaufen errichtet, darauf die entkleideten Leichen gelegt, und dann die Holzstösse angezündet. Während der Verbrennung sehen die nächsten Verwandten dieser abscheulichen Procedur gleichgiltig zu. Dies ist doch menschenunwürdig und weit unter dem Verhalten der Thiere stehend. In Bombay befindet sich diese vor undenklicher Zeit errichtete Verbrennungsstätte schon beinahe in der Mitte der Stadt, und da sich eine ihrer Mauerseiten längs einer Hauptverkehrsstrasse hinzieht, so sieht man am Abend beim Vorbeifahren oder Gehen die rothscheinenden Rauchwolken aufsteigen, und gelangt in den Bereich dieses entsetzlichen Rauches. Es ist dies nicht nur grauenvoll, sondern auch hygienisch sehr nachtheilig, und dennoch ist die englische Regierung wegen des Fanatismus der Heiden nicht im Stande, die Verlegung der Verbrennungsstätte durchzusetzen.

      Ein weiterer zwar nicht der Zahl aber dem Vermögen nach hervorragender Stamm der Eingeborenen in Bombay sind die Parsen, das sind die Nachkommen jener Perser, welche im 8. Jahrhundert nach Christi Geburt in Indien eingewandert sind, sich dort die Hindusprache zu eigen machten, aber dabei ihren heimatlichen heidnischen Glauben beibehalten haben. Ihr Glaube wurzelt in der Vorstellung, die Sonne sei das Sinnbild der Allmacht ihres Gottes, in Folge dessen sei das Feuer hoch zu verehren und heilig zu halten. Die Verstorbenen dürfen somit nicht verbrannt werden, weil das Feuer durch die Leichen, welche sie als etwas Unreines ansehen, entweiht werden würde; sie lassen also ihre Todten von Geiern und Raben auffressen! Hierzu sind in Bombay auf einer der höchsten Spitzen des nahe gelegenen Malabar-Hügels fünf grosse »Thürme des Schweigens« errichtet, auf deren Rost im Innern die Leichen, Männer, Frauen und Kinder, jeden Morgen reihenweise aufgelegt, und sodann von den schon darauf wartenden Vögeln verzehrt werden. Als vor drei Jahren in Bombay die Pest auftrat, und somit weit mehr Parserleichen als gewöhnlich zum Frasse aufgelegt werden mussten, stellte es sich heraus, dass die vorhandene Zahl von Geiern und Raben nicht ausreiche, und die englische Regierung musste aus hygienischen Gründen im Innern des Landes Geier einfangen und nach Bombay bringen lassen. Jetzt sollen in der Stadt gegen 400 solcher Vögel sein. Die am Abend die Stadt umkreisenden Geier, sowie die grosse Anzahl von Raben, welche den ganzen Tag, besonders aber zeitlich Morgens die Luft mit ihrem Gekrächze erfüllen, sind eine widerliche Eigenthümlichkeit von Bombay.

      Die Parsen beschäftigen sich nur mit Handel und haben sich grosse Reichthümer erworben, welche sie durch die Schönheit ihrer Villen (Bungalos), durch die Eleganz ihrer Equipagen und, bei festlichen Gelegenheiten, auch durch die Pracht ihrer Toiletten zum Ausdrucke bringen, während die Hindus, wenn sie auch hie und da zu einer grossen Wohlhabenheit gelangen, immer in gleich ärmlicher Weise wie früher fortleben.

      Es geben aber auch grossartige, dem Gemeinwohle in Bombay gewidmete Bauten Zeugniss von der vielen Parsen eigenen Grossmuth.

      Die gewöhnliche Strassenkleidung der Parsen besteht aus einem langen, weissen Musselinoberrock und darunter einer weissen, mit Aermeln versehenen Weste, aus langen weissen Beinkleidern, Schuhen und einer schwarzlackirten, turbanartigen Kopfbedeckung. Die Parserin ist im Allgemeinen hübsch, die jüngeren sind auch graziös; ihre Kleidung besteht aus einem einfärbigen (meist lichtgelb, lichtgrün oder rosa) leichten Stoffe, welcher den Körper zierlich umhüllt und dessen Enden über den Hinterkopf gelegt sind und