Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's. Assing Ludmilla. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Assing Ludmilla
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Die inneren Räume sahen ernst und feierlich aus; die hohen Fenster, die mächtigen Flügelthüren hatten etwas Schloßartiges; Elisa erschien darin wie eine Ritterdame aus der alten Zeit. Sie besaß ein besonderes Talent, sich ihre Zimmer mit Sinn und Geschmack auszuschmücken. Man glaubte in eine schönere Welt zu gelangen, sicher in eine, in der ein guter Genius waltete, wenn man ihre Wohnung betrat. Dort lebte sie unter Blumen, Büsten, Büchern und Bildern, umgeben von ihren Vögeln und Hunden, unter denen der große, schöne Hector, vom Schlachtfeld von Belle-Alliance, eine Hauptperson war, meist entweder an ihrem Schreibtisch oder dem Stickrahmen beschäftigt, oder auch lesend. Die holde Freundlichkeit, mit der sie jeden Besucher empfing, hatte darum etwas so Herzgewinnendes, weil sie aus dem Herzen kam.

      Einen zu ihrer Wohnung gehörenden Garten besorgte Elisa selbst wie eine Gärtnerin, und die Blumen und Gesträuche gediehen auf das schönste unter ihrer Pflege; eine schattige Weinlaube vereinigte oft den Freundeskreis, der sie umgab. Immermann erschien auch oft allein, da Elisa, die des Englischen sehr kundig war, ihm in dieser Sprache Unterricht ertheilte; in artigen, englischen Billetten schalt sie ihn aus, wenn er nicht fleißig genug war, und er entgegnete ihr darauf in scherzhaften englischen Gedichten. Ein deutsches Gedicht Immermann's aus jener Zeit an Elisen theilen wir mit, das, am Todestage ihrer Mutter verfaßt, sie in zarter Weise über diesen Verlust zu trösten sucht. Es lautet:

Die Blumen an eine trauernde Tochter, am 30. März

      Der fromme Schmerz zieht seine Nebelschleier

      Vor Deiner Augen himmelvolle Sterne,

      Ach, einer theuren Todten gilt die Feier,

      Die Wehmuth naht, Du hegst die Wehmuth gerne,

      Nun lichtet sich der Blick, nun wird er freier,

      Es dringet Sehnsucht in die weitste Ferne –

      Allein ermattet sinkt die Seele wieder

      Auf jenem öden dunkeln Grabe nieder.

      Da treibt es uns, von unten aufzubringen

      Uns selbst zu Dir, und Trost zu Deinem Leid!

      Wir möchten Dir zu Brust und Herzen dringen

      Mit tiefster Treue ganzer Innigkeit!

      Uns hat ein Gott in seiner Liebe Ringen

      Zu frohen Boten immerdar geweiht:

      Daß Leben schlägt und glüht an jedem Orte,

      Und daß der Tod ein Wort, wie andre Worte.

      Denn lagen wir nicht dürftig eingefaltet

      Und stumm und bang in unserm kleinen Grabe?

      Denn waren wir nicht ganz und gar erkaltet,

      Vom feuchten Frost in unserm schaur'gen Grabe?

      Hat nicht das Schweigen räthselvoll gewaltet

      Auch über uns, auch über unserm Grabe?

      Nun sieh, wie dennoch Wärm' und Licht verbündet,

      Zu Farb' und Duft uns wunderbar entzündet!

      Und Farb' und Duft, sie wünschen auszusagen

      Die eine unbegreiflich hohe Kunde!

      Doch weil das Siegel unsre Lippen tragen,

      Küßt Ahnung nur sie still von Blumenmunde,

      Die Welt hat keine Zeit zu Schmerz und Klagen,

      Der reichste Segen keimt aus schwerster Wunde.

      Wir täuschen nicht! Das ist nicht eitel Wähnen!

      Die Mutter trocknet Dir durch und die Thränen.

      Auch die folgenden Verse Immermann's gehören hierher:

      Nicht immer füllen

      Die schwebenden Horen

      Den Becher der Freude

      Mit frischem Wein!

      Dann geh zum Born

      Der heil'gen Erinnrung

      Und trinke Dir Muth

      Für heut' und morgen!

      Im Herbst 1821 reiste Elisa mit Lützow nach Berlin, wo sie alte Freunde und Bekannte wiedersahen. Im Anfang des folgenden Jahres kam Johanna Motherby nach Münster, und ihr scharfer Blick entdeckte bald die heftige Neigung Immermann's, die er bisher möglichst zu verbergen gesucht hatte, und die Elisa noch nicht in ihrem ganzen Umfang ahnte. Hier wären zwei Menschen, die für einander bestimmt seien, äußerte Johanna in ihrer lebhaften Weise, und beklagte, daß die Verhältnisse sie trennten. Sie selbst war damals von den leidenschaftlichsten Empfindungen zerrissen, die durch die Trennung von ihren Kindern, und die mancherlei Hindernisse, welche ihrer Verbindung mit Dieffenbach noch im Wege standen, veranlaßt wurden.

      Lützow's Ernennung zum General, die im Jahre 1822 erfolgte, brachte in Elisens Verhältnissen keine Veränderung hervor.

      Wir haben schon früher erwähnt, daß die Charaktere von Lützow und Elisen eigentlich wenig zu einander paßten, doch hatte letztere immer in dem Gedanken Beruhigung gefunden, daß sie an ihm einen treuen Freund besäße, der ihr von ganzem Herzen ergeben sei. Um so mehr wurde sie betroffen, als Lützow eines Tages mit einem alten Kriegskameraden plaudernd im Garten saß und in ihrer Gegenwart darauf die Rede kam, daß Lützow, der anwesende Freund und noch zwei andre Offiziere sich als junge Leute verabredet hatten, sie wollten alle darauf ausgehen, reiche Frauen zu heirathen. Es wurde davon ganz offenherzig und in etwas derben Scherzreden gesprochen und zugleich erwähnt, daß keiner von den Vieren sein Ziel erreicht habe, denn zwei blieben unvermählt, und die andern beiden waren in ihren Erwartungen getäuscht worden, indem sie mit ihren Gattinnen nicht so bedeutendes Vermögen erhielten, als sie vermutheten. Zu diesen Letzteren gehörte auch Lützow, da ja Elisen das ihr gebührende Vermögen vorenthalten war.

      Wie ein Stich in's Herz traf sie diese Entdeckung! Daß solche Motive bei Lützow's Bewerbungen mitgewirkt, wie hätte sie das je ahnen können! Und hier hörte sie von ihm selbst dieses Geständniß, ohne Rückhalt, wie einen lustigen Spaß, der niemand verletzen könne! – Welche andre Illusionen hatte sie gehegt, als sie bei ihrem Vater so treu und beständig diese Verbindung durchgesetzt! So jung, so schön, so liebenswürdig und begabt, und doch um des Geldes willen geheirathet! – Eine so schmerzliche Täuschung war schwer zu überwinden. –

      Wir würden Lützow Unrecht thun, wenn wir glauben wollten, daß nur ein solcher Beweggrund ihn hätte Elisen erwählen lassen, gewiß erkannte er ihre edlen Eigenschaften, aber schlimm genug blieb es immer, daß ihr Reichthum eine so große Rolle dabei gespielt. Johanna Motherby und Adele von A. scheinen die Einzigen gewesen zu sein, denen Elisa ihr Leid anvertraute. Tröstend schrieb ihr die Letztere, den 16. November 1822: »Wehre dem Trübsinn! Fühlst Du es nicht, wie Dein eigentliches Sein und Wesen gewiß nur beglückt und darüber jegliches andere Gut, das doch nur der bloßen Existenz wegen zu berücksichtigen bleibt, gänzlich davon abfallen muß. Traute Elise, sei doch froh! – In Dir liegt ein reicher Schatz, Du hast der köstlichen Gaben so viele – und Du beglückst!« –

      Im Sommer 1823 machte Elisa mit Lützow eine Reise nach Bremen, bei welcher Gelegenheit sie ihre alte Erzieherin wiedersah; diese wohnte seit längerer Zeit in Hamburg und war ihrem geliebten Zögling bis nach Rothenburg entgegen geeilt. Wie sehr Marianne Philipi Elisen schätzte, geht unter anderem aus der folgenden Briefstelle hervor: »Auch Du, meine gute, fromme, sanfte Elisa, kannst hoffnungs- und vertrauungsvoll in die Zukunft blicken, denn Du hast viel geliebt, viel gelitten, viel geduldet. Das Geschick, indem es meine Kindheit und Jugend durch rauhe Wege führte, verfuhr ernst mit mir, wodurch sich jedoch manches in meinem Innern glücklicher für mich entwickeln mußte. Wenn die Vorsehung aus uns unbegreiflichen Absichten einen andern Weg mit Dir ging, wer darf sich erkühnen, sie zu tadeln? Auf den Händen der Liebe in Deiner Kindheit getragen, von den Menschen und dem Glück geliebkoset, verzärtelt, Dir unbewußt von tausend Gefahren umringt, mußte das Leben eine ganz andre Gestalt gewinnen, die Täuschungen des schönen Frühlingsalters Dir erst später entschwinden. Setze mich in Deine so vortheilhaft scheinende Lage, ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, aber gewiß keine sanft duldende, genügsame