Die Liebesbriefe der Marquise. Braun Lily. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Braun Lily
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn: http://www.gutenberg.org/ebooks/42617
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der mehr als unzureichenden Klostererziehung an, wenn ich dafür sorge, daß Sie nicht unwissend wie ein gefangenes Vögelchen in Freiheit gesetzt werden.

      In Freiheit! Horchen Sie auf, schönste Blume der Vogesen: man erzählt sich schon von einem, der Sie in seinen Garten versetzen möchte, das heißt, Sie der Sonne, der Luft, dem Leben erobern, und –, kühn wage ich es auszusprechen, – meinem von keiner Klosterregel mehr gestörtem Ritterdienst.

Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an DelphineParis, am 3. März 1773.

      Nun bin ich zwei Monate in Paris, ohne Sie, teuerste Freundin, gesehen zu haben! Ich weiß nicht, welches Gefühl in mir stärker ist: das unbefriedigter und darum täglich heißerer Sehnsucht, oder das des Zorns über Ihren Leichtsinn, der mich Ihrer Nähe beraubt. Fürchten Sie nicht, daß ich ihn mit der Miene des Sittenrichters verurteile. Ich würde Ihren köstlichen Streich gesegnet, ihn göttlich genannt haben, wenn er nicht nur gelungen, sondern vor allem, wenn die kleine Nonne um meinetwillen bei Nacht dem Kloster entschlüpft wäre. Aber ich weiß ja nicht einmal, ob es wirklich nur die lockenden Geigen des Balls der Herzogin waren, die Sie verführten?! Guy zuckt schweigend die Achseln, wenn ich ihn auszuforschen versuche. Zuweilen jedoch hat er ein Lächeln –, ein Lächeln, bei dem mir das Blut in die Wangen steigt!

      In der Hoffnung, des Glücks, Sie einmal zu sehen, teilhaftig zu werden, schmeichele ich mich bei Ihrem Vater ein. Aber es scheint, als ob der Marquis Montjoie der einzige Bevorzugte bleiben soll. Und ich bin in meinen Wünschen schon so bescheiden geworden, daß ich mich ihm aufdränge, um nur von Ihnen erzählen zu hören, und mich doch wieder ärgere, wenn der alte Roué vor Entzücken über »das reizende Kind« die Augen verdreht. Er hat recht, tausendmal recht: »alle Sterne von Versailles würden vor der süßen Unschuld ihrer Augen verbleichen«, aber ich wollte, daß es nur mir allein zustünde, das auszusprechen.

      Clarisse Chevreuse sagte mir, Sie wünschten zu wissen, wie mir Paris gefällt. Lachen Sie nicht über meine Antwort, teuerste Freundin. Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, ich weiß nur, daß es mich berauscht! Was in Montbéliard seltene Feste waren, das ist hier das Leben; und der Frühling, der uns in Etupes während einiger kurzer Wochen beglückte, den zwingt Paris Jahr aus, Jahr ein in seinen Dienst. Daß es draußen auch einmal stürmt und schneit, wer spürt es, wenn er im weichen Wagen von einem blumendurchdufteten Salon zum andern fährt; – daß es so etwas giebt, wie Entsagung, wie Alter, wer wagt es zu behaupten angesichts all dieser lächelnden Gesichter, dieser rosigen Wangen, dieser glänzenden Augen. Ich muß an meine Mutter denken, um mich zu entsinnen, daß es Frauen gibt, die nicht jung sind. Mit den weißgepuderten Haaren scheinen sie sogar keck des Alters zu spotten, das sie nicht mehr überwältigen kann, und sein äußeres Wahrzeichen zu benützen, um den Reiz ihrer ewigen Jugend zu erhöhen. Was für die Herzogin von Lavallière gedichtet wurde, das gilt für alle:

      La nature prudente et sage

      Force le temps de respecter

      Les charmes de ce beau visage,

      Qu'elle n' aurait pu répéter.

      Ach, und ihr Tanz! Wissen Sie noch, wie der Wind in Etupes über die Tulpenbeete strich? Solch ein Neigen und Wiegen, solch ein Aufglühen und Verlöschen leuchtender Farben ist er! Das Schönste schien er mir zu sein, was ich bisher gesehen hatte, bis ich noch Schöneres sah. Als sich vor mir zum erstenmal die Vorhänge der Oper teilten, und ich die entzückendste aller Sylphiden, Fräulein Guimard, aus dem weißen Wolkenbett zur Erde schweben sah, wo der große Vestris sich ihr entgegenhob, als gäbe es keine Schwere für ihn, da erkannte ich erst, daß die Tulpen noch an der Erde kleben, und die Schmetterlinge, die über Rosenhecken gaukeln, die wirklich Lebendigen sind.

      An Pracht, so glaubte ich, könnte dieses Schauspiel von keinem anderen übertroffen werden. Dann kam ich nach Versailles zum Ordensfest Ludwigs des Heiligen. Frankreichs Fürsten und sein Adel waren versammelt. All die Namen schlugen an mein Ohr, von denen jeder einen Quaderstein im Tempel seines Ruhmes bildet. Und die goldstarrenden Mäntel, die schweren Kronen der Männer, die schimmernden Juwelen auf den Häuptern und um die Nacken der Frauen erschienen mir wie ein einziges Symbol seines unerschöpflichen Reichtums. Alle Glocken läuteten. Durch die Spiegelgallerie flutete ein Meer von Glanz, als ströme der Regenbogen selbst durch die offenen Türen. Es war ein Brausen in der Luft. Ich wußte nicht, rauschte es mir nur in den Ohren, oder waren es Stimmen, oder ferner Gesang. Der König erschien; von einem Himmel von Purpur überdacht, aus dem Tropfen von Gold und Perlen niederflossen. Auf seinem blauen Mantel strahlten die goldenen Lilien, jeden Schritt, den er vorwärts tat, begleitete das Funkeln der Diamanten an seinen Füßen.

      Mein Vater liebt den König nicht. Selten sind die Ersten des Hofs beisammen, ohne daß Böses über ihn geflüstert würde. Wie oft hab ich selbst seines großen Ahnherrn Heldenzeit herbeigewünscht, weil ich meinte, keinem anderen dienen zu können. Das war jetzt vergessen. Eine höhere Gewalt zwang alle Nacken, sich ehrfurchtsvoll zu neigen, nicht weil es der fünfzehnte Ludwig war, der vorüberging, sondern Frankreichs Majestät. Ich habe mich ihr nun angelobt, wie meine Väter es taten.

      Noch viele Bogen könnte ich füllen, wollte ich erzählen, was ich sah. Alles ist für mich ein Erleben gewesen. Nur weiß ich nicht, ob Sie, mit der ich meine Kindheit teilte, mir auch jetzt noch zuhören mögen. Kein Nichtwissen schmerzt mich so tief wie dieses. Darum bitte ich Sie, antworten Sie mir, aber, wenn es sein kann, ohne Guy Chevreuse damit zu bemühen. Ich vertrage nun einmal sein Lächeln nicht.

Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an DelphineParis, den 15. März 1773.

      Liebste Delphine, solch einen Brief mir! Womit verdiente ich ihn? Leichtsinn, ja Treulosigkeit werfen Sie mir vor. Schon wollte ich die Zeilen die von Ihnen kamen, zärtlich an mein Herz drücken, als Ihre stacheligen Worte mich blutig rissen. Ich wäre trostloser, wenn ich nicht glaubte, daß die Langeweile Ihrer Gefangenschaft Sie so reizbar und der leidende Zustand Ihres Vaters Sie so trübsinnig macht. Die Zeit wird vorübergehen, Delphine; Ihr Vater wird sich erholen und Ihre schönen Augen werden mir wieder lachen, wenn Sie erfahren, daß selbst Ihre ungerechte Härte meine Gefühle für Sie nicht ändern kann.

Marquis Montjoie an DelphineParis 1773. Am Tage der Verkündigung Mariä.

      Der kurzen Unterredung im Beisein unsers teuren Kranken lasse ich diesen Brief folgen, dessen Inhalt Ihnen die Hoffnungen meines Herzens, die zugleich die Wünsche Ihres Vaters, meines treuen Freundes sind, näher bringen sollen. Als gehorsame Tochter haben Sie der durch den Mund Ihres Vaters Ihnen übermittelten Werbung zustimmend geantwortet, Sie haben dann als Zeichen des Vertrauens Ihre kleine Hand wortlos in die meine gelegt. Seien Sie versichert, daß ich die hohe Auszeichnung, die darin liegt, zu schätzen weiß und mich bemühen werde, ihrer würdig zu sein.

      Ihr Herr Vater ist über das Schicksal seiner geliebten einzigen Tochter nunmehr etwas beruhigt und auf seinen Zustand hat die Tatsache, daß er Sie in gutem Schutze weiß, auf das günstigste eingewirkt. Möchten Sie, teure Komtesse, mit ähnlichen Empfindungen einer Zukunft entgegensehen, die, soweit es an mir liegt, eine heitere für Sie sein soll. Ein junges Mädchen, – das ist mir nicht unbekannt –, träumt gern von jener Liebe, die seichte Romane so reizend zu schildern wissen. Aber auf solchen, meist flüchtigen Gefühlen sollte keine Ehe gegründet werden. Vertrauen, ruhige Zuneigung, und vor allem die Übereinstimmung der Familieninteressen, die Gleichheit der Lebensgewohnheiten, sind vielmehr ihre einzig sichere Grundlage. Darum fürchten Sie nicht, verehrte Komtesse, daß ich, der überdies an Jahren so viel reichere Mann, von Ihnen die leidenschaftlichen Empfindungen einer Julie wünsche oder erwarte. Unser Zusammenleben wird ohne sie ein würdigeres, der Vornehmheit unserer Gesinnung entsprechenderes sein.

      Wie Sie wissen, sehnt Ihr Herr Vater eine baldige Trauung herbei, und da die Ärzte uns über den Ernst seines Zustandes keinen Zweifel lassen, – so sehr unsere Liebe sich gegen die schlimmste Möglichkeit sträubt, – so vereinige ich nochmals meine Bitte mit der seinigen, die Zeremonie nicht hinauszuschieben, wie es anscheinend Ihren Wünschen zunächst entsprach. Ich begreife, daß Ihre große Jugend vor dem Ernst der vollzogenen Tatsache erschrickt, aber ich gebe Ihnen demgegenüber zu bedenken, daß der Name einer Marquise Montjoie Ihnen sofort neben der Freiheit eine neue Sicherheit und eine anerkannte Position in der Gesellschaft