Die Liebesbriefe der Marquise. Braun Lily. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Braun Lily
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn: http://www.gutenberg.org/ebooks/42617
Скачать книгу

Graf Guy Chevreuse an DelphineParis, am 8. August 1772.

      Reizende Delphine, der bloße Gedanke an Sie könnte mich des größten Verbrechens schuldig machen: mein Wort als Kavalier nicht zu halten. Oder gibt es für einen jungen Mann etwas schwereres, als bei der Angebeteten seines eigenen Herzens den Liebesboten zu spielen?!

      Ich unterwerfe mich, wie Sie sehen, meiner Pflicht und sende Ihnen den Brief des Prinzen. Darf ich doch hoffen, daß Sie sich meiner dann wenigstens mit einem Gefühle des Dankes erinnern, das nicht ohne Wärme ist.

      Wir werden uns auf dem Ball der Herzogin von Luxemburg wiedersehen. Selbst wenn Sie mich zeihen, Friedrich-Eugens Freundesrechte dadurch zu verletzen, ich muß Ihnen gestehen, daß mein Herz schon jetzt vor Freuden klopft. Sollte es wahr sein, daß Sie sich an dem Theaterspiel bei Madame de Rochechouart beteiligen, so werde ich alles daran setzen, die Rolle des Liebhabers übernehmen zu dürfen. Verbietet mir die Freundestreue, Ihnen so zu huldigen, wie meine Bewunderung für Sie es verlangt, so wird der Befehl des Dichters mich wenigstens auf der Bühne dieser meiner schweren Pflicht entbinden.

Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an DelphineSchloß Montbéliard, den 29. September 1772.

      Teuerste Delphine, Ihr Briefchen hat mich in einen Rausch des Entzückens versetzt: Sie verzeihen mir! Freilich –, wenn ich es wieder und wieder lese, so verlieren die fünf Worte: »Ich bin nicht mehr böse« durch den Nachsatz: »denn es ist hier wunderschön« den süßen Klang, den ich ihnen so gern, ach so gern geben möchte! Aber ich will nicht grübeln, will den Gedanken nicht aufkommen lassen, daß Ihr Verzeihen nicht der Wärme Ihres Gefühls, sondern der Kühle des Vergessens entspringt. »Was ist Etupes gegen die Gärten von Versailles, was Montbéliard gegen Paris!« schreiben Sie und lassen an mir Bälle und Maskenfeste, Oper und Ballet in tollem Wirbel vorübergaukeln. Ich wäre grausam genug, Sie lieber in einem Kloster zu wissen, wie Frau von Laroche es sich für Sie träumte, wenn ich nicht, – kaum wage ich auszusprechen, woran ich noch nicht zu glauben vermag! –, in wenigen Monden selbst zu den Glücklichen gehören würde, die der schönen Delphine huldigen dürfen.

      Entsinnen Sie sich des Marquis Montjoie, den wir seiner steifen Würde wegen Ludwig XIV. zu nennen pflegten? Er ist mit Ihrem Herrn Vater unser Gast, und ich habe ihm im Stillen die Späße abgebeten, die wir über ihn machten, denn er ist es, der den Herzog bestimmte, mich mitzunehmen, wenn er in Versailles seine Aufwartung macht. Die Repräsentanten des alten französischen Adels sollten sich, – so meinte der Marquis –, beizeiten um die Person des Dauphin scharen, dessen Einfachheit und Frömmigkeit er nicht wenig zu rühmen wußte, und die jüngeren Söhne der mit dem Königshaus liierten Fürsten sollten sich in seine Dienste stellen.

      Brauche ich es Ihnen, angebetete Delphine, erst zu sagen, daß es nicht mein Interesse für den Dauphin und seine Tugenden ist, was mich nach Paris zieht! Aber auch alle lockenden Freuden der Stadt, die mein Freund Guy nicht müde ward, zu schildern, verblassen vor einem einzigen Blick in Ihre Augen, auf den ich endlich wieder hoffen darf.

      Doch ich fürchte, diese schwarzen Sterne überfliegen ungeduldig meine von Sehnsucht und Liebe diktierten Worte. Weiß ich doch nie: sind sie Menschenaugen, Spiegel eines fühlenden Herzens, oder Brillanten, die zwar das Licht der ganzen Welt widerstrahlen, aber doch eben nur – Steine sind!

      Sie verlangen aus der Heimat Neues zu hören. Von dem letzten längeren Aufenthalt des Herzogs von Württemberg in der Eremitage hat Ihnen meine Schwester wohl schon geschrieben. Er lebte sehr zurückgezogen, um sich von den Regierungsgeschäften zu erholen. Zu seiner Unterhaltung hatten wir Tänzerinnen aus Wien kommen lassen. Sie führten das Ballett »Medea« von Noverre auf, das alle Zuschauer entzückte. Der Herzog verteilte eigenhändig kostbare Andenken unter die Mädchen.

      Ihm und den zahlreichen anderen Gästen zu Ehren wurde dann eine große ländliche Hochzeit geplant. Mein Vater hatte durch den Kaplan von Etupes verkünden lassen, daß er zehn jungen Mädchen je ein Schwein schenken wolle, wenn sie heiraten würden, und meine Mutter hatte unseren Gästen schon das idyllische Fest in Aussicht gestellt. Statt dessen –, was meinen Sie wohl, was geschah?! Einer der Vorschnitter erklärte unserem auf baldige Entschließung drängenden Haushofmeister, – die Gäste waren schon überaus ungeduldig, – daß die heiratsfähigen Mädchen und Burschen sich angesichts der großen Nahrungsnot entschlossen hätten, ledig zu bleiben. »Das Schwein würde von den Steuern gefressen, und unsere Kinder könnten verhungern,« fügte der freche Mensch hinzu.

      Unsere Gäste sind durch eine Treibjagd für den peinlichen Ausfall des ländlichen Festes entschädigt worden. Die Strecke war enorm, und sogar der alte Prinz Condé, dessen zitternde Hände das Gewehr kaum mehr halten können, machte keinen Fehlschuß. Die Tiere wurden ihm freilich auch dicht vor den Lauf getrieben. Man soupierte sodann unter Zelten im Freien. Großes Aufsehen machte dabei der riesenhafte Neger, den der Marquis Montjoie von seiner letzten afrikanischen Expedition mitgebracht hatte. Allein der Schmuck, den er an Gold und Edelsteinen an sich trug, soll Hunderttausende wert sein und doch nur einen winzigen Bruchteil dessen bilden, was der Marquis an Vermögen besitzt. Er wird zu gleicher Zeit mit uns in Paris eintreffen und ich will Ihnen verraten, daß er Ihnen, der Tochter seines alten Freundes, eine kostbare Perlenschnur zugedacht hat, die er von einem indischen Fürsten erwarb.

      Meine Schwester zeigte ihm Ihre Miniatur, die ich ihr immer noch vergebens abzubetteln versuche. »Eine unschuldsvolle Schönheit!« sagte der Marquis bewundernd. Ich schwieg, hätte ich ihm sagen sollen, daß das Bild wenig ähnlich ist, daß Sie viel tausendmal reizender sind?!

      Sie sehen, teuerste Delphine, ich mag noch so ernsthaft versuchen, von etwas anderem zu sprechen, als von Ihnen, meine Feder, die noch nicht gelernt hat, höfische Phrasen zu formen, von denen das Herz nichts weiß, kehrt immer wieder mit meinen Gedanken zu Ihnen zurück. Aber so treu sie mir ist –, ich kann die Zeit nicht erwarten, wo das lebendige Wort sie überflüssig machen wird.

Graf Guy Chevreuse an DelphineParis, am 28. Dezember 1772.

      Wegen eines Madrigals, um dessen beziehungsvolle Zartheit der Chevalier Boufflers mich beneiden müßte, soll ich, holde Delphine, Ihrer Gegenwart beraubt sein?! O, mère Sainte-Bathilde, wir werden ihnen beweisen, daß sie keine Nönnchen zu kommandieren haben! Koste es, was es wolle –, meine Angebetete wird den Maskenball im Hotêl du Chatelet besuchen. Trüben Sie darum den Glanz Ihrer Augen durch keine Träne.

Graf Guy Chevreuse an DelphineParis, am 30. Dezember 1772.

      Alles in Ordnung. Ein paar Louisd'or überstrahlen jeden Heiligenschein und sprengen jede Klosterpforte. Die Schwester, die Ihnen diesen Zettel zusteckt, wird Ihnen alles Notwendige sagen. An der kleinen Gartenpforte erwartet Sie die Sänfte, die kurz vorher Clarisse zum Balle trug. Für die ungefährdete Rückkehr bürgt mère Sainte-Bathilde's Gespensterfurcht. Und der Preis für meinen Ritterdienst?!

Johann von Altenau an DelphineParis, am 31. Dezember 1772.

      Meine liebe kleine Gräfin, da ich mich doch nur in Gegenwart einer Ihrer Gestrengen steif und zeremoniös nach Ihrem Befinden erkundigen kann, und Ihnen nach dem Ereignis der gestrigen Nacht manches zu sagen habe, was Ihnen sonst Niemand sagt, so schmuggle ich diesen Brief bei Ihnen ein.

      Das war ein Zusammentreffen, wert von La Harpe in leichten Reimen, von Boufflers in einer zierlichen Erzählung geschildert zu werden:

      Dunkle Nacht; große weiße Flocken schweben leise zu Boden, um sich hier allmählich in klebrigen Schmutz zu verwandeln. Da biegt in der Rue de Sève ein Mann um die Ecke, die Laterne unter dem Mantel halb verborgen. Er sieht sich scheu rings um, dann hebt er die Laterne, nun folgt ihm ein zweiter, ein dritter, und danach eine Sänfte, die dicht verhangen zwischen den Trägern schwankt. Sie gehen rasch, als wären sie auf der Flucht. Irgend ein unklarer Gedanke zwingt mich, der ich ihnen begegne, umzukehren und desselben Wegs mit ihnen zurückzugehen. Plötzlich erhellt sich der Himmel vor uns, er färbt sich glutrot; die Sänftenträger erschrecken und stellen ihre Last zu Boden. Sekundenlang erscheint ein gepudertes Köpfchen zwischen den Gardinen, zwei dunkle Augen starren entsetzt hinaus. Mit einem Aufblitzen jähen Erkennens streifen sie mich. Die Diener treiben mit rohen Worten die Träger zu ihrer Pflicht zurück. Es geht vorwärts;