Old Surehand II. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Ihr haben, und weil Ihr unser Geld gerettet habt, werde ich Euch ein Kanoe mit sechs Ruderern zur Verfügung stellen, welche Euch bis morgen früh wohl über den Halbstrich Eueres Weges hinausbringen werden. Das ist für Euch ein Vorteil und für sie eine Uebung, die ihnen bei dem faulen Leben hier recht gut bekommen wird. Doch, nehmt Euch vor den Indsmen in acht!

      Ich habe weite Außenposten stehen, welche mir melden, daß unsre guten roten Brüder das Kriegsbeil ausgegraben haben.«

      Er war also schon gewarnt, und ich konnte meine Bemerkungen sparen. Kaum eine Viertelstunde später saß ich, mit allem Nötigen wohl versehen, schon in der Pirogue und ließ mich von den sechs Männern im schnellsten Tempo gegen die Wogen des alten Arkansas rudern. Der Kanada-Bill war mir so schnell entgangen, wie ich ihn gefunden hatte, doch lag mir der brave Lincoln jetzt mehr am Herzen als er, und, wie ich ja auch bereits zum Colonel gesagt hatte, ich hoffte, ihn schon noch einmal wiederzusehen.

      Ich bedurfte der Ruhe und schlief die ganze Nacht im Boote bis weit in den Morgen hinein, und als ich erwachte, bemerkte ich, daß die gute Hälfte meines Weges bereits zurückgelegt sei. Trotz meiner Mahnung setzten mich aber die Ruderer nicht eher an das Ufer, als bis ich ihnen sagte, daß ich unsern Lagerplatz nun noch am heutigen Tage erreichen werde. Dann kehrten sie um, und ich trat schwer bepackt meine Wanderung an.

      Am späten Abend traf ich bei Lincoln ein. Er war überrascht über meine schnelle Rückkehr und hörte meinem Berichte über das Geschehene mit außerordentlicher Teilnahme zu,

      »Recht so, Tim Kroner, daß Ihr den Jones gehen ließet,« sagte er. »Ihr trefft schon noch bei einer besseren Gelegenheit auf ihn. Wundern freilich sollte es mich, wenn er die Schläge hinnähme, ohne wenigstens einen Racheversuch zu machen. Es wird mir hier zu schwül; wir wollen fest an die Arbeit gehen, damit wir baldigst von hier wegkommen!«

      Wir arbeiteten nun wie die Bären; Stamm um Stamm mußte fallen, und als die Woche vergangen war, hatten wir nur noch das Schlußfeld an das Floß zu fügen.

      Ich war eine ziemliche Strecke landeinwärts gegangen, um gute, haltbare Bandruten zu schneiden. Ich hatte ein hinreichendes Bündel zusammen bekommen und streckte mich zu einer kurzen Ruhe auf den Boden nieder. Es war so still rundum, daß ich jedes Blatt fallen hören konnte.

      Da vernahm ich aus einiger Entfernung ein leises, ganz leises Rascheln. Es war nicht in den Zweigen, sondern auf dem Boden. War es eine Schlange, ein sonstiges Reptil oder ein Mensch? Nur mit den Finger- oder Zehenspitzen den Boden berührend, kroch ich geräuschlos auf die Stelle zu, und was meint ihr, Gentlemen, was ich sah? Einen Indianer in voller Kriegerrüstung. Es war ein Choctaw, noch jung, denn ihr wißt ja, daß manche Stämme nur die jungen Leute, um deren Mut und ihre List zu erproben, zu Kundschaftern verwenden. Jedenfalls hatte er den Auftrag, das Ufer des Flusses abzusuchen. Er hatte noch keine von unsern Spuren bemerkt und wand sich mit ziemlichem Geschicke durch die Büsche. ich hatte nicht nur einmal schon eine rote Haut geritzt und wußte, daß ich ihn nicht entkommen lassen durfte, wenn ich nicht unser Leben auf das Spiel setzen wollte. Da galt kein Zögern. Ich zog das Messer, zwei Sprünge – er wandte sich nach mir, gab dadurch die Brust frei, und in demselben Augenblick fuhr ihm die Klinge in das Herz.

      Der arme Bursche konnte mich eigentlich dauern; er war ohne Kampf und auf seinem ersten Kriegspfade gefallen. Aber die Prairie ist eine grausame, unerbittliche Herrin, die keine andere Schonung kennt, als nur die eigene. Er war so gut getroffen, daß er nicht den geringsten Laut hatte ausstoßen können. Ich ließ ihn liegen, nahm mein Bündel und eilte zu Lincoln.

      »Habt Ihr ein wenig Zeit, Sir?« fragte ich ihn.

      »Wozu?«

      »Einen Indsman in das Wasser zu schaffen; ich traf ihn zwei Gänge von hier beim Spionieren und gab ihm das Messer.«

      Ohne ein Wort zu sagen, ergriff er die Büchse und folgte mir. Bei der Leiche angekommen, bog er sich zu ihr nieder.

      »Tim Kroner, Ihr habt einen famosen Stoß. Hättet Ihr den Spion nicht getroffen, so wären wir verloren gewesen. Ich sehe nun, Ihr seid wirklich ein ganzer Mann geworden. Hier meine Hand; wir sagen Du!«

      »Topp! Für diese Ehre lasse ich sogar den Kanada-Bill laufen. Aber was nun?«

      »Was nun? Sag deine Meinung, Tim; ich möchte sehen, ob du das Richtige triffst!«

      »Wir machen das Floß, so weit wir es fertig haben, ganz fertig; das erfordert keine halbe Stunde; dann sehen wir uns nach den Indsmen um, damit wir wissen, woran wir sind. Es ist möglich, daß sie das Fort überfallen wollen, und dann müssen wir den Colonel warnen.«

      »Richtig! Greif zu!«

      Die Waffen des Indianers wurden unter Moos und Laub versteckt und er dann selbst so unter das Wasser befestigt, daß der Leichnam nicht emporsteigen und vor der Zeit zum Verräter werden konnte. Dann ging es über das Floß her. Die Stämme des Schlußfeldes lagen bereit. Sie bekamen einstweilen Notbänder, da wir diese später mit festeren vertauschen konnten; die bereits fertigen Ruderstangen wurden befestigt; dann brachten wir alles auf Vorrat geschossene Wild nebst den vorhandenen Kien- und Feuerspänen auf das Floß und waren nun, wenn die Not eine schnelle Abfahrt erforderte, zu derselben bereit.

      Jetzt kehrten wir zu der Stelle zurück, an welcher ich den Choctaw getroffen hatte, und verfolgten von hier an seine Fährte. Sie war sehr deutlich zu erkennen, was bei einem alten Krieger sicherlich nicht der Fall gewesen sein würde, und wir kamen daher, den Blick immer zur Erde senkend, schnell vorwärts.

      So waren wir bereits weit über eine Stunde durch den Wald dahingeschritten, und da es allmählich zu dunkeln begann, besorgten wir schon, daß wir die Spur nicht mehr erkennen und die Indianer nicht finden würden, als wir plötzlich bemerkten, daß wir uns nicht mehr im tiefen Forste, sondern innerhalb einer schmalen Waldzunge befanden, welche sich tief in eine freie Grasfläche schob, die entweder eine größere Lichtung oder eine weite, einschneidende Savannenbucht sein mußte.

      Draußen lagen die Gesuchten im Grase oder tummelten ihre mutigen Mustangs umher. Wir zählten über dreihundert Krieger, und da es nur Choctaws waren, konnten wir vermuten, daß die ihnen verbundenen Komantschen auch in der Nähe seien. Wir standen zwischen hohen Farnkräutern und konnten das ganze Lager überblicken, wo man schon die Abendfeuer angezündet hatte. Sie wurden nicht in der unvorsichtigen Weise der weißen Jäger genährt, welche Scheit auf Scheit türmen und so zwar viel Wärme, aber auch eine hohe, verräterische Flamme und dichten Rauch erzielen, sondern nach der vorsichtigen Indianersitte, daß man die Hölzer nur mit den Spitzen in die Flamme legt und sie langsam, Rauch und Flamme regelnd, nachschiebt.

      Ein Aasgeier kam über den Wald gezogen und begann, Beute witternd, seine Kreise über der Lichtung zu beschreiben. Einer der Indsmen erhob sich, richtete sein Gewehr empor, drückte los und traf so gut, daß der Raubvogel in einer immer enger werdenden Schneckenlinie zur Erde fiel. Wer der Schütze war, sollten wir sofort hören, denn:

      »Uff!« ertönte es da seitwärts von unserm Standpunkte. »Der Sohn des »schwarzen Panthers« ist ein großer Krieger. Seine Kugel holt die Schwalbe aus den Wolken!«

      Die Worte waren in jenem wunderlichen Gemisch von Englisch und Indianisch gesprochen, dessen sich die Rothäute bedienen, wenn sie mit einem Weißen sprechen. Es steckte also jemand ganz nahe bei uns im Gebüsch, und es waren das nicht eine, sondern zwei Personen, denn wir hörten gleich darauf eine andere Stimme in demselben Idiome antworten:

      »Aber auch ein unvorsichtiger Mann. Der Kundschafter ist noch nicht zurück, und wir wissen nicht, ob sich vielleicht Feinde in der Nähe befinden, welche durch den Schuß auf die roten Männer aufmerksam werden könnten.«

      »Ein Weißer!« flüsterte Lincoln. »Der Schuft ist ebenso unvorsichtig wie der Sohn des »schwarzen Panthers«. Er predigt ja so laut, daß man es drüben in San Francisco hören kann. By god, ohne das gute »Uff« wären wir den beiden ganz gemütlich in die Hände gelaufen!«

      »Fürchtet sich mein weißer Bruder?« fragte der Indianer mit stolzem Tone. »Er ist zu uns gekommen, um uns das Haus des Kriegshäuptlings zu öffnen, und Manitou hat uns eine gute Medizin gesandt, die unsre Tomahawks scharf und unsre Messer spitz und sicher macht. Das feste Haus der Weißen wird verbrannt, ihr Haupt skalpiert und ihr Pulver