Old Surehand I. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
Blick seines dunklen Auges bohrte sich förmlich in mein Gesicht, als er sich erkundigte:

      »Wo sind eure Tiere?«

      »Sie stehen jenseits des Wihinashtpfades in einem grünen Thale.

      »Er sprach eine kurze Weile leise mit den andern und fragte mich dann, indem sein Gesicht einen freundlichen Ausdruck zeigte:

      »Mein weißer Bruder ist erst kurze Zeit in diesem Lande?«

      »Seit gestern erst.«

      »Was wollen die Bleichgesichter dort oben in den Bergen?«

      »Wir wollen den Elk jagen.«

      »Ist mein Bruder ein berühmter Jäger?«

      »Nein; ich schieße jetzt noch stets daneben.«

      »Er fragte lächelnd weiter und weiter, bis er alles wußte. Ich mußte ihm sogar meinen Namen nennen, worauf er meinte:

      »«Samuel Parker ist für einen roten Mann schwer zu merken. Wir werden dich At-pui, das gute Herz, nennen. Wenn du länger hier bleibst, wirst du vorsichtiger werden. Deine Güte konnte euer Verderben sein. Freue dich, daß wir nicht auf dem Pfade des Krieges wandeln! Siehe, dieses Wampum« – dabei zeigte er mir den fransengeschmückten langen Gegenstand auf seiner Linken – »enthält eine friedliche Botschaft an die Häuptlinge der Shoshonen. Wir kommen ohne Waffen, um es nach dem Rancho des alten Mannes zu tragen, dessen Indianer es dann weiter bringen sollen. Wir haben also nichts zu fürchten; aber unsre Dankbarkeit ist eben so groß, als ob du uns vom Tode errettet hättest. Wenn du Freunde brauchst, so komm zu uns. At-pui, das gute Herz, wird uns stets willkommen sein. Howgh; ich habe gesprochen.«

      »Er gab mir die Rechte und ritt dann mit seinen Leuten weiter. Ich rief ihm noch nach, mich dem Alten ja nicht zu verraten, und kehrte dann um, sehr zufrieden mit meinem Erfolge, aber nicht mit der Klugheit, an welcher es mir gänzlich gemangelt hatte. Ich war im Gegenteile höchst unvorsichtig gewesen.

      »Im Hochthale angekommen, entledigte ich das Maultier seiner Last und band die Pferde los, um sie grasen zu lassen. Die mir dann zu Gebote stehende lange Muße benützte ich zu Schießübungen. Ich hatte ein gefülltes Pulverhorn, und beim Gepäck gab es auch eine ganze Büchse voll. Als mein Horn leer war, konnte ich zu meiner Genugthuung sagen, daß ich einen Kirchturm nun schon auf zweihundert Schritte treffen würde.

      »Gegen Abend kam Old Wabble mit Ben und Will zurück. Sie waren unten beim Zelte mit den Roten zusammengetroffen und erzählten mir als etwas ganz Neues, daß diese die friedlichsten Absichten gehegt, das Wampum der »blutigen Hand« zur Weiterbesorgung übergeben und dann sofort den Rückweg wieder angetreten hätten. Ich schwieg natürlich über das, was ich gethan hatte.

      »Wir blieben die Nacht im kleinen Thale und ritten dann am Morgen nach dem nicht mehr weit entfernten Hochmoore.

      »Dieses lag in einem weit größern Thale, als das gestrige gewesen war. In der Mitte desselben gab es einen kleinen See mit sumpfigen Ufern; weiterhin Busch und Wald mit trügerischem Boden, und dann folgten die hohen, kahlen, vielfach zerklüfteten und zerbröckelten Felsmassen, welche das Thal einschlossen. Dieses war gewiß zwei Stunden lang und besaß eine ebensolche Breite.

      »Nachdem das Maultier entlastet war, wurde ein Feuer- und Lagerplatz hergerichtet, wo ich zurückbleiben sollte, um auf die Pferde zu achten. Dann gingen die andern auf die Suche. Bis Mittag, wo ich einige Schüsse hörte, blieb alles still; später kehrte Ben Needler allein zurück. Er hatte zu früh auf eine Elkkuh geschossen und war von dem darüber erzürnten Wabble fortgejagt worden. Dieser stellte sich mit Litton erst in der Dämmerung ein, ganz erbost über den Mißerfolg, den es gegeben hatte.

      »Fährten gab es genug,« räsonnierte er, »aber nicht nur von Elks, sondern auch von Roten, welche vor uns hier gewesen sein müssen und das Wild vertrieben haben; th‘is clear! Auf eine einzige Kuh stießen wir; da krachte dieser Needler seine beiden Läufe zu zeitig los, und sie ging auf und davon; das hat man davon, wenn man sich mit Greenhorns einläßt. Ich will aber den Weg nicht umsonst gemacht haben und bleibe also noch einen Tag oder zwei Tage oder überhaupt so lange hier, bis ich einen schweren Alten niedergestreckt habe.«

      »Er sprach mit uns beiden kein Wort weiter und behielt diese Stimmung auch am nächsten Morgen bei, wo er erklärte, daß er mit Litton allein jagen werde; die beiden Greenhorns sollten im Lager bleiben, damit sie nichts verderben könnten. Nun, er hatte das Recht, zu thun, was ihm beliebte; wir aber nahmen im stillen dasselbe Recht auch für uns in Anspruch. Als die beiden fort waren, führten wir aus, was wir während der Nacht verabredet hatten. Wenn die Elks vertrieben worden waren, so befanden sie sich nicht mehr im Thale, sondern außerhalb desselben. Dort mußte man suchen. Da unsre Pirsche bis zum Abend währen konnte, so nahmen wir zum Tragen der uns nötig erscheinenden Gegenstände, vielleicht auch kleinerer Beutestücke, das Maultier mit.

      »Wir wanderten aus dem Thale hinaus und in ein anderes hinein. Da gab es weder See noch Moor, aber gewiß auch keine Elks, denn es waren auch schon Menschen da, Menschen, die einen Maulesel bei sich hatten. Die Menschen sahen wir zwar nicht, desto deutlicher aber den Maulesel, welcher ohne Zaum und Sattel sich in ziemlicher Entfernung rechts von uns im Grase gütlich that. Wo waren die Menschen? Ich mußte sie finden. Während Ben sich gemächlich hinüber zu dem fremden Maulesel trollte, schritt ich mit unserm Maultiere geradeaus weiter. Der vermeintliche Esel fraß weiter, bis Ben sich ihm auf hundert Schritte genähert hatte; da bekam er ihn in die Nase, hob den Kopf, warf sich blitzschnell herum und floh in weiten Sätzen auf mich zu, wohl aus Sympathie für seinen Verwandten, an dessen Seite ich mich befand. Aber, was war denn das? Das war ja beileibe kein Maulesel; das war ein Wild. So viel sah ich, obgleich ich ein Greenhorn war. Ich kniete schnell hinter meinem Maultiere nieder, legte an, zielte und drückte ab. Die fremde Kreatur that noch zwei, drei Sätze und brach dann zusammen. Ich rannte hin; Ben kam auch; der Schuß war ins Blatt gedrungen, und wir beide wurden darüber einig, daß ich eine »Hirschkuh« erlegt hatte. Sie wurde auf den Packsattel des Maultiers gebunden, und dann ging es weiter, doch nicht lange, so war das Thal zu Ende. Rechts und links unersteigbare Wände, vor uns eine ziemlich steile Höhe, welche eine Art Sattel zu sein schien, hinter dem ein zweites Thal zu suchen war. Unser Maultier war ein guter Kletterer, also beschlossen wir, geradeaus zu steigen.

      »Wir gelangten nach einiger Anstrengung hinauf und sahen, daß wir uns nicht geirrt hatten, denn vor uns senkte sich das Terrain wieder tief hinab. Aber dort gab es in der Ferne einen eigentümlichen Lärm, welcher von menschlichen Stimmen hervorgebracht zu werden schien. Wir mußten wissen, woran wir waren, und also nach einem Lugaus suchen. Zu beiden Seiten des schmalen Bergsattels gab es zwar hohe, aber so schräge Steilungen, daß man sie leicht ersteigen konnte. Wir arbeiteten uns also links hinauf, um von dort in das jenseitige Thal hinabzublicken. Unser Maultier ließen wir einstweilen stehen. Oben angekommen, wollte Needler sich weit vorbiegen, um besser sehen zu können; da er aber wegen seines helleren Anzuges leicht bemerkt werden konnte, so schob ich, der ich dunkler gekleidet war, ihn zurück und blickte hinab.

      »Was im Vordergrunde des zweiten Thales vorging, konnte ich nicht sehen, da mein Standort dazu nicht hoch genug war; aber im Hintergrunde sah ich sieben indianische Reiter, welche, eine breite Linie bildend und aus vollen Hälsen schreiend, langsam vorwärts rückten. Dieses Geschrei kam also näher und wurde so stark, daß unser unten stehendes Maultier höchst bedenklich mit den Ohren zu spielen und mit dem Schwanze zu wirbeln begann. Ich schickte darum Ben hinab, um es zu beruhigen.

      »Da fiel mein Auge auf die andre, jenseits des Sattels ungefähr vierzig Schritte von mir sich erhebende Steilung. Dort saß zu meinem Erstaunen ein Indianer mir gegenüber. Es war To-ok-uh, der schnelle Pfeil, welcher mir bedeutsam zunickte und dann die rechte Hand auf den Mund legte, bei den Indianern das Zeichen des Schweigens. Wie kam er hierher? Warum und worüber sollte ich schweigen? Vorgestern war er unbewaffnet gewesen, und jetzt hatte er ein Gewehr quer über seinen Knieen liegen. Während ich darüber nachdachte, war der Lärm noch näher gekommen; ich hörte unter mir Steine rollen und blickte hinab. Himmel, was für ein Ungeheuer ließ sich da sehen! Unter lautem, zornigem Schnaufen kam es aus dem jenseitigen Thale nach der Höhe des Sattels geklettert. Am Widerrist über zwei Meter hoch, mit kurzem, plumpem Leibe und langen Beinen, breit überhängender Oberlippe