Old Surehand I. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
daß Ihr mich brauchen könnt.« —

      Die Gegend, durch welche wir kamen, war so, wie ich sie beschrieben hatte, teils felsige Ebene, teils sandige Oede, bis wir am Nachmittage fruchtbareren, mit Gras bewachsenen Boden trafen. Wir näherten uns einem Zuflusse des Pecos, dessen Ufer mit Strauchgrün eingefaßt waren. Ich kannte diesen Wasserlauf von früher her und folgte ihm bis zu seiner Mündung. Als wir diese erreichten, war es nicht ganz mehr zwei Stunden vor Abend; eine Stunde hatten wir von hier aus bis zum Saskuan-kui zu reiten.

      Dieses »blaue Wasser« war ein kleines, seeartiges Becken, welches von Quellen, die sich auf seinem Grunde befanden, genährt wurde und sein überflüssiges Wasser in den Rio Pecos schickte. An seinen Ufern gab es dichtes Elm- und Cottonwood-Gebüsch, aus welchem hohe, schattenreiche Pecans und Pfosteneichen ragten. Das Wasser hatte eine selten intensiv blaue Farbe und war daher von den Indianern Saskuan-kui genannt worden. Der Abfluß dieses Sees ging unterhalb der Stelle, an welcher wir uns befanden, in den Rio Pecos, über den wir hinüber mußten. Noch weiter unten gab es eine Furt, die wir aber nicht benutzen durften, weil die beiden Comantschen von unten her kamen und unsre Spuren gefunden hätten. Der Uebergang über den hier ziemlich breiten Fluß mußte also schwimmend geschehen, was bei der Wärme des heutigen Tages uns eher erwünscht als unlieb war.

      Am jenseitigen Ufer angekommen, suchten wir dieses zunächst nach Spuren ab, und es beruhigte uns sehr, keine zu finden. Wir ritten vorsichtig unter den weiten Wipfeln der hier stehenden Trembling-poplars[14], abwärts bis zur Mündung des Seeabflusses. Wir befanden uns an der nördlichen Seite desselben und fanden auch hier keine Spuren. Ich stieg vom Pferde, band es an ein Gesträuch, von dessen Laub es fressen konnte, und legte mich in das Gras. Old Wabble folgte meinem Beispiele, ohne ein Wort zu sagen; er wollte meinen schweigsamen Winnetou nachahmen und, wie er sich ausgedrückt hatte, von mir nicht für einen Schwätzer gehalten werden. Den andern aber kam der Umstand, daß ich mich hier niederlegte, nicht so selbstverständlich vor; sie blieben auf den Pferden sitzen, und Parker fragte:

      »Absteigen, Sir? Es ist ja noch Tag!«

      »Eben weil es noch Tag ist, bin ich abgestiegen,« antwortete ich.

      »Wollen wir nicht vollends bis zum »blauen Wasser« reiten?«

      »Nein.«

      »So wollt Ihr wohl in der Dunkelheit hin?«

      »Ja.«

      »Warum nicht am Tage, wo wir etwaige Spuren sehen können, Mr. Shatterhand?«

      »Weil wir da allerdings solche Spuren sehen, aber auch selbst gesehen würden.«

      »Ich denke, wenn wir vorsichtig – — —«

      Er wurde von Old Wabble unterbrochen, welcher ihm in strengem Tone in das Wort fiel:

      »Seid still, und schreit nicht hier drein wie ein Kamel, das fünfzehn Höcker hat. Habe denn etwa ich ein Wort gesagt? Mr. Shatterhand wird wohl wissen, was er thut. Wenn ihr euern Skalp zu Markte tragen wollt, so reitet weiter; ich aber bleibe hier.«

      Da stiegen sie auch von ihren Pferden. Parker brummte dabei:

      »Oho, oho, nur nicht so grob, Old Wabble! Ein Gentleman wie ich, ist nicht gewöhnt, sich dergleichen Kamele an den Kopf werfen zu lassen.«

      »Ein veritabler Gentleman hält vor allen Dingen das Maul, verstanden! Ihr habt zwar damals Euern ersten Elk sehr gut getroffen, inzwischen aber jedenfalls so viele Pudel geschossen, daß es Euch gar nicht zukommt, gegen Mr. Shatterhand zu sprechen, wenn etwas, was er thun will, Euch nicht paßt. Seid also still, sonst gehen wir fort und lassen Euch sitzen.«

      Ah, also darauf lief es hinaus! Sitzen lassen; das hatte er sich gemerkt. Er wollte durch seine Strenge gegen den braven Parker zeigen, daß er sich mit mir eins fühle. Dabei war ich überzeugt, daß seine Schweigsamkeit keine lang anhaltende sein und er mich bei nächster Gelegenheit grad ebenso interviewen werde, wie es jetzt Parker gethan hatte.

      Als es zu dunkeln begann und die Zeit für mich gekommen war, stand ich auf und sagte:

      »Ich gehe jetzt fort, um nach den Comantschen zu suchen. Ich lasse euch meine Gewehre hier und bitte, daß sich keiner von euch entfernt; es könnten Rote in der Nähe sein und ihn bemerken.«

      »Ganz richtig!« stimmte mir Old Wabble bei. »Ich nehme an, daß nun bald die beiden Comantschen kommen, die wir freigelassen haben. Die kommen wahrscheinlich hier nahe vorüber.«

      »Hier nicht, Mr. Cutter,« widersprach ich ihm. »Die benutzen jedenfalls die da unten liegende Furt und kommen also da drüben am jenseitigen Ufer dieses Wassers herauf.«

      »Meint Ihr?«

      »Ja. Darum habe ich vorhin das diesseitige Ufer zum Ausruhen gewählt; da können sie uns nicht bemerken.«

      »Well. Also, Ihr wollt gehen. Darf ich mit?« —

      »Ich will Euch aufrichtig sagen, daß ich lieber allein bin.«

      »Haltet Ihr mich für so unerfahren oder für so ungeschickt, daß ich Euch den Handel verderben kann?«

      »Nein, wenigstens nicht so wörtlich, wie Ihr es ausgesprochen habt.«

      »Also einigermaßen aber doch. Ich sage Euch, Sir, daß ich das Anschleichen ebenso wie jeder andre gelernt habe; das habe ich gestern abend bewiesen.«

      »Hm! Ich habe Euch doch gesehen.«

      »Mich nicht, sondern nur den Zweig, weil er sich bewegte.«

      »Pshaw! Schon lange, ehe Ihr diesen Zweig abschnittet, habe ich Eure Augen gesehen.«

      »Meine Augen? Good lack! Ist das möglich?«

      »Nicht nur möglich, sondern wirklich.«

      »Aber ich steckte doch ganz im Dunkeln! Kann man da Augen sehen, Mr. Shatterhand?«

      »Es ist das allerdings nur einem sehr scharfen und geübten Blicke möglich. Ihr werdet wohl zugeben, daß Augen glänzen. Und Ihr hattet die Eurigen noch dazu ganz offen.«

      »Das mußte ich doch! Wer etwas sehen will, der muß die Augen offen haben.«

      »Meint Ihr? Ein vorsichtiger Späher macht sie so weit wie möglich zu, damit sie nicht gesehen werden; ja, ich zum Beispiele mache sie, wenn ich genug gesehen habe und nun nur noch hören will, ganz zu, denn erstens sind sie dann ganz unsichtbar, und zweitens hört man bei geschlossenen Augen besser als bei offenen, wie Ihr wohl wissen werdet.«

      »Sir, es ist wahr; man kann von Euch noch viel lernen!«

      »Wenn Ihr das einseht, so will ich Euch auf noch etwas andres aufmerksam machen. Ich habe nämlich nicht nur Eure Augen, sondern auch Euer Haar gesehen.«

      »Auch dieses?«

      »Wundert Ihr Euch etwa darüber? Euer Haar ist schneeweiß, es fällt also noch weit eher auf als die dunkeln Augen.«

      »Alle Wetter, bei Euch hat man sich in acht zu nehmen.«

      »Nicht bloß bei mir, Mr. Cutter. Ich rate Euch, das Haar zu verhüllen, wenn Ihr wieder einmal in die Lage kommt, Euch anzuschleichen; Ihr könntet sonst leicht dieses schöne Haar mitsamt dem Kopfe verlieren.«

      »Werde es thun, werde es thun! Ich hoffe, daß ich gleich jetzt in diese Lage komme. Nicht?«

      »Weil ich Euch mitnehmen soll?«

      »Yes.«

      »Ich wiederhole, daß ich lieber allein gehe.«

      »Mag sein; aber Ihr seid doch auch nur ein Mensch, und es kann Euch ein Unfall erreichen. Dann sitzen wir hier und wissen nicht, wo Ihr steckt und wie Euch zu helfen ist.«

      »Das ist nicht unrichtig, und ich würde Euch wohl mitnehmen, wenn die Sache nicht so wichtig und dabei so gefährlich wäre. Der geringste Fehler kann uns verraten und das Leben kosten.«

      »Ich gebe Euch mein Wort, daß ich keinen Fehler mache!«

      »Euer Wort? Hm! Na, ich will es einmal gelten lassen und hoffen, daß Ihr es halten werdet.«

      »Danke Euch! Will nur erst Euern


<p>14</p>

Zitterpappeln.