Im Lande des Mahdi I. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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entgeht er euch, da er euch dort aus den Augen ist.«

      »O nein. Du weißt doch, daß es noch unbestimmt ist, wie weit du mich mitzunehmen hast. Ich will offen sein und dir sagen, daß ich den Befehl habe, bei dem Giaur zu bleiben.«

      »Du sollst ihn beobachten?«

      »Ja. Ich darf ihn nicht aus den Augen lassen. Ich muß so höflich und aufmerksam gegen ihn sein, daß ich sein Vertrauen erwerbe; dann wird es mir nicht schwer fallen, ihn so weit zu bringen, daß er mich als Diener bei sich behält.«

      »Der Plan ist gut, und ich werde dich ihm sehr empfehlen. Aber sollst auch du es sein, der ihn dann tötet?«

      »Nein. Der Mokkadem hat den Wunsch, ihn sterben zu sehen, um ihm in seinem letzten Augenblicke den Fluch eines gläubigen Moslem nachschleudern zu können.«

      »Aber der Mokkadem befindet sich doch hier in Kahira!«

      »Heute, ja; aber er wird auch nach dem Süden gehen, nach Chartum und noch weiter.«

      »Wohl im Interesse der heiligen Kadirine?«

      »Ja. Er hat einen Brief erhalten, welcher diese Reise zur Notwendigkeit macht. Es giebt dort einen außerordentlich frommen und gelehrten Fakih (muhammedanischer Mönch), welcher in die Kadirine getreten ist und einen großen Plan ausgedacht hat, den heiligen Islam über die ganze Welt zu verbreiten. Er heißt Schech Mohammed Achmed oder Achmed Suleimani [Der spätere Mahdi]ich weiß es nicht mehr genau, und sein Plan soll von so großer Wichtigkeit sein und, wenn er zur Ausführung kommt, unsere Kadirine zu solchem Glanze bringen, daß der Mokkadem sich entschlossen hat, dem Ruf dieses Mannes zu folgen und ihn zu besuchen, um alles weitere mit ihm zu besprechen. Du siehst also, daß Abd el Barak nicht in Kahira bleiben, sondern auch nach Chartum gehen und dort diesen Christenhund treffen wird. Vielleicht begegnet er ihm schon früher. Ich werde dafür sorgen, daß es geschieht, denn ich weiß, mit welchem Schiffe der Mokkadem fahren wird.«

      »Was ich da höre, ist von großer Wichtigkeit. ja, nun begreife ich, daß es nicht nötig ist, diesen Giaur hier auf meiner Dahabijeh umzubringen. Da oben im Süden haben die fremden Konsuls nicht die Macht wie hier, und es bekümmert sich kein Mensch um das Verschwinden eines ungläubigen Hundes. Der Mokkadem wird sicherlich in Siut anlegen und aussteigen. Wenn du den Giaur so lange festhalten kannst, so wird es dir leicht sein, ihn in die Hände Abd el Baraks zu liefern, und ich hoffe, daß es ihm nicht gelingen wird, der Rache desselben zu entkommen. Aber sage, darfst du davon sprechen? Die drei Schriften, welche ihm abgenommen werden sollen, müssen von großer Wichtigkeit sein. Kennst du ihren Inhalt?«

      »Nein. Der Muza‘bir wird ihn kennen, da er die Papiere zu lesen und zu prüfen hat, ob es die richtigen sind. Mir aber hat der Mokkadem nichts anvertraut, denn – — —«

      Er wurde unterbrochen. Es kam ein Mann, welcher eine Laterne in der Hand hielt, an Bord, jedenfalls der eben erwähnte Muza‘bir, der erwartete Gaukler und Taschendieb. Er hatte die Laterne unten weg- und mit an Bord genommen. Mit derselben umherleuchtend, erblickte er die drei, kam auf sie zu und grüßte:

      »Massik bilchair!« [Guten Abend]

      »Ahla wa sahla wa marhaba!« [Viel Familie, Weite und Leichtigkeit wünsche ich dir]antwortete der Reïs.

      » Marhaba!« fielen die beiden andern ein.

      Man pflegt gewöhnlich nur das Wort Marhaba zu sagen, welches dann »Willkommen« bedeutet. Daß der Kapitän sich der ausführlichen Formel bediente, ließ erraten, welchen Respekt er vor diesem »größten Taschendieb« Ägyptens hatte. Ich mußte mir den Gaukler und Gauner betrachten und schob den Kopf ein wenig vor. Er setzte die Laterne auf den nächsten Tabakballen, und das Licht derselben fiel hell auf sein Gesicht und seine Gestalt. Er stand in dem Alter des Mokkadem, hatte dieselbe Farbe und denselben negerartigen Typus des Gesichts und war nicht ganz so hoch, aber weit breitschulteriger als er. Dieser Mensch war wenigstens ebenso stark, gewiß aber viel gewandter als Abd el Barak, sein ehrenwerter Auftraggeber. Gekleidet war er in ein langes, dunkles Hemde, um welches ein Strick geschlungen war, in dem ein Messer steckte. An den Füßen trug er Strohsandalen. Das war der Anzug eines armen Mannes; aber in den Ohren hingen schwere, dicke Goldringe, und an den dunklen Fingern glänzten wenigstens zehn wertvolle Reife mit funkelnden Steinen. Seine Stimme klang stolz und selbstbewußt, als er sich erkundigte:

      »Meine Ankunft ist euch gemeldet?«

      »Ja, Herr, wir erwarteten dich,« antwortete der Reïs.

      »Befindet sich der Hund hier oder ist er ausgestiegen?«

      »Er liegt in der Kajüte.«

      »Mit Licht?«

      »Ja; aber vielleicht löscht er es vor dein Einschlafen aus. Die Negerkinder sind bei ihm.«

      »Mag er es auslöschen oder brennen lassen, mir ist es gleich. Mein Werk wird vollbracht, selbst wenn er sich in die Finsternis des Grabes hüllen öder hundert Flammen brennen sollte. Ich habe nicht Lust, lange zu warten, und werde bald beginnen. Da ich aber die Örtlichkeit nicht kenne, werdet Ihr sie mir beschreiben und mir auch die Lage jedes Gegenstandes, welcher sich bei ihm befindet, sagen.«

      Da der Geist Nummer Drei bei mir gewesen war, so übernahm er die geforderte Beschreibung. Ich hielt es für geboten, diese nicht mit anzuhören, sondern mich zu entfernen. Der Taschendieb hatte es eilig, und auch mir lag daran, die Spannung, in welcher ich mich ganz natürlich befand, möglichst abzukürzen. Darum kroch ich fort, der Kajüte zu.

      Der erste Teil dieses wenn auch kurzen Weges, war nicht leicht zurückzulegen, da die Laterne brannte. Glücklicherweise standen der Reïs und der Muza‘bir so, daß ihre Schatten zusammenfielen und einen langen, dunklen Strich auf das Deck warfen. Es gelang mir, denselben zu erreichen, und indem ich mich in diesem Dunkel hielt und nicht vor-, sondern rückwärts kroch, um die vier Männer fest im Auge zu behalten, gelangte ich glücklich an die Strohmatte und unter derselben durch in meine Koje.

      Noch mit dem letzten Blicke, den ich nach vorn warf, sah ich, daß der Gaukler die Laterne auslöschte. Wäre er so vorsichtig gewesen, dies eher zu thun, so hätte ich mir sein Äußeres nicht einprägen können, was, wie ich später erfuhr, von den schlimmsten Folgen für mich geworden wäre. Man sieht, selbst der berühmteste Taschendieb Ägyptens macht Fehler. Zunächst brannte ich meine Lampe wieder an, was nicht schwer war, da ich mit einem guten Vorrat von Schwefelhölzern, welche im Süden selten und teuer sind, versehen war. Ich wollte mich nämlich nicht im Dunkeln, was für mich gefährlicher war, sondern bei Licht bestehlen lassen.

      Sodann nahm ich die drei Unterschriften und einige mir wichtige andere Papiere aus der Brieftasche und versteckte sie, während ich das Portefeuille wieder in die Brusttasche meiner Jacke steckte. Der Diener hatte vorhin gesehen, daß ich es dort aufhob, und es war als sicher anzunehmen, daß er dies dem Gauner sagen werde. Warum wollte ich die Spitzbüberei zur Ausführung kommen lassen? Nur des Beweises halber? Wenn ich aufrichtig sein will, so geschah es wohl auch ein wenig mit, um diesen Menschen zu beweisen, daß sich in dem Kopfe eines Christenhundes auch Gehirn befindet, und daß ich weder blind noch taub war. Mein Vorhaben war gar nicht so ungefährlich für mich. Es konnte dem Muza‘bir doch aus irgend einem Grunde belieben, mir das Messer zu geben; aber ich glaubte, mich auf meine Augen und meine Schnelligkeit verlassen zu können.

      Die Kinder hatten schon vorher zu essen bekommen. Sie lagen bei einander, schliefen aber noch nicht. Ich teilte ihnen mit, daß ein Mann kommen und mir in die Tasche greifen werde, bat sie aber, keine Angst zu haben und sich nicht zu bewegen, sondern so zu thun, als ob sie schliefen. Sie versprachen es mir, und ich war überzeugt, daß sie das Versprechen halten würden. Dann legte ich beide so, daß sie dem Eingange den Rücken zukehrten.

      Ich selbst legte mich auf die rechte Seite, so, daß die Lampe mein Gesicht beschien. Eigentlich hätte ich dasselbe im Dunkel lassen sollen; aber der Spitzbube sollte gleich im ersten Augenblicke überzeugt sein, daß ich schlafe. Die Jacke öffnete ich, so daß er, da ich mit der linken Seite nach oben lag, auf das leichteste mit der Hand in meine Brusttasche greifen konnte. Je weniger schwer ich ihm die Sache machte, desto mehr verringerte ich die Gefahr, in welcher ich mich dabei befand. Um aber auf alles vorbereitet zu sein, schob ich mir einen meiner beiden