Ich baute, um die Ratten abzuhalten, von den Flaschen eine Unterlage, auf welche sämtliche Effekten und Vorräte zu liegen kamen. Dabei halfen mir meine beiden Neger, und es stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, daß sie recht geschickt waren und ein gutes Fassungsvermögen besaßen. Freilich hätte ich mir diese Arbeit ersparen können, aber ich ahnte nicht, daß mein Aufenthalt auf der Dahabijeh nicht einmal einen Tag währen werde.
Wie in dieser Jahreszeit fast immer, herrschte Nordwind, und das Segelboot machte eine ziemlich schnelle Fahrt, bis die Sonne im Westen verschwand und das Moghreb [Abendgebet]gebetet wurde. Dann aber ließ der Reïs halbe Luft nehmen; die Dahabijeh ging langsamer, und ich sah, daß das Steuer nach dem linken Ufer des Stromes gelegt wurde. Ich ging infolgedessen zum Reïs und fragte ihn nach der Ursache dieses Manövers.
»Wir legen in Giseh an,« antwortete er mir.
»Aber warum das? Unsere Fahrt hat ja eben erst begonnen. Aus welchem Grunde soll sie schon unterbrochen werden? Es ist ja noch nicht finster, und bald werden die Sterne
erscheinen, bei deren Licht wir recht gut noch bis Atar en Nebi und Der et Tin oder gar bis Menil Schiba und Der Ibn Sufgan segeln können!«
»Woher kennst du diese Orte?« fragte er verwundert. »Wer hat dir von ihnen erzählt?«
Es lag in meinem Interesse, ihn wissen zu lassen, daß ich nicht so unerfahren sei, wie er vielleicht denken mochte; darum antwortete ich ihm:
»Hast du mich für einen Neuling gehalten? Ich bin nicht zum erstenmale hier und habe schon die Katarakte befahren.«
»Dann wirst du wissen, daß jedes Schiff bei hereinbrechender Dunkelheit ans Ufer gelegt wird.«
»Bei wirklicher Dunkelheit, ja. Aber es ist noch nicht Nacht und wird heute überhaupt nicht dunkel werden, da wir den schönsten Sternenschein zu erwarten haben. Auch das Wasser leuchtet. Wir können recht wohl die ganze Nacht durch segeln.«
»Das thut kein erfahrener und vorsichtiger Reïs.«
»O doch! Ich habe es selbst erlebt. Wir sind sehr oft im Mondschein oder wenn die Sterne am Himmel standen, während der Nacht unter Segel gewesen. Wenn du schon in Giseh anlegen willst, war es ganz überflüssig, die Fahrt heute überhaupt zu beginnen. Ich möchte nicht, daß du anlegst, und du weißt, daß jeder verständige Reïs sich nach den Wünschen der Passagiere richtet.«
»Es giebt darüber keine Vorschrift. Ich bin der Gebieter dieser Dahabijeh und handle ganz nach meinem Wohlgefallen.«
»So mußt du gewärtig sein, daß ich deine Ungefälligkeit bekannt gebe und dann von den Franken, welche die besten Passagiere und Zahler sind, kein einziger wieder mit dir fährt.«
»Sie mögen es bleiben lassen. Ich brauche sie nicht!«
Er drehte sich um und ging fort. Damit war die Sache abgemacht. Das zeitige Anlegen in Giseh mußte einen besonderen Grund haben, die Folge einer ganz bestimmten Absicht sein, welche jedenfalls mit der Anwesenheit meines Gespenstes Nummer Drei zusammenhing. Es sollte etwas vor sich gehen, was man nicht aufschieben, sondern noch in der Nähe von Kairo geschehen lassen wollte. Was aber konnte das sein? Rache an mir nehmen? Die beiden Neger entführen? Mir die Unterschriften Abd el Baraks entreißen? Wahrscheinlich waren die drei Vermutungen sämtlich richtig, da diese Punkte in innigem Zusammenhange miteinander standen.
Was Giseh betrifft, so ist es der Landungsplatz aller Reisenden, welche von Kairo aus die Pyramiden besuchen, welche in einer Entfernung von acht Kilometern liegen. Zur Zeit der Überschwemmung, während welcher man auf den sich aus dem Wasser erhebenden Dämmen einen bedeutenden Umweg zu machen hat, beträgt diese Entfernung fast das Doppelte. Der Ort ist wegen seiner künstlichen Brutöfen bekannt, und es führt da eine eiserne Drehbrücke über den Nil. Gegenüber der Insel Roda liegt der Haremsgarten und der Park des Selamlik. Sonst giebt es nur verfallene Bazars und Ruinen alter Landhäuser der Mameluken, auch einige Cafés, welche aber der Fuß des Europäers nur ungern betritt. Giseh konnte mir also gar nichts bieten, und darum nahm ich mir vor, nicht am Lande zu übernachten, sondern an Bord zu bleiben. Aber ich hatte Grund, mich zu verstellen und so zu thun, als ob ich das Segelboot verlassen wollte. Darum warf ich, als die Dahabijeh ans Ufer befestigt worden war, meinen Haïk. über, nahm die beiden Neger bei den Händen und gab mir den Anschein, als ob ich aufzubrechen beabsichtige. Da kam der Reïs schnell herbei und fragte:
»Was hast du vor? Willst du etwa aussteigen, Effendi, um während der Nacht in Giseh zu schlafen?«
»Ja.«
»Du wirst kein Nachtlager finden!«
»Warum nicht? Man wird mich, da ich gut bezahle, gern in jedem Hause aufnehmen.«
»Aber wir werden sehr zeitig absegeln, und wenn du das verschläfst, so bleibst du hier sitzen!«
»Das ist unmöglich, denn ich werde dich benachrichtigen lassen, wo ich mich befinde, so daß du mich holen lassen kannst.«
»Holen lassen kann ich dich nicht. Ich muß mich nach dem Morgenwinde richten und sofort absegeln, wenn er zu wehen beginnt.«
»Mir vorher einen Boten zu senden, das würde doch nur eine Versäumnis von wenigen Minuten nach sich ziehen!«
»Selbst diese wenigen darf ich nicht versäumen.«
»Warum bist du plötzlich so eilig, während du hier angelegt hast, obgleich du weitersegeln konntest?«
»Ich bin Reïs und brauche dir meine Gründe nicht mitzuteilen. Wenn du gehen willst, so gehe; aber ich werde dich nicht rufen lassen. Wenn ich sehe, daß die Sterne hell genug scheinen, werde ich sogar noch vor Mitternacht abfahren. Dann magst du zusehen, ob du uns einzuholen vermagst.«
»So muß ich mich in deinen Willen fügen und hier bleiben. Allah vergelte dir die Freundlichkeit, mit welcher du deine Passagiere behandelst!,
Ich sagte das in unwilligem Tone und zeigte dabei absichtlich ein mißvergnügtes Gesicht. Über das seinige aber glitt eine sichtbare Genugthuung, welche zu bemerken ich mir jedoch nicht den Anschein gab. ich hatte meinen Zweck erreicht und wußte nun, woran ich war. Ich sollte nicht von Bord gehen; man beabsichtigte also das, was man gegen mich vorhatte, in dieser Nacht auszuführen. Das war mir lieb. Wenn gleich hier der Handel zu Ende ging, hatte ich nicht für längere Zeit in Ungewißheit zu schweben.
Die Matrosen bekamen die Freiheit gewährt, welche mir versagt wurde; sie durften an das Land gehen. Ich beobachtete ihre Entfernung; sie gingen alle, und nur drei Personen blieben zurück, nämlich der Reïs, der Steuermann und der famose Kajütendiener mit der Karfunkelnase. Ich konnte mir sehr wohl denken, weshalb es den Leuten erlaubt worden war, von Bord zu gehen. Man wollte sich aller unnötigen Zeugen entledigen.
Bald kam der Diener zu mir in die Kajüte, um mich zu fragen, ob ich irgend einen Wunsch habe. Ich verlangte Wasser und eine Lampe, um immer Feuer für die Pfeife zu haben. Er brachte mir beides, und bei dieser Gelegenheit bemerkte ich ihm so nebenbei, daß ich mich unwohl fühle und infolgedessen die Kajüte nicht verlassen werde. Dabei zog ich meine Brieftasche aus der Jacke, öffnete sie so beiläufig und ließ sehen, daß sie Papiere enthielt. Das that ich, um die Sache abzukürzen und die guten Leute auf den Leim gehen zu lassen. Daß ich das Richtige gedacht und getroffen hatte, erfuhr ich sofort, denn der Mann antwortete mir in freundlich besorgtem