»Welchen Grund hat er dazu?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wo ist er denn jetzt?«
»Er wollte nach dem Lager des Bären suchen.«
»Das ist aber höchst gefährlich! Ist denn dein Mann so ein mutiger Jäger?«
»Ja, das ist er.«
»Wann kommt er zurück?«
»Wohl bald.«
»So! Sind etwa heute Fremde hier bei euch gewesen?«
»Nein. Warum fragst du nach ihnen?«
»Weil dein Mann dir verboten hat, Fremde in den Schuppen zu lassen.«
»Es war niemand da, kein Mensch, heute nicht und gestern nicht. Wir leben so einsam, daß nur höchst selten einmal jemand zu uns kommt.«
In diesem Augenblick ertönte ein schriller, in die Ohren gellender Schrei. Die Frau sprach schnell weiter, um unsere Aufmerksamkeit abzulenken; ich aber sagte:
»Horch! Wer hat da geschrieen?«
»Ich habe nichts gehört.«
»Aber ich hörte es sehr deutlich.«
»So wird es ein Vogel gewesen sein.«
»Nein, das war ein Mensch. Ist wirklich niemand bei dir?«
»Ich bin ganz allein.«
Dabei aber winkte sie dem Konakdschi nach der Türe. Ich sah es, drehte mich um und ging hinaus.
»Herr!« rief sie hinter mir. »Wohin willst du gehen?«
»In den Schuppen.«
»Das darfst du nicht!«
»Pah! Will doch sehen, wer geschrieen hat.«
Da stellte sich der Konakdschi mir in den Weg und sagte:
»Bleibe da, Effendi! Du hast ja gehört, daß kein Fremder — «
Er sprach nicht weiter. Der Schrei war wieder erklungen und zwar noch lauter und unheimlicher als vorher.
»Hörst du?« antwortete ich ihm. »Das klingt ganz so, als ob jemand sich in Lebensgefahr befinde. Wir müssen nachsehen.«
»Aber du darfst doch nicht . — «
»Schweig! Es soll mich niemand hindern, zu tun, was mir beliebt.«
Er machte noch einen Versuch, mich zurück zu halten; die Frau tat dasselbe, aber ich ging dennoch. Meine drei Begleiter folgten mir. Hinterher kam der Konakdschi mit der Frau. Beide wisperten angelegentlich miteinander. So viel ich sehen konnte, machte er ein sehr betroffenes Gesicht.
Ich riegelte den einen Schuppen auf: — er enthielt nichts, als allerlei Gerümpel. Als wir dann auf den andern zuschritten, ertönte wieder der Schrei und zwar aus diesem zweiten Schuppen. Das klang wirklich ganz entsetzlich. Nun öffneten wir und traten ein. Es war fast dunkel im Innern.
»Ist jemand da?« fragte ich.
»O Allah, Allah!« antwortete eine Stimme, welche ich gleich erkannte. »Der Scheïtan, der Scheïtan! Er kommt! — Er greift nach mir! — Er holt mich in die Hölle!«
»Das ist ja der alte Mübarek!« raunte mir Halef zu.
»Allerdings. Entweder sind auch die Andern in der Nähe, um uns einen Hinterhalt zu legen, oder sie haben ihren Weg zum Köhler fortgesetzt und waren gezwungen, ihn hier zurückzulassen. Er hat das Fieber.«
»Herr, gehe nicht hinein!« sagte die Frau. »Es ist ein Kranker drin.«
»Warum hast du mir das verschwiegen?«
»Er soll nicht gestört werden.«
»Was fehlt ihm denn?«
»Er hat das Hawa ils far' (* Cholera.). Geh' ja nicht hinein! Er steckt dich sonst an, und dann bist du verloren.«
»Die Cholera? Jetzt? Hier im tiefen Wald? Hm! Das glaube ich nicht.«
»Es ist wahr, Herr!«
»Wer ist er denn?«
»Ein Bruder von mir.«
»So! Ist er ein alter Mann?«
»Nein, ein noch ganz junger Bursche.«
»Weib, du lügst! Den Mann, welcher hier liegt, den kenne ich. Er mag dein Bruder sein, denn ihr beide seid Geschwister des Teufels, aber jung ist er nicht. Es ist der alte Mübarek, den ich mir genauer ansehen will. Hast du eine Lampe?«
»Nein.«
»Aber Späne?«
»Auch nicht.«
»Höre, jetzt holst du Späne, um Licht zu machen, und wenn du binnen einer Minute nicht zurück bist, bekommst du Hiebe, daß dir das schmutzige Fell zerspringt.«
Ich hatte die Peitsche in die Hand genommen. Das wirkte.
»Effendi,« sagte der Konakdschi, »du hast kein Recht, zu tun, als wärest du hier der Herr und Gebieter. Wir sind hier Gäste und — — «
»Und werden so zahlen, wie man es verdient, nämlich entweder mit Piastern oder mit Hieben,« fiel ich ihm ins Wort. »Da drin liegt der Mübarek. Wo der ist, da befinden wir uns in Gefahr, und ich werde genau so handeln, wie unsere Sicherheit es erfordert. Willst du mich irre machen, so muß ich annehmen, daß du es heimlich mit unsern Feinden hältst. Grund dazu ist bereits genug vorhanden, wie du weißt. Also nimm dich in acht!«
Da war er still und wagte kein weiteres Wort. Die Frau brachte Kienspäne, von denen einer bereits brannte. Wir zündeten mehrere an, nahmen sie in die Linke, die gespannten Revolver oder Pistolen in die Rechte und machten uns an die Untersuchung des Schuppens.
Da gab es nun freilich nur zweierlei zu sehen, nämlich den Mübarek, welcher besinnungslos in der Ecke lag, und den Pferdekadaver in dem andern Winkel. Von letzterem stieg ein Heer von ekelhaften Fliegen auf, als wir uns näherten.
»Bist du denn toll?« fragte ich die Frau. »Dort befindet sich einer, welcher das Wundfieber hat, und dabei liegt eine Pferdeleiche, von welcher tausend Insekten zehren. Und von diesem Fleisch sollten wir essen! Weißt du denn nicht, wie gefährlich das ist?«
»Was soll das schaden?«
»Das Leben kann es kosten. Du hast uns belogen. Dieser Mensch dort ist unser Todfeind, welcher uns nach dem Leben trachtet. Indem du ihn uns verheimlichen wolltest, hast du bewiesen, daß du mit ihm verbündet bist. Das kannst du teuer bezahlen müssen!«
»Herr,« antwortete sie, »ich weiß kein Wort von alledem, was du sagst.«
»Ich glaube dir nicht.«
»Ich kann es beschwören.«
»Auch deinem Schwure schenke ich keinen Glauben. Wie ist der Alte zu dir gekommen?«
Sie warf einen fragenden Blick auf den Konakdschi. Dieser nickte ihr zu. Ich verstand, was er ihr damit sagte, tat aber, als hätte ich nichts gesehen.
»Es kamen Reiter hier vorbei,« erklärte sie mir. »Einer von ihnen war krank; er konnte nicht weiter, und so baten sie mich, ihn hier zu behalten, bis er stärker geworden sei, oder bis sie ihn abholen würden. Sie versicherten, daß ich eine sehr gute Bezahlung dafür erhalten werde.«
»Kanntest du sie?«
»Nein.«
»Warum sagtest du, daß dieser alte Sünder dein Bruder sei?«
»Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Sie baten mich, so zu sagen und niemand zu ihm zu lassen, da er von Feinden verfolgt werde.«
»Haben sie dir diese Feinde beschrieben?«
»Ja.«
»Diese Beschreibung paßt auf uns?«
»Ganz