Der Waldläufer. Gabriel Ferry. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriel Ferry
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Kinder; diesen Morgen sollte die Gräfin mir die Quittung darüber geben.«

      Diese Worte brachten eine tiefe Erregung unter seinen Zuhörern hervor, von denen keiner unter allen, die zugegen waren, an diesen traurigen Querstrich glaubte; niemand jedoch wagte es, seinen Unglauben zu zeigen. »Glücklicherweise«, fuhr der Alkalde fort, »kann der Eid glaubwürdiger Personen dieses Unglück wiedergutmachen.«

      Hier sprang Cayatinta wie lange Zeit zusammengepreßtes Wasser, wenn es endlich einen Ausweg findet, empor, streckte den Arm aus und rief, mit einem Mal herausplatzend: »Ich beschwöre es!«

      »Er beschwört es«, wiederholte der Alkalde.

      »Er beschwört es«, wiederholten die Umstehenden.

      »Ja, meine Freunde, ich beschwöre es noch einmal! Ich würde es immer beschwören! Obgleich ein Umstand mein Zartgefühl beunruhigt: Ich erinnere mich nämlich nicht mehr, ob der Alkalde der unglücklichen Gräfin Donna Luisa für zehn oder fünfzehn Jahre vorausbezahlt hat!«

      »Nein, mein teurer Freund«, unterbrach ihn Don Ramon mit einer Mäßigung, für die man ihm dankbar sein mußte, da er im besten Zug war, »es waren nur zehnjährige Pachtzinsen, die ich nun durch Euer kostbares Zeugnis nicht mehr verliere; Ihr könnt auch auf meine Dankbarkeit zählen.«

      Ich glaube es wohl, dachte der Escribano; zwei Jahre im Rückstand und zehn Jahre voraus macht rund genommen zwölf Jahre. Ganz entschieden habe ich auf die rotfarbigen Beinkleider unverjährbare Rechte! —

      Wir wollen den Leser nicht weiter mit der Erzählung dessen ermüden, was sich in dieser Sitzung zutrug, in der die Justiz geübt wurde, wie es noch sehr lange Zeit vor Gil Blas gebräuchlich war und wie es noch sehr lange in Spanien gebräuchlich sein wird; wir wollen ihn nur zu der Untersuchung mitnehmen, die der Alkalde und sein Gehilfe an Ort und Stelle selbst anstellten, in Begleitung der durch das Gesetz geforderten Zeugen. Man fing damit an, die Tür des Schlafzimmers, das von innen verriegelt geblieben war, aufzubrechen. Leere und halbleere Schubfächer lagen auf dem Boden. Nichts von allem aber zeugte bestimmte Spuren von Gewalt; eine freiwillige, aber übereilte Abreise konnte zu einer gleichen Unordnung in einem Zimmer Veranlassung geben.

      Das Bett der Gräfin, noch unberührt, bewies, daß sie sich nicht niedergelegt hatte, und enthüllte so den im voraus gefaßten Entschluß, den Augenblick der Abreise außerhalb des Bettes zu erwarten.

      Die Möbel waren an ihrem gewöhnlichen Platz, die Vorhänge der Fenster und des Alkovens waren nicht zerknittert; keine Spur eines Kampfes ließ sich auf dem Fußboden des Zimmers erblicken, der doch von zierlichen Steinchen verfertigt war, so daß die geringste ungewöhnliche Berührung ihn hätte verletzen oder Risse machen müssen.

      Der widerliche Geruch einer Lampe, die aus Mangel an Öl langsam erlischt, herrschte trotz der Luft, die hineindrang, noch in dem Zimmer; es war klar, daß man sie bis zum Morgen hatte brennen lassen – Verbrecher hätten sie ausgelöscht, um sich furchtlos ihrem traurigen Geschäft hingeben zu können —; tausend Kleinigkeiten endlich, die die Habgier hätten reizen können, waren in den Schubfächern geblieben. Zu all diesen trügerischen Anzeichen schüttelte der alte Juan de Dios mit einer Miene des Zweifels den Kopf. Er fand etwas in all diesen Dingen, was seinen Verstand verwirrte und seine Auffassungskraft – die übrigens niemals die beste gewesen war – überschritt; aber sein gesunder Verstand wehrte sich gegen den Gedanken, daß seine Herrin hätte fliehen können, und zwar auf eine außergewöhnliche Weise. In seinen Augen war offenbar ein Verbrechen begangen worden – aber wie sollte man es erklären? Der Mörder hatte keine Spuren zurückgelassen. Der alte, ehrenwerte Diener betrachtete mit trostlosem Auge dieses öde Zimmer, die auf dem Fußboden zerstreut liegenden Kleider seiner Gebieterin und die eingedrückte Wiege, die noch die Spur des jungen Grafen an sich trug und in der er den Tag vorher unter der Obhut seiner Mutter rosig und lächelnd schlief.

      Wie von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, ging Juan de Dios auf einen eisernen Balkon, der sich nur wenig über den Boden erhob. Seine Augen befragten das sandige Ufer, das sich unter dem Balkon ausdehnte; aber kein Abdruck war auf einer harten und kalkigen Fläche zurückgeblieben. Die Strandsteine rollten tosend auf das Ufer, ohne mehr von menschlichen Spuren zu verraten, als die Oberfläche eines Sees den Schatten der Vögel bewahrt, die darüber hinfliegen. Der Wind pfiff, der Ozean murrte wie immer, und unter diesen Stimmen der Natur erhob sich keine, um den Schuldigen zu entdecken. Nur am Horizont zeichneten sich noch die weißen Segel eines Schiffes, das das Weite suchte, auf dem fernen Azur des Meeres ab.

      Während der alte Diener schweigend betete und mit einem träumerischen Blick das Schiff, das enteilte, verfolgte, hörten alle Umstehenden – mit Ausnahme des Alkalden und des Escribano – traurig den düsteren Tönen des Windes zu, der sich in den Felsen verfing und auf diesen Höhen bei Tag und Nacht abwechselnd zu weinen, zu seufzen oder zu brüllen scheint.

      Der Alkalde und sein Schreiber teilten wohl stillschweigend die Ansicht Juans de Dios. Alle beide glaubten an ein Verbrechen; aber bei der Unmöglichkeit, das geringste sichtbare Zeichen zu finden, die Hand auf das geringste Individuum zu legen, das fähig war, die Kosten des Prozesses zu bestreiten, fanden sich der Escribano und der Alkalde, wie es die ruhmvolle Gewohnheit Spaniens ist, ganz befriedigt; der eine mit der so sehr ersehnten Belohnung, die er schon zu halten glaubte, der andere mit den zwölf Pachtjahren, die er sicher zu erhalten dachte.

      »Wahrhaftig, meine Herren«, sagte der Alkade, indem er sich gegen die Zeugen umwandte, »ich kann mir nicht erklären, welchen Einfall die Frau Gräfin von Mediana gehabt haben mag, um ihr Zimmer durch das Fenster zu verlassen, denn der Riegel der Ausgangstür, der von innen vorgeschoben ist, läßt keinen Zweifel an der Sache zu. Das ist Fraueneigensinn, und die Justiz hat nicht nötig, ihn zu erklären.«

      »Es ist vielleicht darum geschehen, um dem Herrn Alkalden keine Quittung zu geben«, sagte ganz leise einer der Zeugen zu seinem Nachbarn.

      »Doch noch eins!« sagte Cochecho, sich an Juan de Dios wendend. »Wie habt Ihr das Verschwinden der Gräfin bemerken können, da man doch nicht bei ihr eintreten konnte?«

      »Das ist sehr einfach«, antwortete der Greis. »Die Kammerfrau hat zu der Stunde, wo sie sich gewöhnlich bei der gnädigen Frau einfindet, geklopft, und niemand hat geantwortet; sie hat stärker geklopft, und da sie noch keine Antwort erhalten hat, ist sie unruhig geworden und hat mich benachrichtigt. Ich habe geklopft, ich habe auch gerufen; und da ich nichts hörte, bin ich nach der Leiter im Garten gelaufen und habe durch dieses offene Fenster das Zimmer, so wie Ihr es selbst erblickt, gesehen.«

      Als der Hausmeister seine Erklärung abgegeben hatte, sagte Cayatinta einige Worte zum Alkalden – leise genug, daß es niemand hörte. Aber dieser begnügte sich, die Schultern mit einer verächtlichen Miene zu zucken.

      »Wer weiß«, erwiderte der Escribano bei dieser stummen Gebärde.

      »Vielleicht«, antwortete der Alkalde; »wir wollen sehen!« Dann, nach einem Augenblick des Schweigens, sagte er: »Ich bestehe auf dem Glauben, meine Herren, daß, so sonderbar es auch scheinen mag, die Frau Gräfin die Freiheit hat, fortzugehen, wie es ihr gefällt; selbst durchs Fenster.«

      Die Zeugen lächelten beifällig zu diesem Witz der Justiz.

      »Aber Herr Alkalde«, rief der alte Juan de Dios, den der Witz des Alkalden Cochecho empörte, »diese zerbrochene Fensterscheibe, von der die Stücke hier auf der Erde liegen, beweist doch, daß ein gewaltsamer Einbruch der Schuldigen ins Zimmer stattgefunden hat.«

      »Dieser alte Canelo will mich nicht frühstücken lassen«, brummte der Alkalde, der gern ein Ende gemacht hätte, seitdem er keinen Vorteil mehr aus dieser geheimnisvollen Sache zu ziehen erhoffte; »gewiß wird meine Mahlzeit kalt und Nikolasa ungeduldig. – Was beweisen denn diese Glasstücke?« antwortete er ganz laut. »Denkt Ihr denn, daß bei der Seebrise, die diese Nacht so heftig geweht hat, nicht in einem offenen Fenster, das heftig wieder zugeworfen wird, zwei oder drei Scheiben zerbrochen werden könnten?«

      »Warum aber«, entgegnete Juan de Dios, »ist es gerade die Scheibe, die sich an der Seite des Drehriegels befindet? Man wird sie zerbrochen haben, um das Fenster zu öffnen!«

      »Ach was da! Herr Don Juan de Dios«, schrie der ungeduldige Alkalde, der vor Wut in