Übrigens bedurfte der Reiter des reichen Anzugs nicht, den er trug, um seine stolze Haltung zu erhöhen, die die Gewohnheit zu befehlen und den Umgang mit der vornehmen Welt auf den ersten Blick erkennen ließ.
Sein Begleiter war viel jünger als er und viel auffallender gekleidet; aber seine unbedeutende Figur und seine Haltung – obwohl nicht ohne eine gewisse Eleganz – kamen lange nicht dem aristokratischen Aussehen des Reiters mit dem gestickten Tuch gleich.
Die drei folgenden Diener gaben mit ihren von der Sonne fast geschwärzten Zügen, ihrer fast verwilderten Figur, ihren langen Lanzen mit scharlachfarbigen Fähnchen und mit dem Lasso, das an ihrem Sattelknopf hing, dem sich nähernden Reitertrupp ein seltsames, den amerikanischen Gewohnheiten eigenes Ansehen. Zwei Maulesel, mit enormen Reisetaschen beladen, in denen sich die für die Haltepunkte nötigen Matratzen und andere Taschen mit tragbaren Flaschenfutteralen befanden, folgten den drei Dienern.
Beim Anblick Cuchillos und Barajas machte der erste der beiden Reiter halt, und die ganze Truppe folgte seinem Beispiel.
»Das ist Don Estévan«, sagte Baraja halblaut. »Hier ist der erwartete Mann«, nahm er das Wort, indem er den Banditen dem Reiter mit dem »Pano de Sol« vorstellte.
Don Estévan – denn er war es – warf auf Cuchillo einen durchbohrenden Blick, der bis auf den Grund seiner Seele zu dringen schien, und ließ ein Zeichen der Überraschung entschlüpfen.
»Ich habe die Ehre, Eurer Herrlichkeit die Hände zu küssen«, sagte Cuchillo; »ich bin es wirklich, der …« Aber trotz seiner gewöhnlichen Unverschämtheit hielt der Bandit schauernd ein in dem Maße, als unbestimmte Erinnerungen in seinem Gedächtnis bestimmter hervortraten; denn diese beiden Männer hatten seit langen Jahren nicht mehr Angesicht gegen Angesicht einander gegenübergestanden.
»Ei, wenn ich mich nicht irre«, sagte der Spanier mit ironischer Miene, »so sind Herr Cuchillo und ich alte Bekannte; obgleich er damals nicht diesen Namen trug …«
»Ebenso wie Eure Herrlichkeit, die sich damals nannte …«
Arechiza zog die Augenbrauen zusammen, und sein schwarzer Schnurrbart sträubte sich auf seiner Oberlippe.
Cuchillo beendete seinen Satz nicht; er hatte vielmehr begriffen, daß er das, was er wissen konnte, verschweigen mußte, und diese Art von Mitschuld gab ihm seine natürliche Sicherheit wieder. »Ein Name ist in meinen Augen wie ein Schlachtpferd«, sagte er unverschämt; »man wechselt, sobald es unter einem getötet ist.«
Cuchillo gehörte wirklich zu jenen Leuten, die den unglückbringenden Vorzug haben, den Namen, die sie tragen, eine schnelle und traurige Berühmtheit zu geben; und Cuchillo wechselte oft damit.
»Herr Senator«, sagte Arechiza, indem er sich an seinen Reisegefährten wandte, »scheint Euch diese Stelle nicht günstig, um hier haltzumachen und Siesta zu halten, bis die größte Hitze des Tages vorüber ist?«
»Señor Tragaduros y Despilfarro wird Schatten in einer Hütte finden, die er nur zu wählen braucht, um dort Mittagsruhe zu halten«, sagte Cuchillo, der den Senator von Arizpe schon kannte. Er wußte, daß dieser sich dem Glück Don Estévans aus dem verzweifelten Grund angeschlossen hatte, um durch einen neuen Glückswurf sein Vermögen wiederherzustellen, das er schon längst durchgebracht hatte. Trotz des schlechten Zustands seiner Finanzen hatte doch der Senator nichtsdestoweniger im Kongreß der Provinz Sonora einen bedeutenden Einfluß, den Don Estévan schon genützt hatte.
»Ich stimme von ganzem Herzen Euren Wünschen bei«, antwortete Tragaduros; »um so mehr, als wir schon den Ritt von fünf Stunden Wegs in den Beinen fühlen.«
Zwei Diener stiegen ab, um die Zügel der Pferde ihrer Herren in Empfang zu nehmen; die beiden anderen luden die Maultiere ab. Darauf bereiteten sie in denjenigen Hütten des Dorfes, die die reinlichsten schienen, ein Lager für den Senator und eines für Don Estévan.
Wir wollen den Senator, der sich ganz angekleidet auf seine Matratze geworfen hatte, dem tiefen Schlaf überlassen, den nur die Gerechten und Reisenden besitzen, um Arechiza in die Hütte zu begleiten, die er in einiger Entfernung von der Tragaduros gewählt hatte.
Cuchillo trat auf eine Einladung Don Estévans gleich nach ihm ein und verschloß sorgfältig ein Flechtwerk von Bambus, das die Stelle der Tür vertrat, als ob er das geringste Geräusch, das nach draußen dringen könnte, gefürchtet hätte; dann wartete er, bis der Spanier das Wort an ihn richtete.
Dieser setzte sich auf das eiserne Feldbett, das man eben aufgeschlagen hatte; Cuchillo nahm Platz auf einem Ochsenschädel, der sich dort statt eines Fußschemels fand, ganz nach der Sitte dieser Landstriche, wo der Luxus der Stühle – wenigstens für die armen Klassen – beinahe bei dieser Erfindung stehengeblieben ist.
»Ich setze voraus«, sagte Arechiza, indem er das Schweigen unterbrach, »daß Ihr tausend Ursachen habt, um zu wünschen, ich möchte Euch nur unter Eurem jetzigen Namen Cuchillo kennen. Ich selbst – ohne Zweifel aus anderen Beweggründen als Ihr – will hier nur Don Estévan Arechiza sein und nichts weiter. Wohlan denn, Señor Cuchillo«, fuhr er mit einer gewissen spöttischen Geziertheit fort, »laßt Ihr uns nun dieses wichtige Geheimnis wissen, das Euer und mein Glück gründen soll?«
»Einen Augenblick Geduld noch, und Ihr sollt es erfahren, Don Estévan de Arechiza«, antwortete Cuchillo fast in demselben Ton.
»Ich höre Euch – aber vor allem keinen Rückfall, keine Treulosigkeiten; wir sind hier in einem Land, wo es nicht an Bäumen fehlt!« sagte der Spanier ernst. »Und Ihr wißt, wie ich die Verräter bestrafe.«
Bei dieser Anspielung auf eine Vergangenheit, die sich ohne Zweifel wieder an irgendeine geheimnisvolle Erinnerung knüpfte, bedeckte sich das Antlitz des Banditen mit einer bleiernen Farbe. »Ja, ich erinnere mich«, sagte er, »daß es nicht Euer Fehler ist, wenn ich nicht an einen Baum gehängt bin. Vielleicht würde es viel klüger sein, mich nicht an eine alte Beleidigung denken zu lassen und Euch zu erinnern, daß Ihr nicht mehr in einem eroberten Land seid und daß, wie Ihr sagtet, wir von Wäldern, aber von düsteren … und besonders von stummen Wäldern umgeben sind.«
In dieser Antwort Cuchillos, verbunden mit seinem Anblick und seiner unheilschwangeren Vergangenheit, lag ein so drohender Ton, daß es einer gewissen Festigkeit des Herzens bedurfte, um nicht zu bedauern, eine Erinnerung solcher Art hervorgerufen zu haben.
Don Estévan hatte nur ein kaltes Lächeln für den Banditen. »Ich würde diesmal auch niemand mit der Hinrichtung eines Verräters beauftragen«, sagte er und schleuderte Cuchillo einen Blick zu, der dessen Auge sich zu Boden senken ließ. »Was Eure Drohungen betrifft, so spart sie für Leute Eurer Art, und vergeßt nicht, daß zwischen meiner Brust und Eurem Dolch immer ein unüberschreitbarer Raum bleiben wird!«
»Wer weiß?« murmelte Cuchillo, indem er jedoch den Zorn, der sich in ihm regte, unterdrückte. Darauf nahm er wieder in besänftigtem Ton das Wort. »Aber ich bin kein Verräter, Don Estévan, und was ich Euch vorschlagen will, ist durchaus ehrlich.«
»Sehen wir denn!«
»Ihr wißt«, begann Cuchillo, »daß ich schon vor einigen Jahren das Gewerbe eines Gambusino betrieben habe; ich habe darum auch viele Landstriche zwischen den vier Hauptpunkten durchlaufen, und ich habe gesehen, gnädiger Herr, was vielleicht noch kein menschliches Auge von einem Goldlager gesehen hat.«
»Ihr habt gesehen und nichts mitgenommen?« fragte der Spanier mit spöttischer Miene.
»Spottet nicht, Don Estévan«, erwiderte feierlich Cuchillo; »ich habe eine Goldader gesehen, reich genug, um ihren Besitzer über alle Zufälle des Glücks zu heben, reich genug, um den unersättlichsten Ehrgeiz zu befriedigen, endlich reich genug, um ein ganzes Königreich zu kaufen.«
Don Estévan konnte bei diesen Worten, die vielleicht irgendeinem Wunsch entsprachen, den er tief in seinem Herzen verbergen mußte, eine gewisse Bewegung nicht unterdrücken.
»So reich«, fuhr der Bandit mit aufgeregter Miene