Scepter und Hammer. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
und Generalissimus Herzog von Raumburg.«

      »Dann ist sie allerdings wahnsinnig. Seiner Durchlaucht stehen so untrügliche ärztliche Kapazitäten zur Seite, daß eine Untersuchung hierorts vollständig überflüssig ist.«

      »Natürlich! Ich wünsche nicht, – verstehen Sie wohl, meine Herren, in Folge der betreffenden Instruktion wünsche ich nicht, daß Sie Ihre ja sonst schon so außerordentlich in Anspruch genommene Divinationsgabe an der übergeschnappten Landstreicherin vergebens verschwenden. Und jetzt nun zum Rapporte!«

      Dieser nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Die Untergebenen kannten genugsam das Prinzip ihres Vorgesetzten, die Leitung der Anstalt in der Weise zu führen, daß durch dieselbe seine Verdauung nicht gestört werde.

      Eben war man beim Schlusse angelangt, als der Pförtner eintrat, um zu melden, daß eine Zigeunerin im Empfangszimmer sei, welche einen Internirten zu sprechen wünsche, den sie als ihren Sohn bezeichne. bekannt.«

      Der Angeredete entfernte sich, ertheilte auf dem Korridore einige Befehle und begab sich dann in den Empfangsraum. Es war Zarba, welche seiner dort wartete.

      »Wer ist Sie?« frug er barsch, sie mit seinem stechenden Auge scharf fixirend.

      »Ich heiße Zarba und bin die Vajdzina meines Stammes.«

      »Was will Sie?«

      »Lese der gestrenge Herr dieses Papier, welches mir der Herzog von Raumburg geschrieben hat!«

      »Sie war bei ihm selbst?«

      »Ja.«

      Er entfaltete und überflog den Befehl.

      »Komme Sie!«

      Er verließ mit ihr das Zimmer, schritt über den Hof hinüber und betrat ein finster dreinschauendes und mit eng und stark vergitterten Fenstern versehenes Gebäude. Hier stieg er eine Treppe empor, ließ sich von einem robusten Wärter die Eingangsthüre zu einem dunklen Korridore öffnen und schob die schweren eisernen Riegel von einer der hier befindlichen, stark beschlagenen Thüren.

      »Hier herein!«

      Sie trat ein. Ein doppelter Aufschrei erscholl; er aber schlug die Thür hinter ihr zu, blickte auf seine Uhr und begann dann, langsam den Korridor auf- und abzuschreiten.

      In den zahlreichen Zellen zu beiden Seiten des engen Ganges herrschte ein mehr als reges Leben. Hier vernahm man ein zorniges Gestampfe, dort den Tritt eines rasenden Tanzes, dazwischen erscholl weiterhin ein brüllender Gesang, lautes Ächzen und Stöhnen, markerschütternde Hilferufe, gräßliche Flüche und Verwünschungen tönten dazwischen, oder es ließ sich eine zum Erbarmen flehende Stimme vernehmen. Der Oberarzt schien kein Ohr für all diese fürchterlichen Zeichen des schrecklichsten Zustandes geistiger Zerrüttung zu haben. Er schritt ruhig hin und her, warf zuweilen einen Blick auf die Uhr und trat, genau als die fünf Minuten abgelaufen waren, wieder an die Thür, hinter welcher nach dem ersten Aufschrei tiefe Stille geherrscht hatte. Er öffnete und befahl:

      »Komme Sie einmal heraus!«

      »Schon! Ich bitte den gestrengen Herrn, mich – —«

      »Ruhe! Sie wird nachher wieder herein dürfen. Jetzt aber komme Sie!«

      Sie trat zögernd heraus. Ihre Augen standen voller Thränen, und in ihrem verwitterten, runzelvollen Antlitze lag ein Ausdruck von Schmerz, Wuth und Rachsucht, der sich unmöglich beschreiben läßt.

      »Warum hat man meinen Sohn eingeschnürt, Herr? Der Schaum und das Blut steht vor seinem Munde; er kann sich nicht bewegen, nicht reden; der Schmerz treibt ihm die Augen aus dem Kopfe und – —«

      »Ruhe! Sie hat mir schweigend zu folgen!«

      Er führte sie über einen zweiten Hof nach einem ähnlichen Gebäude, welches sie soeben verlassen hatten und in einen gerade so engen und finstern Korridor. Hier öffnete er eine Thür.

      »Trete Sie ein!«

      Die Zelle hatte ein schmales, niedriges, mit einem Gitterkorbe versehenes Fenster, durch welche der Schein des Tages nur mühsam einzudringen vermochte; die dicken Mauern waren mit starken Pfosten ausgekleidet, und mehrere an ihnen herabhängende Ketten erhöhten den abschreckenden Eindruck, welchen dieser Raum machen mußte.

      Die Zigeunerin trat einen Schritt zurück. Eine fürchterliche Ahnung schien sich ihrer zu bemächtigen.

      »Was soll ich da drin?«

      »Das wird Sie sehen!«

      »Ich gehe nicht eher hinein, als bis ich es weiß. Ich will zurück zu meinem Sohne!«

      »Vorwärts!«

      Ohne weitere Umstände erfaßte er sie und schob sie in die Zelle, deren Thür er wieder verriegelte.

      »Die Frau bleibt in dieser Nummer,« befahl er einer bereitstehenden Wärterin. »Wenn sie sich nicht ruhig verhält, geben Sie ihr die Zwangsjacke. Zu essen bekommt sie heute nichts!«

      Als er über den Hof schritt, kam ihm der Pförtner entgegen.

      »Herr Oberarzt, ich suche Sie. Es ist ein Herr gekommen, welcher die Anstalt zu sehen wünscht, und ich weiß nicht, ob ich den Herrn Direktor jetzt stören darf.«

      »Wer ist es?«

      »Ein sehr feiner Herr. Er hat seinen Namen nicht genannt.«

      »Werden sehen.«

      Er inspizirte vorher gemächlich einige Spazierhöfe und begab sich.

      »Der Herr Direktor?« frug er mit einer nicht sehr tiefen Verbeugung.

      »Der Oberarzt,« antwortete dieser frostig. Er mochte glauben, einen Literaten und Berichterstatter von der Sorte, welche gern die öffentlichen Anstalten interviewt, vor sich zu haben.

      »Ich bat, den Herrn Direktor sprechen zu dürfen. Ist er verreist?«

      »Ihr Name?«

      »Hier meine Karte!«

      Diese trug die einfache Aufschrift »Dr. Max Brandauer.« Der Oberarzt verbeugte sich kalt.

      »Sie wünschen, einen Gang durch unsere Anstalt machen zu dürfen?«

      »Allerdings.«

      »Zu welchem Zwecke?«

      »Zum Zwecke der Berichterstattung.«

      »Ah!«

      Über das Gesicht des Oberarztes flog die Genugthuung, daß er sich in seiner Voraussetzung nicht getäuscht habe.

      »Ich gestatte Ihnen den Zutritt und werde Sie durch einen der Wärter führen lassen.«

      »Ich wünsche die Begleitung des Herrn Direktors!«

      »Geht nicht! Er und vier Ärzte sind von unserem schwierigen Berufe so sehr in Anspruch genommen, daß wir uns unsere kostbare Zeit nur von Vorgesetzten oder Herren höherer Extraktion kürzen lassen dürfen.«

      Max lächelte.

      »So bin ich also nicht extrakt. Bitte, lesen Sie diesen Befehl, mein Herr!«

      Er zog einen zusammengefalteten Bogen aus der Tasche und reichte ihn dem Arzte hin. Dieser blickte überrascht und ein wenig verlegen auf. Das Papier enthielt einen sehr kurz gefaßten Befehl des Ministers des Innern, dem Vorzeiger desselben als königlichen Kommissär alle Zellen und Räume der Anstalt zu öffnen und ihm auf alle seine Fragen die ausführlichste Antwort zu ertheilen.

      »Das ist etwas Anderes, mein Herr,« meinte der Arzt beinahe stotternd.

      »Bitte, bemühen sich der Herr Doktor mit mir zum Herrn Direktor!«

      Er führte ihn ungesäumt in das Arbeitskabinet des Letzteren. Es war leer. Die Direktion hatte sich nach der Anstrengung des Rapportes einem stärkenden Morgenschläfchen in die Arme geworfen.

      »Darf ich ersuchen, Platz zu nehmen? Ich werde den Herrn Kommissär sofort melden.«

      »Wohl! Doch wünsche ich nicht, wieder eine halbe Stunde warten zu müssen. Meine Zeit ist mir noch kärger zugemessen als den Herren Ärzten!« klang die kurze Antwort.

      Sie