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Das deutsche Erbrecht beruht auf zwei grundlegenden Prinzipien: Universalsukzession und Vonselbsterwerb. Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) bedeutet, dass das gesamte Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht. Vonselbsterwerb bedeutet, dass die Erbschaft dem Erben kraft Gesetzes anfällt (sog. Anfallprinzip); der Erbe kann die Erbschaft allerdings ggf. ausschlagen (→ Rn. 574 ff.). Zu einer Sondererbfolge (Singularsukzession) kommt es nur ausnahmsweise im Rahmen der Höfeordnungen[1] und in bestimmten Fällen im Gesellschaftsrecht (→ Rn. 1429, 1431).
Höfeordnungen existieren allerdings nicht in allen Bundesländern.[2] Es handelt sich um eine Sondererbfolge hinsichtlich einer land- oder forstwirtschaftlichen Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle.[3] Der sog. Anerbe bzw. Hoferbe ist insoweit Alleinerbe des Hofes (vgl. § 4 S. 1 HöfeO). Die weichenden Miterben sind abfindungsberechtigt (vgl. § 12 Abs. 1 HöfeO). S. ferner auch §§ 13-16 GrdstVG und § 2049.
Möglich sind aber immer Vermächtnisse (→ Rn. 900 ff.) und Teilungsanordnungen (→ Rn. 1023 ff.). Da sie jedoch nur rein schuldrechtlich wirken, sind dann zur konkreten Übertragung der Gegenstände jeweils noch entsprechende dingliche Rechtsgeschäfte erforderlich.
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Nicht vererblich sind allerdings höchstpersönliche Rechte. Dazu gehören etwa der Nießbrauch (§ 1061 S. 1), das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie statusbezogene familienrechtliche Positionen (z.B. die Ehe oder die elterliche Sorge). Ebenso sind auch höchstpersönliche Pflichten (z.B. höchstpersönliche Dienstleistungspflichten, vgl. § 613) nicht vererblich. Vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) bestehen aber nach dem Tod des Trägers fort, solange die ideellen Interessen noch geschützt sind; die Befugnisse gehen auf die Erben über und können von diesen entsprechend dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen ausgeübt werden[4]. Vererblich ist allerdings der Nutzungsvertrag für ein soziales Netzwerk; seinem Übergang auf die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Datenschutzrecht entgegen.[5]
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Die Familien- bzw. Verwandtenerbfolge bestimmt sich im deutschen Erbrecht nach dem Parentelsystem (→ Rn. 70). Das Parentelsystem bedeutet, dass die Verwandten nach Ordnungen gegliedert werden und (nur) eine Person einer vorrangigen Ordnung alle anderen Personen nachrangiger Ordnungen von der Erbfolge ausschließt. Innerhalb der ermittelten Ordnung gilt dann das Repräsentationsprinzip mit Eintrittsrecht: Ein lebender Abkömmling schließt seine Abkömmlinge von der Erbfolge aus; sollte der Abkömmling jedoch ebenfalls verstorben (vorverstorben) sein, so treten (nur) seine Abkömmlinge an seine Stelle (wieder jeder Unterstamm mit einem Repräsentanten), und es findet unter diesen wieder eine Erbteilung statt. Im Ergebnis bedeutet dies eine Erbfolge nach Stämmen, nicht nach Köpfen. Neben die Verwandten tritt als gesetzlicher Erbe der Ehegatte bzw. Lebenspartner des Erblassers (→ Rn. 88 ff., 118). Wurden gesetzliche Erben enterbt, kann ihnen ein Pflichtteilsrecht zustehen (→ Rn. 615 ff.).
Das Gesetz kennt zwei Arten der Verfügung von Todes wegen: Das Testament (→ Rn. 137 ff.) und den Erbvertrag (→ Rn. 261 ff.). Eine besondere Form des Testaments ist das gemeinschaftliche Testament, das nur von Ehegatten errichtet werden kann (→ Rn. 211 ff.). Für Auslegung, Widerruf und Anfechtung letztwilliger Verfügungen gelten spezielle Regelungen (→ Rn. 185 ff., 247 ff., 295 ff., 323 ff., 384 ff.).
Der Erbe kann den Anfall der Erbschaft mit der Ausschlagung rückwirkend beseitigen (→ Rn. 574 ff.). Schlägt er nicht aus, haftet er unbeschränkt, aber beschränkbar (→ Rn. 1071 ff.). Instrumente zur Beschränkung der Erbenhaftung sind insb. die Nachlassverwaltung, die Nachlassinsolvenz sowie die Dürftigkeits- und die Überschwerungseinrede (→ Rn. 1138 ff.). Erben mehrere, so bilden die Miterben eine Erbengemeinschaft, die eine auf Auseinandersetzung gerichtete Gesamthandsgemeinschaft ist (→ Rn. 951 ff.).
Teil I Überblick über das Erbrecht › § 1 Grundlagen des Erbrechts › II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Erbrechts
II. Verfassungsrechtliche Grundlagen des Erbrechts
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Gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG werden das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet. Die Norm schützt sowohl das Rechtsinstitut des Erbrechts (Institutsgarantie) als auch das individuelle Erbrecht als Grundrecht (Individualrecht).[6] Bei Letzterem handelt es sich sowohl um das Recht zu erben als auch zu vererben. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Der Gesetzgeber muss dabei selbstverständlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gleichheitsgebot beachten. Der Wesensgehalt des Erbrechts darf keinesfalls angetastet werden (Art. 19 Abs. 2 GG).
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Die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes ergänzt die Eigentumsgarantie: Das Privateigentum geht mit dem Tod nicht unter, sondern hat Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Zu den geschützten Kernelementen zählen die Testierfreiheit[7] (sie ist besonderer Ausdruck der an sich durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie[8]), die Privaterbfolge[9] (auch: Privaterbrecht) sowie das gesetzliche Verwandten- bzw. Familienerbrecht einschließlich des Rechts der nahen Angehörigen auf einen angemessenen Anteil am Nachlass (Pflichtteil). In Bezug auf Letzteres ist die genaue Reichweite des Schutzes allerdings umstritten.[10] Nach der Rechtsprechung des BVerfG[11] ist aber jedenfalls die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass durch die