Die meisten wissen in ihrem Herzen und in ihrer Seele die Antworten auf diese Fragen. Die meisten Wesen haben schon viele Male die Reise in den Tod gemacht.
Lass uns zu dem Bild des Übergangs von einem Zimmer ins nächste zurückkehren. Nur weil man ein Zimmer verlässt, bedeutet das noch lange nicht, dass man es vergisst. Man ist bloß mit dem beschäftigt, was man jetzt gerade sieht und fühlt, auch wenn die Realität des verlassenen Raums und die Erinnerung daran weiter bestehen. So ist es in gewisser Weise auch mit dem Tod, zumindest in bestimmten Phasen.
Es gibt Menschen, die den Raum der Lebenden nicht verlassen wollen. Ihre emotionalen Bande sind zu stark, und sie haben das Gefühl – was meistens auf falschen Vorstellungen beruht –, dass sie nicht gehen können oder sollten. Das führt zu einem langsamen Übergang und ist oft nicht sehr produktiv. Die meisten Wesen verlassen ihren Körper jedoch relativ schnell und gehen weiter.
Es gibt viele außerkörperliche Wunder, viele verschiedene Dimensionen zu erforschen. Man könnte es mit einem Umzug ins Ausland vergleichen – sobald man dort ist, findet man das Neue und die Andersartigkeit der Menschen, ihre Marktplätze, ihre Kunst, Sprache und Kultur aufregend. Der Tod ist eine Reise in ein anderes Land – und dort gibt es vieles zu entdecken!
Es gibt ›Schulen‹, die man besuchen kann. Manche Wesen lernen dort, wie sie emotionale Verstrickungen heilen und alte Eigenschaften loslassen können. Andere schließen sich persönlichen Führern an – fast so wie bei einer Stadtbesichtigung oder Bergtour. In Wahrheit gibt es so viele Varianten der Erfahrung, wie es Wesen gibt – das heißt, eine unendliche Vielzahl. Deswegen will ich dir klarmachen, dass deine Beziehung zum Tod überaus wichtig ist. Schließlich ist es dein Film des Lebens!
Ich lächelte, während ich Barneys Worte aufschrieb. Seine Gedanken glitten durch mich hindurch, wie Wildvögel über einen wolkenfreien blauen Himmel schweben.
Hilft dir das, deine Frage zu beantworten?, erkundigte sich Barney.
»Ja, es passt zu dem, was ich selbst spüre.«
Du brauchst keine Angst zu haben, dass es sich nur um eine ›Projektion‹ von dir handelt. Du hattest schon viele Leben, in denen du anderen beim Sterbeprozess beigestanden hast, und deswegen ist es recht leicht, diese Informationen durch dich zu übermitteln. Wir werden aber nochmals auf Projektionen zu sprechen kommen und darauf, welche Rolle sie nicht nur in diesem Leben, sondern auch im Sterben spielen.
Am Ende unseres Gesprächs an diesem Vormittag kamen Barney und ich auf seine körperliche Gestalt zu sprechen, die weitere Symptome von Abbau aufwies. Seine Sehkraft wurde immer schwächer und seine Gelenke wurden gebrechlich, auch wenn er mir versicherte, dass er immer noch sehen konnte und die Massagen und Kräuteressenzen, mit denen ich sein Futter anreicherte, zu schätzen wusste.
Unter der Oberfläche spürte ich, dass wir in einen heiligen Ort des Lernens vordrangen. Ich konnte ihn fühlen. Unser Gedankenaustausch hatte eine tiefere Dimension erreicht, ein deutliches Gefühl, dass das hier der Hauptgrund dafür war, warum Barney und ich in diesem Leben zusammengefunden hatten – damit ich seine Worte hörte, diese Gefühle spürte und für diese Erfahrungen offen wurde. Und so fragte ich mich wieder einmal: »Wer ist dieses erstaunliche Geschöpf, das im flauschigen weißen Fell meines Hunds Barney steckt?«
2
Der Angst ins Auge sehen
Als ich für die Vorstellung, mit Tieren zu sprechen, offen wurde, tat ich dies angstfrei. Schließlich machten andere Leute es auch – ich war nur eine Zuschauerin, eine Reporterin. Doch als ich immer mehr Fragen stellte und mir Gedanken darüber machte, wie dieses Ding mit der Tierkommunikation eigentlich funktioniert, spürte ich, wie mein Inneres darauf reagierte. Etwas in mir geriet in Bewegung und ich wurde nervös und zugleich aufgeregt. Irgendwas ganz tief in meiner Seele wurde angesprochen – eine uralte Erinnerung? Eine verschüttete Fähigkeit? – und dieses Etwas rief leise, doch beharrlich und verlockend nach mir. Na ja, das überrascht nicht weiter: Genauso beginnt meistens ein tieferes Erwachen. Denn wenn wir erkennen – und allmählich akzeptieren –, dass unsere Gedanken und Gefühle, Träume und unser Bewusstsein sich auf tieferen Ebenen abspielen, fängt unser oberflächliches Bewusstsein an aufzuwachen und sich für etwas zu öffnen, das wir zwar schon immer wussten, das uns jedoch irgendwie aus dem Gedächtnis verschwunden ist.
Das allererste Mal, als ich ein Tier in Gedanken reden hörte, lief ein Schauer durch meinen Körper. In einem seltsamen und ganz stillen, zeitlosen Moment spürte ich ein Kribbeln im Körper – eine Beschleunigung der Energie, die Auflösung meiner Gedanken. Draußen vor meinem Fenster versammelten sich Vögel auf einem Busch. Fenster, Vogel, Busch – es sind nicht so sehr die Dinge an der Oberfläche, die uns rufen, sondern die tiefere Energie der Lebenskraft, der tiefere Ruf der Verbundenheit. Es ist, als hätte man endlich die Einladung entdeckt, die schon immer da war. Und die man eines Tages annimmt.
An jenem Tag spürte ich, wie sich mir die tiefere Präsenz der Vögel erschloss. Und ich mich ihnen. Es war ganz einfach und erstaunlich offensichtlich: Das Zusammentreffen von Welten, die nie wirklich getrennt gewesen waren – die plötzliche klare Erkenntnis, dass wir nicht nur eine Frau und ein Schwarm Vögel waren, sondern Wesen, die in der Tiefe miteinander verbunden sind. Ein leiser Schauer lief durch meinen Körper, als ein Selbst, das zu lange zum Schweigen gebracht worden war, an die Oberfläche meines Bewusstseins tauchte. Ein Teil von mir war wieder da.
Erst der Gedanke an das Experiment machte mir Angst. Mein Verstand fing an, Widerspruch einzulegen, Zweifel zu erheben, sich Sorgen zu machen und Misstrauen zu schüren. Meine Gedanken wollten das ursprüngliche Gefühl der Einheit, der Verbindung, die mir das Herz aufgehen ließ, verdrängen. Eine Seite von mir versuchte, es wieder unwirklich zu machen. Aber warum? (Weil das sicherer ist.) Und wer war für die beunruhigten Gedanken zuständig? (Das schlaue Ich!).
Wie ich mit der Zeit feststellte, war eine meiner Lieblingsangewohnheiten, mich mit Äußerlichkeiten zu beschäftigen, um mich davon abzuhalten, für neue Vorstellungen und tiefere Schichten des Verstehens offen zu werden. Für viele von uns scheint das leichter zu sein: Es ist viel weniger anstrengend, Vorkommnisse und Begegnungen weg zu erklären, die nicht in die Wirklichkeit passen, wie wir sie kennen. Fast können wir nicht anders, denn wir sind dazu erzogen, uns auf logische, lineare Gedanken und Erklärungen zu verlassen, statt das Mysterium des Lebens hinter den Grenzen des Alltäglichen in seinem ganzen Reichtum zu erleben. Die Gesellschaft unterstützt dies sogar noch und drängt uns zum »Machen« (und zwar schnell!), statt uns die Zeit zum »Sein« zu lassen. Durch meine Gespräche mit Tieren (die eher Experten im Sein sind), fing ich an, immer klarer zu erkennen, dass der gesellschaftliche Druck zum Schnell-Schnell nichts als der überall verbreitete Zwang ist, der uns davon abhalten soll, tief in uns selbst hineinzusehen. (Wovor haben wir eigentlich so viel Angst?)
Wie Barney einmal bemerkte, ist das Verlangen, sich zu beeilen und etwas anderes zu machen, ein Selbstschutz, eine verzweifelte Methode, das tiefere Wesen des Selbst zu vermeiden, indem man sich an die Oberfläche klammert. Oder, wie er es ausdrückte: Es ist, als würdet ihr in tiefen Gewässern schwimmen, aber dauernd nach noch mehr Rettungsringen greifen, obwohl die eigentliche Lösung für euer Dilemma wäre, tief unterzutauchen und die majestätische Größe der Unterwasserwelt wahrzunehmen. Ihr deckt euch mit Listen ein, was alles ›zu erledigen‹ ist, während alles, was ihr in Wahrheit tun müsst, nur loslassen, in euch und in die größere Wirklichkeit eintauchen, auf das Universum, die Schönheit und den Humor der Beziehungen untereinander vertrauen und euch den Luxus erlauben müsst, alles in einem tieferen Fluss der Zeit kennenzulernen.
Klingt ganz einfach, nicht wahr? Doch es umzusetzen bedeutet, zuerst dem ins Auge zu sehen, vor was wir am meisten Angst haben: die vielen dunklen Schichten unseres Selbst.
DIE ANGST VOR HASEN
Als Barney und ich unser Gespräch am nächsten Morgen fortsetzten, begann er es mit einer kurzen Zusammenfassung: