Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783964260420
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an die Frage von vorhin. »Also, um auf Ihre Frage zurückzukommen, Frau Lorbeer, was der Hirsch wohl zu bedeuten hat: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war es einfach nur ein Hirsch?«

      Da lachte Mama ihr Mag-ja-sein-aber-ich-weiß-es-besser-Lachen, das Mara so gar nicht an ihr mochte, und schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Herr Weissinger, wenn Sie dieses erhabene Tier auch gesehen hätten, dann würden Sie so nicht sprechen.«

      Wie gerne hätte Mara ihr jetzt serviert, dass der Professor den Hirsch in der Tat gesehen hatte, und das sogar ein paar Stunden vor ihr … Oh Mann.

      Der Rest des Abendessens verlief erstaunlich entspannt, denn Professor Weissinger schaffte es letztlich doch recht elegant, zu seinem Herzensprojekt überzuleiten: dem originalgetreuen Nachbau eines Wikingerschiffs am Tegernsee. Ihm und seinen Mitstreitern war zwar im vorigen Jahr das Geld ausgegangen, aber jetzt hatte dann doch noch der Freistaat Bayern eingegriffen und man war zuversichtlich, dass das Boot in ein paar Monaten vom Stapel laufen konnte. Seine Augen leuchteten begeistert, als er von den Schiffen erzählte, die aufgrund ihrer flachen Bauweise direkt bis ans Ufer fahren konnten, wo man sie dann mit vereinten Kräften an Land zog. Mara konnte sich gut vorstellen, wie Professor Weissinger mit wild flatterndem Bart Kommandos brüllte, während seine Studenten versuchten, ein tonnenschweres Wikingerschiff an den Strand zu zerren.

      Als Mara nach dem Dessert – Bayrische Creme mit Waldbeeren – die Schüsseln in die Küche trug, merkte sie aber, dass Mama noch irgendwas vorhatte. Mara versuchte, sich gar nicht erst vorzustellen, was es wohl sein würde, aus Angst, vielleicht richtig zu tippen. Im Fernsehen hieß es nämlich nach solchen Abenden immer: »Wollen Sie noch mit reinkommen, auf einen Kaffee?« Die Hauptdarsteller setzten sich dann aufs Sofa, Musik setzte ein und die Kamera schwenkte auf den brennenden Kamin, den vorher irgendjemand mit einem Schlüssel für die Wohnung vorsorglich angezündet haben musste.

      Aber in ihrem Fall waren die beiden ja erstens schon drin, zweitens gab es hier nur lösliches Pulver CappuccinoArt und drittens würde Mara den ganzen Abend lang zwischen den beiden sitzen und darauf achten, dass keiner plötzlich einen brennenden Kamin reinschleppte, verdammt noch mal!

      Verwundert von ihren eigenen Gedanken horchte Mara kurz in sich hinein, um herauszufinden, was genau eigentlich ihr Problem war. Erst hatte sie das Treffen selbst eingefädelt und jetzt hätte sie die beiden am liebsten in getrennte Zimmer gesperrt. Schnell stellte Mara fest, dass sie darauf keine zufriedenstellende Antwort hatte. Sie fand es nun mal gleichzeitig irgendwie gut und irgendwie blöd und jetzt gerade fühlte es sich eben eher blöd an. Hm… Schließlich zuckte sie mental mit den Achseln und beschloss, das Ganze einfach auf die Pubertät zu schieben. Warum sollte diese praktische Ausrede nur den Erwachsenen zur Verfügung stehen? Eben.

      Entschlossen, nun jegliche Annäherungen von Mama und Professor Weissinger, wenn nötig gewaltsam, zu unterbinden, stapfte Mara wieder ins Wohnzimmer zurück und ihr erster Blick fiel auf das Sofa. Es war leer. Die beiden saßen immer noch brav am Tisch, durch selbigen getrennt. Na wenigstens …

      Außerdem sprach Mama gerade wieder von irgendeinem Wicca-Kram und Professor Weissinger wirkte, als würde er gleich durchs geschlossene Fenster springen und laut schreiend davonlaufen.

      »… und da dachte ich mir, wo Sie doch so offen sind für spirituelle Themen jenseits wissenschaftlicher Trampelpfade, könnten Sie uns vielleicht dorthin begleiten«, beendete Mama gerade ihren letzten Satz und Mara wusste sofort, was Sache war. Mama hatte Professor Weissinger gerade eingeladen, mit ihnen zu dem Rückführungsseminar von Dr. Thurisaz zu fahren!

      Mama, du weißt ja gar nicht, was du mir damit gerade für einen Gefallen getan hast, grinste Mara in sich hinein. Sofort machte sie einen kleinen Schritt rückwärts, damit Mama sie nicht direkt sehen konnte, und nickte dem Professor so heftig zu, dass sie fast mit dem Kinn auf den Boden beziehungsweise mit dem Schädel an die Decke stieß.

      Als Mama sich umdrehte, um zu sehen, was ihre Tochter hinter ihrem Rücken für Faxen machte, nutzte der Professor die Chance für eine stumme Antwort. Um noch energischer den Kopf zu schütteln, hätte er dafür hin und her laufen müssen.

      Verstand er denn nicht? Er wusste doch, dass Mara die geheimnisvollen Verse des Feuerbringers auf dem Infoblatt über das Seminar entdeckt hatte! Sie hatte sowieso schon ein mulmiges Gefühl dabei gehabt, dort mit Mama allein hinzufahren. Denn inzwischen konnte sie sich gar nicht mehr vorstellen, ohne Professor Weissinger ein weiteres Abenteuer durchzustehen. Sie brauchte ihn doch! Wusste er das denn nicht?

      Da Mara ihm vor ihrer Mutter ja nicht direkt sagen konnte, warum sie die Idee so großartig fand, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm ein paar versteckte Hinweise zu geben. Und wenn das nichts half, würde sie ihn eben so weit in die Grütze reiten, dass er gar nicht anders konnte.

      »Ich finde die Idee total super, Herr Professor! Wir werden bestimmt eine Menge lernen …«

      Verstehen Sie doch: Lernen! Wie: Rausfinden!, dachte Mara.

      »Das mag ja alles sein, aber ich kann leider meine Studis nicht vernachlässigen«, schüttelkopfte Professor Weissinger zurück.

      »Aber diese tolle Gelegenheit dürfen wir uns doch nicht entgehen lassen!«, sprach Mara eindringlich auf ihn ein.

      Verstehen Sie mich doch!

      »Sind Sie nicht auch gespannt, was uns dort erwartet?«

      Bitte raff es! Raff es bitte!

      Eine Pause entstand. Der Professor seufzte. Schließlich sah er Mara an, nickte und Maras Herz machte einen Sprung: YES.

      »Oh, das ist ja ganz wunderbar! Glauben Sie mir, Sie werden es nicht bereuen«, sagte Mama. »Meine Wicca-Freundinnen sind ganz wunderbare und spirituelle Wesen.«

      Mara sah, wie bei »spirituelle Wesen« etwas im Blick des Professors zerbrach, als hätte jemand seine Kontaktlinsen zersungen.

      Da sehen Sie mal, was ich alles schon durchgemacht habe, dachte sie und musste grinsen.

      Als Mama hinausging, um für sie zwei Tassen CappuccinoArt zu holen, schlug sich der Professor mit der flachen Hand gegen die Stirn und zog dann die Finger sehr langsam über das Gesicht nach unten, wobei er seine Wangen zu einer seltsamen Grimasse zerdrückte. Als er Mara mit trüben Augen ansah, musste sie richtig lachen. Er nahm es also auch mit Humor. Sehr gut, das würde helfen.

      »Ich hab’s doch verstanden, Mara Lorbeer, danke für die vielen subtilen Hinweise. Aber ich musste mich erst einmal innerlich damit abfinden, mehrere Tage mit spirituellen Wesen verbringen zu müssen.«

      »Ach, zusammen wird es vielleicht sogar ganz lustig. Meine Mutter ist ja auch dabei und mit der verstehen Sie sich doch ganz gut, oder nicht?«, fragte Mara lauernder, als sie beabsichtigt hatte.

      »Aber ja, deine Mutter ist mir nach wie vor sehr sympathisch. Ich glaube, sie ist einfach nur auf der Suche nach Antworten und sondiert dafür den falschen Ort. Wenn ich das mal so ausdrücken darf.«

      »Papa hat das Sondieren halt so genervt, dass er irgendwann weggegangen ist«, sagte Mara und beeilte sich hinterherzuwerfen: »Also, nicht dass Sie jetzt denken …«

      »Keine Sorge, Mara, ich verstehe dich genau richtig. Aber was ich nicht verstehe, ist, warum du deine Mutter mit in eine Vision genommen hast. So gesehen hast du ja noch mal Glück gehabt, dass sie denkt, sie hätte es irgendwie selbst bewerkstelligt. Andererseits …«

      »Andererseits ist es seitdem schlimmer denn je«, seufzte Mara. »Sie sitzt stundenlang da drüben vor ihrer Schale mit den Focus Stones™ und … fokust rum.«

      Der Professor folgte Maras Blick hinüber in die Ecke, wo die schief getöpferte Schale mit den großen Flusskieseln stand, und nickte. »Lass mich raten, seitdem hat sie es aber nicht noch mal geschafft, sich in den Wald zu versetzen. Oder hast du etwa …«

      »Nein, nein, hab ich nicht, ehrlich! Nur das eine Mal!« Natürlich hatte Mara schon darüber nachgedacht, ob sie ihrer Mutter