Der Grundsatz der Baufreiheit ist für jedermann im Grundgesetz durch Art. 2 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 14 (Eigentumsrechte) abgesichert, jedoch unterliegt er bestimmten Einschränkungen. Inhalt und Schranken der Baufreiheit werden durch Gesetze bestimmt. Der Einzelne muss also im Sinne des Allgemeinwohls Beschränkungen hinnehmen, da diese für ein geordnetes Zusammenleben notwendig sind. Zwischen den Interessen des Individuums und der Allgemeinheit soll – was das Baurecht betrifft – ein Ausgleich geschaffen werden.
Einige Beispiele solcher Beschränkungen:
– Vorschriften des Immissionsschutzes (wegen Lärm, Geruch),
– des Natur- und Umweltschutzes (wegen Sicherungen von geschützten Tier- und Pflanzenarten),
– des Denkmalschutzes (wegen des Erhalts des Kulturgutes),
– des Hochwasserschutzes (wegen der Gefahrenabwehr für Menschen und Gebäude).
12
Zu den Aufgaben der Städte und Gemeinden gehört das grundgesetzlich garantierte Planungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG). Mit ihrer städtebaulichen Planung, z. B. durch Festsetzungen in Bebauungsplänen, wird ein Rahmen geschaffen. Entweder schränken die gemeindlichen Planungen die Möglichkeit des Bauens für den Einzelnen ein oder aber sie schaffen Baurechte durch die entsprechenden Festsetzungen in Bebauungsplänen.
Die Planung der Gemeinde ist stets mit der Einbeziehung der Bevölkerung und von Fachstellen verbunden, bevor sie verbindlich festgelegt wird.
Abb. 2: Bekanntmachung der Gemeinde Zaisenhausen vom 20. 02. 2017.
13
Als weitere zentrale Aufgabe des Baurechts ist der Schutzgedanke relevant. Die Gefahrenabwehr ist in den Landesbauordnungen die zentrale Vorschrift (z. B. § 3 Landesbauordnung Baden-Württemberg). Soziale Gesichtspunkte (z. B. § 3 Abs. 4 Landesbauordnung Baden-Württemberg), aber auch ästhetische Belange bei der Bauausführung (z. B. § 11 Landesbauordnung Baden-Württemberg) sind weitere Zielvorstellungen des Baurechts.
Abb. 3: Einsturzgefährdetes Gebäude – mögliche Gefahren gilt es zu verhindern (z. B. durch Absperrungen oder Abriss, falls eine Sanierung nicht vorgenommen wird).
14
Um das öffentliche Baurecht zu verstehen, müssen sowohl Vorgaben aus dem Grundgesetz, dem Bundesrecht als auch landesrechtliche Regelungen beachtet werden. Dass dies so ist, folgt aus der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland und den damit verbundenen Zuständigkeiten. Vgl. zur Verdeutlichung die folgende Übersicht:
Rechtsmaterie | Inhaltliche Regelung (beispielhaft) |
Verfassung(Grundgesetz der Bundesrepublik) | Verfassungsrechtliche Vorgaben (persönliche Freiheiten, Eigentumsrechte) |
Bundesrecht | Regelungen zur Bodenordnung, des Städtebaurechts, der Raumordnung |
Landesrecht | Gefahrenabwehr |
15
Neben den Vorschriften im öffentlichen Recht gibt es auch andere Rechtsbereiche, die in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen.
Grundsätzlich unterscheiden wir im Recht das
– Privat- (oder auch Zivil- [vom lat. ius civile]) Recht.
– Öffentliche Recht,
– Strafrecht.
Vereinfacht ausgedrückt geht es beim Privatrecht um die rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen, beim Öffentlichen Recht ist „der Staat“ als Hoheitsträger gefragt und beim Strafrecht wird ein Vorgang unter dem Gesichtspunkt der Vorgaben des Strafgesetzbuches beurteilt.
16
Das vorliegende Buch befasst sich mit dem „Öffentlichen Baurecht“. Darunter versteht man Regelungen, die staatlichen Organen oder einem entsprechenden Hoheitsträger zugewiesen sind. Typisches Beispiel für das Baurecht ist die Erteilung einer Baugenehmigung, die nur durch die entsprechende staatliche Stelle ausgesprochen werden darf (vgl. z. B. §§ 48, 58 Landesbauordnung Baden-Württemberg).
Hingegen regelt das private (oder zivile) Baurecht Rechtsbeziehungen zwischen „gleichrangigen“ Personen. Der Planer etwa, der von seinem Kunden (dem Bauherrn) einen Auftrag zum Entwurf bekommt, diesen erstellt und auch ausführt, wird privatrechtlich tätig. Fehler bei der Tätigkeit sind daher grundsätzlich dem Privatrecht zuzurechnen.
Auch die Nachbargesetze der Bundesländer regeln die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen (Nachbarn) und gehören nicht zum öffentlichen Baurecht. Beispielswiese das Nachbarrechtsgesetz des Bundeslandes Baden-Württemberg (NRG), in dem z. B. Regelungen zur Ableitung von Regenwasser (§ 1 NRG), zum Hammerschlags- und Leiterrecht (§ 7c NRG) oder zu Abständen bei Bepflanzungen (§§ 11 ff. NRG) enthalten sind.
II. Abgrenzung privates und öffentliches Baurecht
17
Das private Baurecht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen einem Bauwilligen und denjenigen, die Planungen erstellen, sie ausführen und die auch gegenüber den Behörden für den Bauherrn auftreten können. Das sind in der Praxis vor allem die Architekten und Bauingenieure, zum Teil aber auch Innenarchitekten und Personengruppen (wie z. B. Meister bestimmter Berufsgruppen oder Hochschulabsolventen; vgl. beispielsweise § 43 Abs. 4 LBO Baden-Württemberg).
Regelungen des Vertragsrechts z. B. aus dem Architektengesetz, dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder die Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) werden ebenso hierzu gerechnet.
18
Das öffentliche Baurecht befasst sich hingegen mit den Aufgaben, die durch eine staatliche Stelle wahrgenommen werden müssen. Dazu gehören die Aufstellung von Bauleitplänen (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan – vgl. § 1 Abs. 1 bis 3 BauGB) oder andere Vorgaben des Baugesetzbuches, wie die Veränderungssperre, §§ 14, 16 Abs. 1 BauGB, um nur auf einige zentrale Vorschriften aus dem BauGB hinzuweisen.
Das gesamte Baugenehmigungsverfahren und die Prüfung der Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften obliegt den Behörden und gehört damit zum öffentlichen Baurecht. Als Beispiel ist die Erteilung (oder die Versagung) einer Baugenehmigung zu nennen, aber auch die Einstellung von Bauarbeiten oder Abbruchsverfügungen gehören zum öffentlichen Baurecht.
Abb. 4: Auszug aus dem Gesetzblatt, dem Verkündungsblatt für das Bundesrecht.
Abb. 5: Auszug aus dem Gesetzblatt des Landes Baden-Württemberg, dem Verkündungsblatt für das Landesrecht (in diesem Fall Baden-Württembergs).
19
Insgesamt sind die Aufgaben der Baurechtsbehörden –