Die Lernenden im privaten oder schulischen Umfeld sind immer Ziel des methodischen Bemühens des Sprachmeisters oder Sprachlehrers. Die Frage nach der richtigen, der besten, der effektivsten, der natürlichsten Methode der Sprachvermittlung hat nicht nur die Sprachlehrer aller Zeiten beschäftigt, sie ist auch in der historischen Forschung sehr präsent. Neben Dokumentationen (Macht 1986–1990) und Überblicksdarstellungen zur Methodenentwicklung (Apelt 1991, Klippel 1994) finden sich auch Untersuchungen zur Rolle der Muttersprache (Butzkamm 1973). Alle diese Untersuchungen stammen aus dem 20. Jahrhundert, und es ist bemerkenswert, dass gerade in jüngerer Zeit keine historischen Arbeiten zu fremdsprachenunterrichtsmethodischen Fragen mehr entstanden sind.
Zu den historischen fremdsprachendidaktischen Forschungsfeldern zählt auch die Geschichte des Deutschunterrichts in anderen Ländern (z.B. Wegner 1999, Eder 2006) und die Geschichte des Unterrichts in anderen als den gängigen Schulfremdsprachen.
Auch wenn es angesichts der zahlreichen historischen Untersuchungen aus gut einhundert Jahren und der großartigen SyntheseSynthesen von Hüllen (2005) und Kuhfuß (2013) so scheinen mag, als lägen Erkenntnisse für alle Epochen und Aspekte der Geschichte des Sprachenlernens und -lehrens der unterschiedlichen Sprachen vor, gibt es doch weiterhin viele weiße Flecken auf der Landkarte der Vergangenheit.
3.1.3 Forschungsdesiderata und forschungsmethodische Entwicklungen
Nimmt man das Didaktische Dreieck mit seinen drei „Ecken“ Lehrer-Lerner-Stoff als Ausgangspunkt, dann fehlen historische Untersuchungen zu Lehrerbildung und Lehrerverhalten, wenngleich letzteres natürlich nur sehr schwer zu rekonstruieren ist. Dass die Frage nach der Entwicklung von Unterrichtsmethoden, die ja gerade im 20. Jahrhundert viele Wandlungen erfahren haben, bislang keine Aufmerksamkeit erfahren hat, wurde bereits erwähnt. Aber auch die konkreten Verkörperungen von Methoden, nämlich Lehrmaterialien und Handbücher für den Unterricht, wurden bisher nur punktuell aus historischer Perspektive untersucht. Die Geschichte der Medien ist noch nicht bis in die Gegenwart fortgeschrieben worden. Im Hinblick auf die Lernenden existiert keine Sozialgeschichte der Fremdsprachenlerner, deren altersmäßige und soziale Zusammensetzung sich insbesondere im 20. Jahrhundert stark verändert hat. Auch ein Überblick über die Entwicklung der Sprachlerntheorien und deren Rezeption in der Unterrichtspraxis wäre wünschenwert. Zu den Unterrichtsinhalten und Curricula liegen erste Arbeiten vor (z.B. Kolb 2013). Zusätzlich zu diesen breit gefassten, bisher kaum oder gar nicht bearbeiteten Feldern gibt es eine Vielzahl von regionalen, lokalen oder gar individuellen Forschungsfragen, deren Aufarbeitung sich lohnen würde.
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die historische fremdsprachendidaktische Forschung in Anlehnung an die aktuellen Ansätze in der allgemein-historischen und der bildungshistorischen Forschung methodisch weiterentwickelt. Verfahren der QuellenkritikQuellenkritik und der DiskursanalyseDiskursanalyse (s. Kap. 5.3.1 Analyse historischer Quellen) und deren Reflexion sind ebenso selbstverständlich geworden wie der Gang in die Archive (z.B. Ruisz 2014) und der Blick über die nationalen Grenzen (z.B. Kolb 2103). Es ist heute unabdingbar, den historischen Entstehungskontext in die Analyse einzubeziehen und neben der Entwicklung im Bildungssystem auch politische, wirtschaftliche, soziale und technische Fortschritte der Zeit zu betrachten, die das Interesse an und die Vermittlung von bestimmten Sprachen stark beeinflussten (so beispielhaft in Schleich 2015). Des Weiteren hat sich in den jüngeren Arbeiten zur Geschichte des Fremdsprachenlernens und -lehrens eine größere Sensibilität gegenüber dem historischen Sprachgebrauch entwickelt (s. Kap. 5.2.1 und 5.3.1), so dass in der Vergangenheit verwendete Begrifflichkeiten nicht ohne weiteres als identisch mit heutigen gleichlautenden Konzepten angesehen, sondern vielmehr konzeptuell analysiert werden. Fremdsprachendidaktische historische Forschung hat sich insofern als eigenständiger Forschungszweig auch in methodologischer Hinsicht etabliert.
› Literatur
Aehle, Wilhelm (1938). Die Anfänge des Unterrichts in der englischen Sprache besonders auf den Ritterakademien. Hamburg: Riegel.
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Boerner, Otto /Stiehler, Ernst (1906). Zur Geschichte der neueren Sprachen. In: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 18, 334–351, 392–412, 459–471.
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Breymann, Hermann/Steinmüller, Georg (1905). Die neusprachliche Reformliteratur. Ergänzungsheft für den Zeitraum von 1896 bis 1904. Leipzig: Deichert.
Breymann, Hermann/Steinmüller, Georg (1909). Die neusprachliche Reformliteratur. Ergänzungsheft für den Zeitraum von 1904 bis 1909. Leipzig: Deichert.
Butzkamm, Wolfgang (1973). Aufgeklärte Einsprachigkeit. Zur Entdogmatisierung der Methode im Fremdsprachenunterricht. Heidelberg: Quelle & Meyer.
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