WARUM FREUNDSCHAFT WICHTIG IST
Was die Glücksforschung dazu sagt
Von allem, was die Weisheit zur Glückseligkeit des ganzen Lebens bereithält, ist weitaus das Größte die Erwerbung der Freundschaft. (Epikur)
Die Antwort auf die Frage, weshalb Freundschaft wichtig ist, ist relativ simpel: Freundschaften machen ganz einfach glücklich. Sie sind einer der wichtigsten Faktoren für die Zufriedenheit von Menschen. Und das nicht nur bei uns in Europa, sondern generell und weltweit. Unzählige Studien bestätigen immer wieder, was angeblich schon Epikur wusste: „Von allem, was die Weisheit zur Glückseligkeit des ganzen Lebens bereithält, ist weitaus das Größte die Erwerbung der Freundschaft.“ Ich sage „angeblich“, weil die genaue Herkunft solcher Zitate in vielen Fällen durchaus schwierig ist. Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat sich eine Art großer Zitatenschatz angesammelt, aus dem man viele wertvolle Stücke entnehmen, aber oft nicht genau zuordnen kann. Das sagt aber bereits viel aus: Freundschaft scheint eine Grundkonstante in der Menschheitsgeschichte zu sein. Freunde und Freundinnen haben immer schon glücklich gemacht.
Viele Lieder besangen und besingen nach wie vor die Freundschaft, so dass hier nur eine kleine Auswahl der großen Songs aufgezählt werden kann, mit denen die meisten von uns aufwachsen oder zumindest irgendwann in Berührung gekommen sind: „With a little help from my friend“ von John Lennon ist eine der großen modernen Freundschaftsoden der Popmusik. Ich persönlich liebe einen anderen Song, nämlich „Keep smiling, keep shining“ von Dionne Warwick, der von vielen berühmten Sängern und Sängerinnen interpretiert wurde, u. a. von Elton John, Stevie Wonder und Whitney Houston. „Thank you for being a friend“ von Andrew Gold ist ein weiterer Evergreen, der mir beim Thema Freundschaft sofort einfällt. Und natürlich und für immer Freddy Mercury/Queen mit: „Friends will be friends“!
Wer über Freundschaft nachdenkt, der denkt an berühmte Szenen aus der Filmgeschichte oder auch aus der Literatur: Ich persönlich mag die Szene aus dem „Herrn der Ringe“, in der der Hobbit Sam seinen tief erschöpften Freund Frodo mit letzter Kraft den Berg hinaufschleppt in der Hoffnung, das Böse mit einer letzten verzweifelten Willensanstrengung doch noch gemeinsam und endgültig besiegen zu können. Was am Ende bekanntlich auch gelingt.
Eine ähnlich heroische Szene besingt Friedrich Schiller in seiner unsterblich gewordenen Ballade „Die Bürgschaft“, die irgendwann alle Schulkinder auswendig lernen mussten und vermutlich auch deswegen niemals vergessen haben: Ein Freund bürgt mit seinem Leben für das Leben des anderen – im Vertrauen darauf, dass der Freund ihn nicht im Stich lassen wird. Der Tyrann Dionysos, der beide Freunde in der Hand hat, ist angesichts dieses Vertrauens so tief bewegt, dass er beiden das Leben schenkt und sich wünscht, in solch einen Freundschaftsbund aufgenommen zu werden: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte!“
Nicht so bekannt und auch nicht so spektakulär-heroisch, aber um nichts weniger berührend sind große Frauenfreundschaften. Da ist Sappho, die antike Dichterin von der Insel Lesbos, welche die Schönheit ihrer Freundinnen und Schülerinnen und auch deren Sinnlichkeit und Erotik besang. Da sind die berühmten Salondamen Rahel Varnhagen und Pauline Wiesel, mit denen im gewissen Sinne die Geschichte der sogenannten „besten Freundin“ beginnt (siehe unten). Da ist die Philosophin Hannah Arendt und ihre lebenslange Freundschaft mit Mary McCarthy, die Arendts bewegtes Leben teilte und am Ende auch ihre literarische Nachlassverwalterin wurde. Zu nennen wären die „Frauen des Mailänder Buchladens“ sowie die sogenannten Diotima-Philosophinnen, zwei italienische Philosophinnen-Gruppen, die seit Jahrzehnten in treuer Verbundenheit die traditionell männerdominierte Philosophie aufmischen.
Auch wenn vor allem Männerfreundschaften in vielen der genannten Beispiele aus der Literatur oder aus der Geschichte stark idealisiert und romantisiert erscheinen, so muss man wohl doch feststellen: Ohne Freunde/innen geht es nicht im Leben. Sie helfen das Leben zu meistern – in glücklichen und in unglücklichen Situationen, im Augenblick der Gefahr und im Alltag.
Dass das nicht nur eine persönliche Erfahrung ist, sondern wissenschaftlich nachgewiesene und beglaubigte Tatsache, bescheinigt die Glücksforschung1 in zahlreichen Studien seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Einen Freund zu haben, dem Persönlichstes anvertraut werden kann, hat den gleichen Glückseffekt wie die Verdoppelung des Einkommens. Gute Freunde oft zu sehen, macht zufriedener als das Treffen mit Familienangehörigen. Dies gilt für alle Menschen, in besonderem Maße aber auch gerade für Singles und Geschiedene.
Demir & Weitekamp befragten vor einigen Jahren 423 Studierende in den USA. Nur elf Prozent hatten keinen besten Freund, im Schnitt waren es 4,4. Stärker extrovertierte Personen hatten mehrere „sehr gute Freunde“. Wie immer im Leben kommt es aber auch in puncto Freundschaft nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität an: Menschen beschreiben einen Freund/eine Freundin als jemand, der sie zum Lachen bringt, der ihnen Selbstbestätigung und das Gefühl gibt, eine einzigartige Person zu sein. Das Empfinden, für Freunde/Freundinnen wichtig zu sein, erhöht das Glück, weil in Freundschaften wichtige psychische Bedürfnisse befriedigt werden können, speziell das nach Freiheit und Authentizität: „Wenn ich bei meinem Freund bin, fühle ich mich frei und so wie ich bin“, berichten Menschen übereinstimmend.
Freundschaften machen Menschen in allen Altersstufen glücklich. Wer Kinder hat, weiß, dass die Frage nach dem/der besten Freund/in eine ganz zentrale Frage ist, die bereits im Kindergartenalter an Bedeutung gewinnt und in der Pubertät einen ersten Höhepunkt erreicht. Schließlich kann man kaum mit den Eltern über die erste große Liebe sprechen!
Ich konnte an meinen beiden Töchtern beobachten, dass schon ihre allererste große Freundschaft im Kindergarten oder in der Volksschule Ähnlichkeit mit einer Art ersten Verliebtheit hatte: Sie waren fasziniert von der Freundin, ahmten sie nach, wollten jede Sekunde bei ihr sein und waren tieftraurig, wenn es Streit gegeben hatte.
Die Psychologie geht heute davon aus, dass schon kleine Kinder mit drei Jahren erste Kontakte zu anderen Kindern aufnehmen. Befragt man Kinder in Studien, was für sie Freundschaft ist, so antworten sie geradeaus: „gemeinsames Spielen“. Gemeinsame Abenteuer stehen im Mittelpunkt von Büchern und Filmen, die seit Generationen Klassiker sind. „Bibi und Tina“, „Hanni und Nanni“, „Fünf Freunde“, „Die Wilden Hühner“, „Die Wilden Kerle“ und viele andere. Gemeinsam Gefahren bestehen, aber auch Gedanken und Gefühle austauschen, später dann auch erste sexuelle Erfahrungen, ist nur im Freundeskreis möglich. Selbstverständlich gibt es immer auch Konflikte, Machtgerangel, Teilen-Lernen wider Willen, Streit. Aber dies gehört wesentlich zur Sozialisation und ist ohne Freunde kaum erlernbar. Ganz zu schweigen von der Versöhnung nach dem Streit und der Tafel Schokolade bzw. dem Baumhaus, dessen Bau man dann doch wieder gemeinsam in Angriff nimmt.
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