Manimals. Jens van Nimwegen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jens van Nimwegen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741824890
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gehen wir zum Tätowierer. Rotz ist mächtig aufgeregt. Aber er will es. Er hat extra einen älteren Herrn verführt um das Geld zu verdienen.

      Auf dem Weg fasse ich Drexau immer wieder zwischen die Beine, und er mir. Ich weiß, dass Drexau darauf geilt, wie seine dünnen Gummishorts seinen Knüppel und seine Eier zwar, wie in der Öffentlichkeit vorgeschrieben, vor Blicken verbergen, aber gleichzeitig deutlich hervorheben. Je steifer man ihn hält, desto mehr Adrenalin kreist in seinen Adern. Er dagegen probiert mich so geil zu machen, dass meine kurzen, abgerissenen Jeans den meinen nicht mehr bedecken können. Ich muss dann entweder meinen Knüppel durch eine Hosentasche in der Hand halten oder den Bund öffnen, um die Hose sacken zu lassen. Dann kann ich aber meine rasierte Schwanzwurzel kaum verbergen. Erregend! Und Rotz, der junge, halbnackte Punker, steht sowieso voll unter Adrenalin, weil er gleich seine erste, erniedrigende, obszöne Tätowierung erhalten soll.

      Er soll Schwein auf die Brust bekommen, über dem Herzen zwischen Brustbein und Titte auf die schönste Stelle, leicht schräg. Unter der offenen Jacke wird man immer die ersten Buchstaben sehen und neugierig werden. Darum herum ein schwarzer Kreis wie bei Poststempeln, in dem eine Umschrift offen gelassen ist. Oben: ABRICHTUNG ZUM und unten: SEIT und das Datum an dem er mir zugelaufen war. Wenn seine Abrichtung mal abgeschlossen ist, kann man diese Umschrift schwärzen.

      Der Tätowierer, verantwortungsbewusst wie immer, nimmt Rotz mit nach hinten, um herauszubekommen, ob er das wirklich will, nicht besoffen oder bekifft ist und so weiter. Auch muss er beweisen, dass er volljährig ist. Bevor er sich in den Stuhl setzt, öffnet er seinen einzigen Hosenknopf: „Ey, Drexau, komm mal mit deinem Maul und lenk mir ab.” Er macht wirklich nicht den Eindruck als ob wir ihn zu einer Dummheit angestiftet hätten.

      Als er sich danach im Spiegel sieht, wird er von selbst wieder steif. Er zieht die Lederjacke an, die er nicht schließen kann. Man sieht ABRI… Schw… SEIT… – genug um neugierig zu machen.

      Und dann entdeckt Rotz neben dem Spiegel ein Foto und ruft: „Det wil ick ooch! Berlin braucht mündije Bürjer. Ick loofe dafür jern Reklame.“

      Wir erinnern ihn daran, dass er kein Hemd tragen darf und seine Jacke meistens offen lassen muss. Es ist ihm egal. Die Leute sollen mündiger werden. Also lässt er sich noch MAUL AUF! in einem Halbkreis um die Schwanzwurzel tätowieren, so, dass seine knappen Jeans es nicht verbergen können. Dabei braucht Drexau ihn diesmal nicht steif zu halten, das geht ganz von selbst.

      Rotz strahlt. Er sieht ungeheuer verdorben aus und ist darauf mächtig stolz. Das Adrenalin kreist, weil es nun kein Zurück mehr gibt.

      Leider muss aber erst einmal ne Frischhaltefolie drauf. Wir schicken ihn ein paar Tage in seine WG, zum Abheilen. Drexau und ich verbringen den Rest des Tages im Tiergarten.

      Proviant

      Auf dem Weg dahin bekommt Drexau Hunger. Da er kein eigenes Geld hat, ist er auf mich angewiesen. An der Frittenbude auf dem Wittenbergplatz bestelle ich für mich eine Currywurst mit Pommes zum Mitnehmen und für Drexau eine Portion Pommes mit extra viel Mayonnaise und eine Currywurst mit extra viel Soße. Drexau muss beide Gummistiefel ausziehen, und ich schütte seine beiden Portionen hinein. Er wird knallrot und beginnt zu zittern. Der Kerl in der Bude grinst.

      Hinter geschlossenen Türen ist Drexau hemmungslos in seiner Versautheit. Auf der Straße fasst er mir und Rotz an die Eier, sobald niemand hinschaut. Aber wenn „normale” Leute zusehen, hemmen ihn Reste von Menschenwürde.

      Unter Kopfschütteln der Leute und allerlei Bemerkungen zieht er seine Stiefel wieder an, und wir fahren mit dem Bus zum Tiergarten. Auf dem Weg von der Haltestelle esse ich meine Portion genüsslich auf, während Drexaus Stiefel bei jedem Schritt schmatzen und blubbern. Er gewöhnt sich daran und, wie man durch seine Gummihose sieht, gefällt es ihm immer besser. Aber er hat Hunger. Ich sage, dass er erst auf der Männerliegewiese fressen darf.

      Nicht ohne Hintergedanken wähle ich unseren Lagerplatz auf der Wiese. Es gibt zwei Trampelpfade, auf denen Männer im Gebüsch verschwinden, wenn sie pissen wollen. Vor dem einen lassen wir uns nieder, neben einer Gruppe ziemlich derber Skinheads, denen offenbar ein Spanier und ein Amerikaner zugelaufen sind, die allerlei Fragen über Berlin stellen, ein jeglicher in seiner Art Englisch. Ich ziehe mich aus und gebrauche meine Stiefel als Kopfkissen.

      Drexau darf sich nun die seinen ausziehen. Er soll erst fressen, was an seinen Füßen klebt, und danach die Stiefel leeren. Dazu hat er nur seine Hände und sein Maul. Er schämt sich. Nicht so sehr vor den Skinheads als vor den ziemlich spießigen Tucken die hier auch liegen, mit viel Gepäck, und sich ständig mit Sonnencreme einreiben, und vor den Touristen, die sich hin und wieder hier her verirren und entweder glotzen und zeigen oder krampfhaft wegschauen. Vielleicht schämt er sich auch nicht, ist aber jedenfalls unsicher. Er muss lernen, dass nicht er, sonder ich darüber nachdenken muss, ob man das hier machen kann. Er muss lernen, sich wohl zu fühlen im Zustand totaler Würdelosigkeit: eine entmenschte Sau, die geilt, weil sie nicht tiefer sinken kann.

      Die Ausländer nebenan glotzen auch, und die Skinheads lachen. Ich sage: „We are pigs. You may take photos if you like. You may also piss on him. He kicks on piss. It’s written on his shirt, as you see.” Drexau wird schon wieder rot. Zugleich rührt sich sein Schweinepimmel. Die Skinheads lachen, und der Spanier errötet ebenfalls. Interessant…

      Tier-Garten

      “Warme un kalte Jetränke” – der Mann mit dem Kastenrad. Ich kaufe mir ein Bier. Drexau hat auch Durst, nach all dieser salzigen Soße sowieso, bekommt aber vorläufig kein Bier. Als wieder einmal ein Mann ans uns vorbei will um im Gesträuch sein Wasser zu lassen, spreche ich ihn an: „Das Pissschwein hier neben mir hat Durst. Wollen Sie ihm nicht in die Fresse pissen? Oder sich tropffrei die ganze Blase leertrinken lassen? Wär’ doch schade, wenn alles hier im Boden versickert.” Der Mann ist zuerst überrascht, fängt sich aber schnell und sagt: „Na dann komm mit!” Beide verschwinden im Gebüsch. Nach kurzer Zeit lässt sich Drexau mit nassem Hemd neben mich fallen und rülpst.

      Als etwas später ein geiler Punker auf das Gebüsch zusteuert, springt Drexau auf und kniet sich mitten auf den Trampelpfad, nur teilweise von Sträuchern verdeckt. Seine Scham beginnt sich zu verlieren. Der Punker zögert nicht lange, lässt sich tropffrei leertrinken und sagt dann: „So, Alter! Jetzt leck mir noch die Eier. Die schwitzen so.” Drexau gehorcht sofort und bleibt knien, wo er ist, als der Punker wieder zurückgeht. Nun spricht sich herum, was da im Busch kraucht, und bald kommen zwei Kumpels des Punkers. Einer lässt sich leertrinken, während der andere Drexau von hinten einpisst. Auf dem Rückweg fragt er mich: „Darf so ne Sau ihr Hemd eigentlich waschen? Es stinkt kaum nach Pisse.” Ich antworte: “Er darf machen, was er will, hat aber kein Geld und keine Waschmaschine.” Der Kerl fragt, ob er das Hemd mal ne Stunde ausleihen darf. Er bekommt es, wringt es aus, zieht sich seine Hose an und fährt mit dem Fahrrad weg. Er scheint hier in der Nähe zu wohnen.

      Als er wiederkommt, sind auf dem Hemd schön sichtbar die Pflegesymbole für „nicht waschen” und „nicht chemisch reinigen” aufgetragen: hinten, oben im Nacken, und vorne, unten am Bund. Nicht zu groß. Die Botschaft ist unaufdringlich, aber deutlich. Ich sage: „Klasse! Da braucht man nicht mehr umständlich nachzudenken.” Wieder mal einer, der mitdenkt.

      Er schaut sich meine Weste genau an, denn sie gefällt ihm, und er will sich auch so eine machen.

      Zulauf

      Inzwischen wird überall geredet und zu uns hergeschaut. Und dann sammeln sich auf einmal zehn, zwölf Männer, kommen heran, stellen sich um uns herum und pissen uns alle zugleich ein. Sie stehen dicht an dicht, vielleicht kann man von außen nicht sehen, was geschieht, aber dann sickert es zwischen ihren Stiefeln hindurch. Ich räkle mich genüsslich. Ich spritze mir meinen Saft auf die Brust. Da fangen ein paar auch an zu wixen und spritzen den ihren dazu. Es ist schön, ein Schwein zu sein!

      Die Skinheads von nebenan brechen auf. Der Ami ist schon eher verschwunden. Nun schaut der Spanier schüchtern zu uns her. “Come here, if you like.” Er strahlt, hockt sich neben uns, heißt Rico und tut, als ob er nicht merkt, dass er in einer Pisspfütze kauert. “We will stay here some more time. Lay down.” Er legt sich neben