Ich will brennen. Jasmin Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jasmin Winter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754960738
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außen hin hart und wild, war aber innerlich weiterhin schüchtern und auf dem Gebiet der Intimität nach wie vor unerfahren. Mein Selbstbewusstsein profitierte aber dennoch davon: ein älterer, attraktiver Typ zeigte Interesse an mir! Am Ende dieser Woche stand der 21. Geburtstag von Vincent an, zu dem wir eingeladen waren. Markus, Miri, ich und besagter Dani, der übrigens bereits 23 war; damals für mich quasi uralt. Das wichtigste an diesem Abend war für mich, den tollen Vincent zu bewundern. Der Geburtstagsumarmung habe ich sehr entgegengefiebert und auch die Gespräche waren schön. Aber er hatte ja zu diesem Zeitpunkt eine Freundin und ich war mit meinem 23-jährigen Ex-Knacki da. Irgendwann habe ich mir mit Miri so richtig die Kante gegeben. Unser gemeinsamer Tequila-Absturz an diesem Abend sorgte noch lange für Gesprächsstoff. Ein Freund von Vincent schenkte uns einen Kurzen nach dem anderen ein, die wir ohne viel nachzudenken einfach hinunterstürzten. Dieser Freund und wir beide trafen uns dann wieder im Badezimmer, um uns zu übergeben. Gleichzeitig hingen wir alle drei über Kloschüssel, Badewanne und Waschbecken. Was musste das für ein grandioses Bild gewesen sein! Außerdem habe ich auf dieser Party auch zum ersten Mal Bong geraucht. Ich war sehr stolz auf mich, dass ich diese wichtige Hürde für mein neues Rebellen-Leben so gut gemeistert habe! Völlig erschöpft fiel ich auf dem Wohnzimmerboden von Vincent – in den Armen von Dani – in einen unruhigen Halbschlaf. Wie im Delirium höre ich noch Gesprächsfetzen der anderen Partygäste: „Ja! Schon krass: 15 Tequila! Und auch das erste Mal gekifft.“

      Die nächste Woche habe ich versucht, mit Dani eine „Beziehung“ zu führen. Im Nachhinein betrachtet erscheint das Ganze völlig lächerlich. Er hat mich nie wirklich interessiert, war vielmehr ein Symbol geworden gegen meine Eltern, gegen Miri und überhaupt für meine Freiheit. Ein paarmal haben wir uns getroffen und dann kam der Kontakt auch nicht mehr zu Stande. Die nächste Geburtstagsfeier im Freundeskreis fand dann auch schon ohne Dani statt. Dafür war aber Vincent dabei und ich fing wieder an, für ihn zu schwärmen. Es war ein schöner Abend und wir haben dann zu viert ein Zimmer geteilt: Miri und Markus im Bett, ich und Vincent auf der Schlafcouch. Puh, war ich aufgeregt! Wir haben uns sehr angestrengt, uns nicht in die Quere zu kommen und am nächsten Morgen haben wir uns auch noch alleine unterhalten. Sehr harmonisch und ich total geflasht: sein Oberkörper mit den Tattoos, die Dreadlocks, seine Piercings... ich war hin und weg!

      Aber dann zu Hause angekommen, sollte sich einiges ändern. Meine Eltern hatten die Geschichte mit der Sturmfrei-Party in den vergangenen Ferien herausgefunden. Aufgeflogen war das Ganze, weil zwei dumme Freundinnen meines Cousins in der Küche mit rohen Eiern geworfen hatten. Die Spuren hatten sich nicht vollständig beseitigen lassen und führten nun dazu, dass alles ans Licht kam. Mein Vater bereitete mir die Hölle auf Erden. Das erste und einzige Mal in meinem Leben hatte ich Hausarrest und wurde gedemütigt. Ausgestoßen als schwarzes Schaf der Familie. Er nötigte mich sogar, einen ausführlichen Bericht über meine Woche allein zu Hause zu verfassen. Ohne Lügen und mit allen Details. Sollte er bekommen. Es schien ihm aber dennoch zu harmlos und meine Eltern hackten immer wieder darauf herum, dass man es überprüfen könne, ob ich noch Jungfrau sei. War ich übrigens auch noch. Zu guter Letzt wurde mir mein Handy abgenommen. Das war erst einmal das Ende meiner Sozialkontakte, ich isolierte mich und lebte zurückgezogen – die Ausnahme bestand im Gang zur Schule, denn da musste ich schon noch hin.

      Kapitel 6

      „Now I´m stronger than yesterday!“ - Britney Spears

      In meiner Hausarrest-Zeit konzentrierte ich mich soweit es ging auf die Schule. Auf das Konzert unserer lokalen Lieblingsband durfte ich dann aber nach vielem Betteln doch gehen. So herzlos waren nicht einmal meine Eltern! Nach ungefähr einem Monat in der Isolation fing ich mit heimlichen Happy Rock-Besuchen an und griff mein Party-Leben wieder auf. Offiziell wollte ich nur einen gemütlichen Mädels-Abend bei Miri genießen. Vincent schien vergessen, ich konzentrierte mich auf oberflächliche Eroberungen und fand es besonders prickelnd, dabei gesehen zu werden. Unter anderem widmete ich mich leidenschaftlichen Knutschereien auf der Tanzfläche mit meinem quasi „Ex-Freund“ Dani und genoss es, beobachtet zu werden. Damit ging ich als „böses Mädchen“ durch und gewann an Bekanntheit, wobei mir egal war, ob diese neue Aufmerksamkeit, die ich erfuhr, negativ oder positiv war. Hauptsache irgendeine Form von Aufmerksamkeit!

      Um meinem neuen „Ich“ die Krone aufzusetzen und meine innere Verwandlung auch äußerlich sichtbar zu machen, hatten Miri und ich beschlossen, dass wir uns Dreadlocks machen lassen würden. Wir beide: zuerst sie und das Wochenende darauf dann auch ich. Wir fanden das eine sehr gute Idee und schafften es sogar, unsere Eltern davon zu überzeugen. Immerhin waren wir beide erst 16! Die Verwandlung vollzog kein geringerer als – tada! - Vincent. Der begehrenswerte, heiße Vincent, der mich noch immer faszinierte. Bereits am Nachmittag war ich bei Vincent und er fing an, mir die Dreads zu machen. Ich genoss es wirklich, mit ihm allein zu sein... später kam dann auch Miri und hatte schlechte Laune. Jeden noch so aufkeimenden Streit konnte ich aber wieder ersticken und in Harmonie umlenken durch Lachen über einen unserer berühmten „Insider“. Abends waren die Dreads dann fertig, ich sah aus, als hätte ich einen fluffigen Pudel auf dem Kopf. Aber ich war glücklich über meine Verwandlung: endlich nicht mehr das brave Mädchen mit den langen, glatten blonden Haaren! Nachdem noch weitere Freunde von uns gekommen waren, gab es Abendessen und ein gemütliches Beisammensein. Die Situation mit Miri war irgendwie angespannt und ich wusste aber nicht, wieso. Es war nichts vorgefallen und ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, warum sie so schlecht drauf war. Als wir dann alleine waren, fragte ich sie, was denn los sei und dann platzte die Bombe: ich würde sie nerven, sie „packe“ mich nicht mehr, schließlich seien wir nicht verheiratet, sie habe jetzt Markus und brauche mich nicht mehr. Puh. Was war denn das? Ich konnte mich überhaupt nicht äußern und war fix und fertig. Was sollte das? Schließlich waren wir seit über zwei Jahren beste Freundinnen und hatten so ziemlich alles geteilt, was man sich nur vorstellen kann! Wir hatten gemeinsam unsere Pubertät durchlebt und unglaublich viel miteinander durchgestanden. Zahlreiche verrückte und einmalige Erlebnisse, waren durch dick und dünn gegangen. Sie war immer die Heldin und ich stand in ihrem Schatten. Was störte sie jetzt plötzlich daran? Ich verstand es nicht und ging erschöpft schlafen, nachdem ich etwas Trost bei Vincent gefunden hatte. Am nächsten Morgen ließ ich mich, ohne mich zu verabschieden, von meiner Mutter abholen. Die darauffolgenden Tage waren wie ein schlimmer Kater. Ich wollte nicht wahrhaben, dass dieser Streit wirklich passiert ist und unsere Freundschaft zu Ende ist. Andererseits erweckte der verletzte Stolz auch eine Trotzreaktion in mir. Ich fühlte mich stark, so stark wie nie. Nun war ich frei und unabhängig und mein veränderter, coolerer Style, unterstrich diese Tatsache. Ich fing an, allein wegzugehen und suchte mir neue Freunde, mit denen ich von nun an meine Zeit verbrachte. Es tat mir wirklich gut, endlich eine eigenständige Persönlichkeit zu sein. Ich bin aus dem Schatten ins Licht hervorgetreten und wurde endlich gesehen. Miri versuchte hin und wieder, mich „zurückzugewinnen“, aber ich wollte nicht mehr. Ich wollte jetzt mein eigenes Leben fühern und nicht mehr ihre persönliche Sklavin sein. Von diesem Zeitpunkt an suchte ich meine Freunde selbst aus und entschied auch allein, was ich unternehmen würde und mit wem. Das war das Ende unserer siamesischen Mädels-Freundschaft. Es sollte nie mehr so werden, wie es war.

      So kam es, dass ich in diesem Sommer, der nun folgte, viel unterwegs war und neue Leute kennenlernte und schließlich eine Beziehung mit einem netten und anständigen 19-jährigen Jungen einging. Er hatte gerade sein Fachabitur in der Tasche und musste ab Oktober seinen Dienst bei der Bundeswehr antreten. Es war schön mit ihm, wir verbrachten eine angenehme Zeit miteinander, gingen ins Kino und auf Feste, die es im Sommer haufenweise gibt. Ziemlich schnell war mir aber klar, dass es auf eine Freundschaft hinauslaufen würde, weil ich keine Gefühle entwickeln konnte. Zeitgleich hatte auch Vincent eine neue Beziehung und somit standen wir nur wenig in Kontakt. Dennoch fand ich einen Weg, wie ich ihn – gemeinsam mit meinem Freund natürlich – auch außerhalb verschiedener Veranstaltungen treffen konnte. Wir besuchten ihn hin und wieder, damit er meine Dreadlocks pflegen konnte. Ich fühlte mich in seiner Nähe unglaublich wohl und freute mich darüber, dass sich die beiden Jungs recht gut verstanden. Auf den verschiedenen Events mit Bands und natürlich in meinem geliebten Happy Rock genoss ich weiterhin mein neues Leben in vollen Zügen. Ich tanzte, trank und guckte mir die Jungs an. Dass ich meine Beziehung früher oder später beenden