Liebesgeschichten des Orients. Franz Blei. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Blei
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748581192
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wie eine Perle in der Stadt geglänzt hatte. Da erkannte die Kurtisane den einst Geliebten und sprach mit verhauchender Stimme:

      »Upapusta, da mein mit Gold und Seide geschmückter Leib süß war wie der Johu, da habe ich Unglückliche dich vergeblich erwartet. Als ich Verlangen einflößte, bist du nicht gekommen. Upapusta, Upapusta, warum kommst du jetzt, wo mein blutender, verstümmelter Leib nichts weiter ist als Gegenstand des Ekels und des Grauens.«

      Da antwortete Upapusta mit weicher Stimme: »Meine Schwester Vasavadatta, in den schnellen Tagen, wo du schön schienest, da wurden meine Sinne vom leeren Scheine nicht verlockt. Ich sah dich bereits mit dem Auge der Schauung so wie du jetzt erscheinst. Ich küsste deinen Leib nicht als ein Gefäß der Laster. Du hast nichts verloren in Wahrheit, Schwester. Weine nicht über die Schatten der Freude und der Lust, welche dich fliehen, laß den schlimmen Traum des Lebens vergehen. Alle Freuden der Erde sind wie spiegelnder Mond im Wasser. Dein Leiden kommt davon, dass du zu viel begehrt hast. Begehre nicht mehr, sei süß zu dir selber und wünsche das Leben nicht mehr – du siehst, wie schlecht es ist. Ich liebe dich. Glaube mir, Schwester Vasavadatta. Gehe ein in die Ruhe.«

      Die Kurtisane hörte die Worte, und da sie ihre Wahrhaftigkeit erkannte, starb sie ohne Verlangen und ging heilig aus dieser Welt.

      Die Dame mit dem weißen Fächer

      Aus dem Chinesischen

      Tschuang-Tsen aus dem Lande Sung war ein Gelehrter, der die Weisheit so weit trieb, dass er allen vergänglichen Dingen entsagte; und da er als ein frommer Chinese nicht an die ewigen Dinge glaubte, so blieb ihm zur Zufriedenheit seiner Seele nichts sonst als das Bewusstsein, den gemeinen Irrungen der Menschen nachzugehen, die da tätig sind, um Reichtümer zu gewinnen oder leere Ehren. Aber es muss diese Befriedigung eine sehr tiefe gewesen sein, denn Tschuang-Tsen wurde nach seinem Ableben selig gepriesen und des Neides würdig befunden. Nun hatte er, während der irdischen Tage, wo ihm die unbekannten Genien der Welt unter einem grünen Himmel zu spazieren erlaubten zwischen blühendem Bambus und Weiden, da hatte, sage ich, Tschuang-Tsen die Gewohnheit angenommen, träumerisch durch das Land zu wandeln, in dem er lebte ohne zu wissen, warum und wozu. Als er eines Morgens so dahin schritt an den blumigen Hängen des Gebirges Namhoa, fand er sich auf einmal mitten auf einem Friedhof, wo die Toten nach Landesbrauch unter einem kleinen Hügel aus Backsteinen ruhen. Beim Anblick der endlosen Gräberreihen dachte der Gelehrte über die Bestimmung des Menschen.

      »Dahin also führen, in diese Sackgasse, alle Wege des Lebens. Und man kommt nicht wieder an den Tag, hat man einmal hier Platz genommen.«

      Nun, dies ist kein ungewöhnlicher Gedanke, aber er enthielt doch alles, was Tschuang-Tsen mit seiner Philosophie denken konnte. Und da er zu gebildet war, forderte er von dem roten Drachen aus Porzellan, der über dem Tore zum Friedhof lag, keinen Trost. Während er nun so denkend durch die Gräberreihen wandelte, begegnete er plötzlich einer jungen in Trauer gekleideten Dame, denn sie trug ein langes weißes Kleid aus grobem Stoff. Sie saß an einem Grabe und bewegte ihren Fächer über der noch frischen Erde des Hügels.

      Neugierig, was solches bedeuten möge, grüßte Tschuang-Tsen die junge Dame höflich und sagte:

      »Erlaubt, junge Frau, die Frage, wer unter diesem Hügel ruht und weshalb Ihr Euch so viel Mühe gebt, die Erde des Grabes zu fächeln? Ich bin ein Philosoph und suche die Gründe, und der Grund für Euer Tun entgeht mir.«

      Die junge Frau hörte zu fächeln nicht auf. Sie errötete, senkte das Haupt und flüsterte einiges, was der Weise nicht verstand. Er wiederholte noch ein paarmal seine Frage, aber es war vergeblich. Die Dame beachtete ihn nicht weiter, und es schien ihre Seele ganz in der Hand zu sein, welche den Fächer bewegte.

      Tschuang-Tsen entfernte sich mit Bedauern. Wenn er auch vom Wahne alles Tuns überzeugt war, so neigte er doch dazu, die Gründe dieses Tuns zu suchen, insbesondere die der Frauen.

      Und die kleine Frau am Grabe erregte seine lebhafteste Neugier. Er ging weiter, nicht ohne sich wiederholt umzusehen und immer den lebhaft bewegten Fächer zu gewahren, der wie ein Schmetterling tat. Da machte ihm eine alte Frau, die er zuvor nicht gesehen hatte, ein Zeichen, ihr zu folgen. Er trat zu ihr in den Schatten eines Grabhügels, und sie sagte zu ihm:

      »Ich hörte, wie Ihr meiner Herrin eine Frage stelltet, die sie nicht beantwortete. Ich will Euch Antwort geben aus Höflichkeit und für ein weniges, damit ich mir vom Priester Gebetstreifen zum Verbrennen kaufen kann, auf dass ich lange lebe.«

      Tschuang-Tsen zog seine Börse und gab der Alten ein Geldstück.

      »Die Dame dort am Grabe ist Frau Lu, die Witwe eines Gelehrten namens To, der vor einer Woche an einer langen Krankheit gestorben ist. Sie kniet an ihres Gatten Grab. Sie liebten einander sehr zärtlich. Selbst auf dem Sterbebett konnte sich Herr To nicht entschließen, sein Weib zu verlassen, denn es war ihm unerträglich, dass sein Weib in der Blüte ihrer Jahre auf der Welt bleiben sollte. Aber da er sanften Wesens war, so fand er sich endlich damit ab und unterwarf seine Seele der Notwendigkeit. An seinem Lager saß während seiner langen Krankheit Frau Lu und versicherte ihm unter Tränen, dass sie ihn nicht überleben und seinen Sarg teilen werde, wie sie sein Bett geteilt habe. Aber da sagte Herr To:

      ›Verschwöre das nicht, liebe Frau.‹

      ›Nun denn, wenn ich dich schon überleben muss,‹ sagte die Frau, ›wenn ich von den Geistern schon verurteilt bin, das Licht des Tages zu sehen, da ich dich nicht sehe, so wisse, dass ich nie die Frau eines anderen werden werde, und dass ich nur einen Gatten hatte, wie ich nur eine Seele habe.‹

      Aber Herr To sagte:

      ›Schwöre das nicht, liebe Frau.‹

      ›Dann, lieber Mann, laß es mich für fünf Jahre beschwören!‹

      ›Schwöre das nicht, Frau Lu. Und schwöre nur dieses, dass du meinem Andenken so lange treu sein wirst, als die Erde auf meinem Grabe noch nicht trocken.‹

      Frau Lu tat einen großen Schwur, und der gute Herr To schloß für immer die Augen. Die Verzweiflung von Madame kannte keine Grenzen. Tränen verzehrten ihr die Augen. Mit den Nägeln zerriß sie sich die zarten Wangen. Aber alles hat ein Ende. Drei Tage nach Herrn Tos Tode wurde der Schmerz von Frau Lu menschlicher. Ein junger Schüler des Herrn To drückte das Verlangen aus, die trauernde Witwe in ihrem Leid zu trösten. Und sie schloß mit Recht, dass sie diesen Besuch nicht abschlagen könne. Sie empfing ihn seufzend. Der junge Mann war sehr vornehm und hübsch; er sagte ihr, dass sie reizend sei und wie er fühle, dass er sie liebe. Sie ließ es ihn sagen. Er versprach wiederzukommen. Und in Erwartung seines Besuches sitzt Frau Lu am Grabhügel ihres Mannes, wie Sie sie gesehen haben, und bringt den ganzen Tag damit zu, die Erde des Grabes mit ihrem Fächer zu trocknen.«

      Als die Alte ihren Bericht geendet hatte, dachte Tschuang-Tsen:

      »Die Jugend währt kurze Zeit. Der junge Adler der Begierde leiht den jungen Frauen und Männern seine Flügel. Schließlich ist Frau Lu eine anständige Frau, die ihren Mann nicht betrügen will.«

      Der Yogi Vasava

      Aus dem Sanskrit

      Auf dem Berge Kotikuta wohnte einstens ein Yogi namens Vasava. Er zog bettelnd in der Stadt und auf den Landstraßen umher, wobei er immer die Worte sprach: »Keusche Frau, keusche Frau! In unserm Haus ist eine keusche Frau!«

      Der Minister Sura, des Königs Stadthalter, bewirtete einst diesen Yogi und erriet aus seinen Worten, Blicken und Gesten, dass Vasava eine Frau hatte, von deren Treue er tiefst überzeugt war in seiner Einfalt, da er nicht wusste, wie es die Weiber treiben. Der Stolz und Hochmut des Yogi ärgerte den Regenten; er ließ durch seine Kundschafter feststellen, wo er wohne, ließ sich die Tür, und wie sie zu öffnen, genau beschreiben.

      Andern Tages begab sich Sura, schön gekleidet, zur Stunde, da der Yogi sein Haus verlassen hatte, vor dieses und gab das Zeichen, von dem er wusste, dass es das Zeichen des Yogi sei. Die Frau öffnete und der Minister trat in die Höhle.

      »Wer