Feine Damen. Kriminalroman. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748568650
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auf jeden Fall…

      „Leander, ich hatte heute eine E-Mail von deiner Schule“, verkündete der Vater in diesem Moment.

      Pat prustete in ihre Suppe.

      „Wieso du?“, fuhr Claudia auf.

      „Der Aussage dieser Frau Suttner zufolge, weil du auf ihre Mails nicht reagiert hast. Ich höre also, dass Leander nur recht unregelmäßig am Unterricht teilnimmt. Leander?“

      „Fällt doch dauernd aus“, murmelte der.

      „Nein, ganz offensichtlich nicht. An der Mail hing eine Liste sämtlicher Fehlzeiten. Siebenundzwanzig Tage und hundertvierundvierzig einzelne Stunden. Du schwänzt also.“

      „Das ist in der Oberstufe doch ganz normal.“

      „Nein, ist es nicht. Wenn das erlaubt wäre, würde die Schule nicht so sorgfältig über deine Fehlzeiten Buch führen. Frau Suttners Hinweis war auch recht interessant, dass man in den letzten Jahren fast bei allen, die durchs Abitur gefallen sind, eine sehr lückenhafte Anwesenheit feststellen konnte. Und ganz ehrlich, mein Sohn – dass du ein Genie wärst, ist mir bisher noch nicht direkt aufgefallen. Du wirst also etwas Fleiß aufwenden müssen – und dazu regelmäßig am Unterricht teilnehmen. Mit sofortiger Wirkung hast du übrigens Attestpflicht.“

      „Das darf die gar nicht!“, fuhr Claudia auf, während ihr Söhnchen mürrisch dreinsah.

      „Doch, darf sie“, antwortete der Vater. „Wer, wenn nicht sie, sollte das denn entscheiden? Mit später kommen und zum Ausgleich früher gehen ist jetzt nichts mehr. Wenn du die Schule früher verlässt, gehst du auf der Stelle zum Arzt.“

      „Und der nimmt dir dann immer wieder mal ein bisschen Blut ab“, prophezeite Coco.

      Leander erbleichte.

      „Warum das denn?“, wollte Pat wissen, die als frischgebackene Abiturientin natürlich über Fehlzeiten erhaben war.

      „Na, man muss dieser Schulschwäche doch auf den Grund gehen? Vielleicht ist es Blutarmut? Oder sonst eine Krankheit? Da bräuchtest du doch eine Therapie?“

      Leander murmelte etwas, was wie „Blöde Weiber“ klang. Sein Vater fuhr auf: „Du isst jetzt in der Küche weiter. Dein Benehmen ist unter aller Kanone.“

      Leander trollte sich murrend.

      Claudia sah giftig in die Runde. „Ihr habt den armen Jungen provoziert! Aus lauter Missgunst!“

      „Ach“, entgegnete Jack, „was sollten wir ihm denn neiden? Seine Manieren? Dass er immer noch zur Schule geht? Möchte eine von euch etwa noch mal in die Pubertät zurück?“

      Ihre Schwestern lachten abwehrend.

      „Er ist der Sohn und Erbe!“, triumphierte Claudia, was ihren Mann verblüfft blinzeln ließ.

      Coco prustete in ihren halbleeren Teller. „Hast du das aus einer deiner geliebten Seifenopern? Vielleicht liest du mal nach, was das bundesdeutsche Erbrecht tatsächlich vorsieht.“

      „Was?“

      Dr. Martens nickte. „Caroline hat vollkommen Recht. Alle erben zu gleichen Teilen. Ich hätte Leander durchaus gerne zu meinem Nachfolger, aber dazu braucht er ein anständiges Abitur und entweder ein BWL-Studium oder eine gute Ausbildung zum Immobilienkaufmann. Und das sehe ich noch lange nicht!“

      „Ach, du möchtest ihn wohl lieber enterben und deine gierige Tochter zu deiner Nachfolgerin machen?“

      „Das verbitte ich mir“, warf Coco kalt ein, „ich bin mitnichten gierig und mit meiner Position bei Immomax sehr zufrieden. Nach Crommer ist das immerhin der zweitgrößte Immobilienmakler in Leisenberg.“

      „Heuchelei“, murmelte Claudia und beobachtete kritisch, wie Frau Mohr eine Bratenplatte, eine Schüssel Salzkartoffeln und eine Platte mit grünen Bohnen auf den Tisch stellte und die Suppenterrine im Gegenzug abräumte.

      „Glaub doch, was du willst.“

      „Mit dem, was du hier am Essen sparst, kannst du Leander dann ja eine eigene Firma kaufen“, kommentierte Hel mit kritischem Blick auf den Hauptgang. „Das reicht doch schon wieder nicht für alle!“

      „Wirklich, Claudia, etwas wenig scheint es schon zu sein“, merkte auch Michael Martens an.

      „Ihr habt wohl extra das Mittagessen eingespart?“, fuhr Claudia ihre Stieftöchter an und tat sich selbst großzügig Braten und Kartoffeln und erheblich weniger Gemüse auf.

      „Nehmt euch selbst“, forderte sie die anderen auf.

      „… wenn es unbedingt sein muss. Nächstes Mal bringe ich mir eine Leberkässemmel mit“, murmelte Jack. Pat kicherte. „Regt euch nicht auf, ich sehe schon von weitem, dass die Bohnen matschig sind. Und die Bratensauce ist mit Mehl angedickt. Sieht man ja schon an der Farbe. Also, da koche ich ja besser!“

      „Willst du das übernehmen?“

      „Was würdest du denn zahlen?“

      „Zahlen??“ Das klang regelrecht entsetzt.

      „Logisch. Gute Arbeit ist auch gutes Geld wert und wie wir vorhin schon festgestellt haben, sind Hausangestellte wirklich teuer. Sagen wir, netto dreitausend plus Kost und Logis?“

      Hel und Jack prusteten und Coco grinste breit.

      Claudia blinzelte benommen. „D-dreitausend? Bist du wahnsinnig? So gierig wie diese drei dort? Außerdem habe ich das vorhin natürlich nicht ernst gemeint, du kannst doch nicht ernsthaft Köchin werden wollen?“

      „Warum denn nicht?“

      „Ich bitte dich, Patricia! Eine Patricia Martens aus Waldstetten wird doch nicht Köchin!“

      „Warum nicht?“, wollte Jack wissen.

      „Dass ihr für gesellschaftliche Nuancen kein Gespür habt, wundert mich nun nicht.“

      „Die Fünfziger lassen grüßen“, spottete Coco und schob ihren Teller von sich. „Der Braten ist übrigens kräftig versalzen, offenbar ist Frau Mohr schwer verliebt.“

      „Stimmt!“ Pat und Hel stellten das Essen ebenfalls ein. Der Hausherr beobachtete das Dauergezänk halb amüsiert, halb gereizt, essen tat er aber auch nicht mehr.

      „Wir könnten zum Markt fahren und im San Carlo noch ein nettes Eis essen“, schlug Hel vor.

      Das hielten alle Mädchen für eine sehr gute Idee; Claudia schnaufte natürlich entrüstet. „Und der Dialog von Früchten?“

      „Du meinst, Obstpampe über den Teller geschmiert?“, entgegnete Coco und wartete interessiert auf die Reaktion, die prompt kam: „Ihr seid solche Banausinnen! Das ist das angesagte Dessert!“

      „Ja, in den Achtzigern. Hab ich schon mal gelesen. Du hast Zurück zur Natur verpennt“, behauptete Jack sofort und Pat ergänzte: „… neben ungefähr dreißig anderen Trends.“

      Claudia ließ schon wieder vor lauter Ärger ihr Besteck fallen und Bratensauce gesellte sich zu den Suppenflecken auf ihrer Seidenbluse.

      „Michael! Sag doch auch mal was! Deine Töchter sind so schlecht erzogen!“

      „Unsere gemeinsame Tochter ist kein Quäntchen besser, meine Liebe“, war die gleichmütige Antwort. „Du lieferst einfach unwiderstehliche Steilvorlagen, da darfst du dich nicht wundern.“

      Das war offenbar zu viel. Claudia erhob sich, warf ihre Damastserviette in die Bratensauce und rauschte hinaus.

      „Und ihr müsst ja auch nicht auf jede Provokation einsteigen! Oder habt ihr es so nötig, euch eure Überlegenheit zu beweisen?“

      „Wir könnten uns doch einmal ganz normal mit oberflächlicher Höflichkeit unterhalten, ohne Gespinne, das sie aus dem Fernsehen hat, und ohne Gerede darüber, dass wir gierig, unerzogen und eine Riesenenttäuschung sind. Wir fangen schließlich