2145 - Die Verfolgten. Katherina Ushachov. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katherina Ushachov
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742709752
Скачать книгу

      

      2145

      Die Verfolgten

       Roman

      Katherina Ushachov

      Erstausgabe im Dezember 2018

      Alle Rechte bei Katherina Ushachov

      Copyright © 2018

      Katherina Ushachov

      Heidegg 471

      6855 Andelsbuch, Österreich

      https://feuerblut.com

      Teil-Korrektorat/Lektorat: Sean O'Connell, Susanne O'Connell

      Korrektorat: Nora Bendzko

      Coverdesign: May Dawney - https://covers.maydawney.com

      Für alle Verfolgten

      1. Riú Gordon – Washington D.C. – 2127

       Die Au­gen sei­ner Ge­lieb­ten hat­ten die­sel­be Far­be wie der hei­ße, eis­blaue Kern der Ker­zen­flam­me. Riú spür­te ih­ren Blick im Na­cken, doch er dreh­te sich nicht zu ihr um, wäh­rend er sich prus­tend das Ge­sicht im Wasch­be­cken sei­ner her­un­ter­ge­kom­me­nen Stu­den­ten­bu­de wusch.

      »Fa­bi, wenn mein Va­ter es er­fährt …« Sei­ne blon­den Haa­re wa­ren dun­kel vom Was­ser und wirk­ten glat­ter als sie tat­säch­lich wa­ren. Der halb blin­de Spie­gel über dem Wasch­be­cken ließ ihn äl­ter aus­se­hen, mit tie­fen Schat­ten un­ter den Au­gen. Das Eben­bild von Raoul Gor­don.

       Riú ver­deck­te das Spie­gel­bild mit der Hand, als wol­le er Fa­bri­cia vor den Bli­cken die­ses Un­be­kann­ten schüt­zen. Nur noch die schim­mel­fle­cki­ge, sich von den Wän­den schä­len­de Ta­pe­te spie­gel­te sich im schmut­zi­gen Vier­eck über sei­ner Hand­flä­che.

      »Dar­über woll­te ich mit dir re­den.«

       Riú klam­mer­te sich an das Wasch­be­cken. Er wuss­te, was sie ihm sa­gen woll­te.

      »Auch für mich ist das hier nicht ein­fach … Das war un­se­re letz­te ge­mein­sa­me Nacht.«

       Ab­rupt dreh­te er sich um.

      »Du ver­lässt mich?« Sei­ne Au­gen wa­ren wie dunkle Koh­len, fins­ter und glü­hend.

      »Scharf­sin­nig er­kannt.« Fa­bri­cia stand auf und be­gann, ih­re schwar­zen Haa­re zu ei­nem straf­fen Zopf zu flech­ten. Ob­wohl sie leicht wie ein Kätz­chen war, brach­te sie mit ih­rer Be­we­gung das Klapp­bett aus dem vor­letz­ten Jahr­hun­dert zum Quiet­schen. Jetzt stör­te ihn das viel mehr als noch vor we­ni­gen Se­kun­den, als sie …

      »Das wirst du nicht.« Sie stan­den sich ge­gen­über wie Adam und Eva, und erst die­ser ge­dank­li­che Ver­gleich er­in­ner­te Riú dar­an, dass sie ei­gent­lich kein Mensch war.

      »Glau­be mir, es ist bes­ser so.« Sie schlüpf­te in ihr Kleid, stieg in ih­re Schu­he und ver­schwand aus sei­nem Le­ben.

      2. Avriel Adamski – Gordon City – 07.07.2145

      Avri­el ritt auf ei­ner Wol­ke über das Land. Es war Nacht, der Mond schi­en und die Ster­ne voll­führ­ten einen gra­vi­tä­ti­schen Tanz … Men­schen wie er sa­ßen auf ih­ren Wol­ken, sie hat­ten den Tag ver­schla­fen und wa­ren nun hell­wach, ih­re Au­gen leuch­te­ten …

      »Avi, du kannst doch nicht ein­fach so im Un­ter­richt ein­schla­fen!« Va­len­ti­ne stups­te ihn wie­der­holt mit dem Fin­ger an. »Wach doch auf, was hast du die Nacht über ge­macht?« Ein leich­ter Vor­wurf lag in ih­rer Stim­me.

      Avri­el öff­ne­te ein Au­ge und schaff­te es, sei­nen Kopf von den Ar­men zu he­ben, ge­ra­de recht­zei­tig, um dem Blick von Miss March zu ent­ge­hen. Sein ei­ge­ner Blick blieb am Smart­board hän­gen, das aus­nahms­wei­se kei­ne per­ma­nent wech­seln­den Bot­schaf­ten, son­dern ein- und die­sel­be Ani­ma­ti­on ab­spiel­te: Riú Gor­don, der Welt­prä­si­dent, zeig­te mit dem Fin­ger in die Klas­se. Ein Mann von et­was mehr als drei­ßig Jah­ren, mit blau­en Au­gen, leicht zer­zaus­ten, hell­blon­den Haa­ren und ei­nem sym­pa­thi­schen Lä­cheln. »Hilf dei­nem Land, wer­de Mu­tan­ten­jä­ger!«

      Fast al­le aus der Klas­se woll­ten ge­nau das tun. Riú Gor­don wür­de sei­nen Nach­wuchs be­kom­men.

      »Kann ich von dir ab­schrei­ben?«, flüs­ter­te Avri­el Va­len­ti­ne zu.

      Wort­los schob sie ihm ihr Pad zu und er krit­zel­te in sei­ner un­or­dent­li­chen Schnör­kel­schrift No­ti­zen über den Prä­si­den­ten in sein ei­ge­nes elek­tro­ni­sches No­tiz­buch.

      »Wer kann mir sa­gen, wann un­ser großer Prä­si­dent Gor­don zum Ober­haupt der Uni­ted World ge­wählt wur­de?« Miss March blen­de­te ein Fo­to des jun­gen Prä­si­den­ten auf dem Smart­board ein.

      Va­len­ti­ne hob ih­ren Smart­pen.

      »Miss Spring­field?«

      »Nach der Er­mor­dung des vo­ri­gen Prä­si­den­ten Raoul Gor­don wäh­rend sei­ner Wahl­kam­pa­gne für die glor­rei­che AMP am 30. Ja­nu­ar 2133 über­nahm Riú Gor­don das Amt des Par­tei­ober­haupts. Er wur­de am 20. März 2133 ver­ei­digt.«

      »Sehr gut, Miss Spring­field.« Miss March no­tier­te et­was auf ih­rem Pad.

      Avri­el warf Va­len­ti­ne einen Sei­ten­blick zu.

      Sie saß ker­zen­ge­ra­de da und glüh­te vor Stolz. Son­nen­licht ver­fing sich in ih­ren hell­brau­nen Haa­ren und er er­tapp­te sich bei dem Ge­dan­ken, sie die gan­ze Stun­de über an­star­ren zu kön­nen.

      Der Un­ter­richtss­toff war un­wich­tig ge­wor­den.

      Nach der Stun­de gin­gen die zwei zu­sam­men auf den Hof.

      »Was ist nur los, Avi? Du schläfst fast je­den Tag im Un­ter­richt. Was stellst du im Wai­sen­haus denn nachts an?«

      Er gähn­te aus­gie­big. »Ich kann nachts nicht schla­fen, ich wer­de ei­gent­lich abends erst wach. Im Som­mer hin­ge­gen könn­te ich nur schla­fen …« Es war Hoch­som­mer, er wür­de sich noch lan­ge da­mit quä­len müs­sen.

      Va­len­ti­ne run­zel­te die Stirn. »Da kann et­was nicht stim­men, Avi. Glaub mir.«

      Sie war ihm noch nie so zart und zer­brech­lich vor­ge­kom­men wie jetzt. Und da­bei wuss­te er, dass sie ver­such­te, stark zu sein.

      »Avi, wir ha­ben das im Bio­lo­gie­un­ter­richt bis zum Er­bre­chen wie­der­holt, du weißt, wo­von ich re­de.« Va­len­ti­ne schau­te in ei­ne an­de­re Rich­tung. Zer­streut strich sie sich nicht vor­han­de­ne Haa­re aus dem Ge­sicht und seufz­te.

      »Du glaubst, ich bin ein …«

      Doch sie ließ ihn nicht aus­re­den. »Still, willst du er­schos­sen wer­den?«

      Er at­me­te hör­bar ein. Sei­ne Hän­de zit­ter­ten.

      »Du wirst bald sieb­zehn, in dem Al­ter wer­den die Merk­ma­le erst­ma­lig so stark, dass du … dass du … bald je­man­den an­grei­fen wirst.« Sie ver­steck­te ihr Ge­sicht hin­ter ih­rem lan­gen Pfer­de­schwanz.

      »Und wenn das al­les nicht stimmt? Wenn ich nur die Som­mer­grip­pe ha­be?«

      »Seit meh­re­ren Mo­na­ten?«

      »Ir­gend­wel­che For­scher ha­ben nach­ge­wie­sen, dass Tee­na­ger einen an­de­ren Tag-Nacht-Rhyth­mus …«

      »Fühlst du dich nie krank, als wä­re dein Kör­per ganz schwer?«

      »Ich sag­te doch, ver­mut­lich ei­ne Som­mer­grip­pe …«

      »Avi.« Sie