Unvergängliches Blut - Sammelband. S.C. Keidner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: S.C. Keidner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748595472
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sich des Nachts vor den Vampiren versteckt.«

      »Ich habe dieses Paar, dem die Vorräte ausgegangen sind, belauscht. Die haben genau das getan. Aber sie hatten den Fluss verloren und von dem, was sie sagten, schien es, als versteckten sie sich ausgerechnet in Höhlen vor Vampiren.«

      Venor schnaubte abfällig. »Es würde mich nicht wundern, wenn die inzwischen versklavt sind.«

      »Sind sie«, sagte Rodica düster. »Nachdem ich sie belauscht hatte, sind sie weitermarschiert. Es war schon Nacht und sie haben sich laut gestritten. Dann habe ich Pferde und Männerstimmen gehört. Die Frau hat laut geschrien.« Sie schüttelte sich bei der Erinnerung an jene Nacht. »Ich nehme an, sie haben sie mitgenommen.«

      »Sich nachts im Stammesgebiet laut zu streiten, ist an Dummheit nicht zu überbieten.« Venor reichte ihr noch ein Stück Fleisch. »Hier, nimm. Ich habe reichlich.«

      »Danke. Es ist eine Fügung der Götter, dass ich dir begegnet bin!«

      »Es klingt danach, dass du auch ohne mich gut zurechtkommst. Wenn du magst, dann übernachte hier.«

      »Das Angebot nehme ich gerne an. Lass mich dir als Gegenleistung einen Tee aus den Kräutern kochen, die hier wachsen. Er wird dir schmecken.«

      Rodica verließ Venors Lager am nächsten Morgen. Der Fallensteller beschrieb ihr den Weg zu dem Weiler, den sie vorgeblich zum Ziel hatte, und die Lage des Hauses der Ewigen. Dann verabschiedeten sie sich herzlich. Trotz der anstrengenden Kletterei über die Felsen war sie guten Mutes. Sie hatte einen ordentlichen Vorrat an Räucherfleisch dabei. Es waren nur noch etwa fünfzehn Tagesmärsche bis zu den Ewigen.

      Die Felsenlandschaft fand ein Ende, als die Bäume höher und die Felsbrocken seltener wurden. Wieder nutzte sie Wildpfade, die Venor ihr genannt hatte, und umging den Weg am Fluss. Als der Fluss sich einige Tage später in mehrere Arme teilte, war sie froh, dass sie sich schon im Gebirge auf die südliche Seite des Stromes begeben hatte. Sie hätte ihn hier nicht mehr überqueren können, da er zu breit geworden war. Umzukehren und nach einer Furt zu suchen, hätte wertvolle Zeit gekostet und sie zurück ins Stammesgebiet gebracht. Jetzt war es ein Einfaches, dem südlichsten Flussarm zu folgen. Einen Weg gab es zwar nicht, aber der Wald war licht, sodass sie schnell vorankam.

      Als sie eines späten Morgens eine Flussbiegung hinter sich gebracht hatte, sah sie eine bewaldete Anhöhe. Da oben musste das Haus der Ewigen liegen! Sie würde es nicht sehen können, hatte Venor gesagt, weil es zwischen Bäumen versteckt lag, aber seine Beschreibung passte auf den Hügel.

      Rodica rannte fast, musste dann aber langsamer gehen, weil sie durch das Kind zu schwerfällig geworden war. Es war gut, dass ihre Wanderung ein Ende fand. Das Wissen, dass sie sich dem Ziel, der Rettung, näherte, hatte ihr Auftrieb gegeben, aber in den letzten Tagen spürte sie immer häufiger, wie ihre Kraft nachließ und ihr das Laufen schwerer fiel als noch vor einem Mond.

      Sie keuchte, als sie unter Bäumen den Hügel hinauflief. Obstbäume, wie sie erkannte, an denen erste grüne Früchte hingen, Äpfel, Birnen, Pflaumen. Dann ein verwilderter Garten. Und endlich stand sie vor einer Mauer. Sie legte die Hand auf die Steine und hätte vor Erleichterung beinahe geweint. Sie war angekommen!

      Um das Tor zu finden, wanderte sie an der Mauer entlang. Bis auf den Gesang der Vögel war es still. Sie hätte das Wiehern von Pferden, Hundegebell und das Meckern von Ziegen erwartet. Rufe, Gelächter.

      Sie kam zum Torbogen. Ein Tor gab es nicht. Zwischen den Steinen des Weges, der durch den Bogen lief, wuchsen Gras und Wildblumen. Das Kopfsteinpflaster des Hofs war überwachsen, die Fachwerkhäuser, die von der Mauer geschützt wurden, Ruinen mit eingefallenen Strohdächern und windschief dastehenden Balken, die in den von Federwolken bedeckten Himmel ragten. Krähen flogen laut krächzend von der Mauer, dem einzig nicht zerstörten Bauwerk, auf.

      Sie stand erst nur da, hatte Schwierigkeiten zu erfassen, was sie sah.

      Das Haus des Bundes der Ewigen war eine Ruine. Sie ging langsam, schwerfällig, zu den Häusern, trat in eines ein. Wasser stand auf dem steinernen Boden und an einem Fenster wuchs eine Schlingpflanze hinein. Möbel gab es keine, selbst alte, zerbrochene nicht. Hinten im Haus fand sie einen steinernen Herd, in dem lange kein Feuer mehr gebrannt hatte. Wie betäubt ging sie in das nächste Gebäude, das einmal eine Halle gewesen war und jetzt nur noch aus Außenwänden bestand. Das Strohdach hatte sich auf dem Boden verteilt und Gräser wuchsen aus ihm. Die Stallungen und Schuppen waren zerstört, genau wie eine Hütte, von der eine gemauerte rußgeschwärzte Feuerstelle vermuten ließ, dass sie eine Schmiede gewesen war. Alles leer. Ihre Beine gaben nach und sie sank auf die Feuerstelle. Die Ewigen waren fort.

      Sie blieb über Nacht in den Ruinen. Hier unterzuschlüpfen erschien ihr genauso richtig oder falsch, wie sich einen Baum zum Übernachten zu suchen. Venor hatte gesagt, dass es in dieser Gegend kaum Vampire gab. Und selbst wenn. Es war ihr gleich. All die Zeit, seit sie von ihrem Kind wusste, bis zu ihrer Ankunft in den Ruinen, hatte sie das Haus des Bundes der Ewigen als Rettung vor Augen gehabt. Hatte gedacht, dass ihr Kind und sie hier Schutz fanden. Jetzt sah es aus, als ob sie in der Wildnis niederkommen würde und keinen Ort hatte, wo sie den Winter verbringen konnte, geschweige denn in der Lage war, sich Vorräte anzulegen. Sie hatte ihr Kind schützen wollen und nun war es genauso in Gefahr zu sterben wie auf D’Aryun. Was sollte sie machen?

      Einen wilden Augenblick lang stellte sie sich vor zu bleiben. Es gab Obstbäume und den verwilderten Garten. Sie konnte Gemüse anbauen und ernten. Fallen stellen. Vorräte anlegen.

      Sie lachte laut auf. Es war Sommer. Der Garten war nicht bestellt worden. Falls dort Gemüse wuchs, wäre das reiner Zufall. Ob es für einen Winter reichte, war fraglich. Obst war genug da. Die Bäume trugen reichlich. Aber sie würde die Arbeiten allein machen müssen. Das Laufen war schon jetzt beschwerlich, von Unkraut ausrupfen oder Äpfel ernten konnte nicht die Rede sein. In einem Mond würde sie sich kaum noch bewegen können und kurz vor der Niederkunft stehen. Dann all dies allein und mit einem gerade geborenen Kind bewältigen? Vielleicht.

      Aber wer wusste schon, ob nicht Fremde hierherkamen. Venor kannte das Haus der Ewigen. Andere würden es ebenfalls kennen. Nicht alle würden so freundlich sein wie der Fallensteller. Sie und ihr Kind wären diesen Leuten ausgeliefert. Nein, schon allein deswegen konnte sie nicht hierbleiben. Es war zu gefährlich.

      Was dann?

      Den Weiler, einen Tagesmarsch von hier, aufsuchen?

      Oder das Dorf, zwei Tagesmärsche südlich davon?

      Ihr würde nichts anderes übrig bleiben.

      Kapitel 28

      Am nächsten Tag machte sie sich auf. Sie wollte es in dem Weiler versuchen, bevor sie sich in Richtung des Dorfes wandte. An einem der Orte musste es einfach möglich sein zu bleiben!

      Sie folgte einem Pfad, der am Fluss entlanglief. Wie immer hielt sie nach Reisenden Ausschau, tat dies aber mit weniger Überzeugung als noch in den Bergen. Sie würde dies alles allein kaum durchstehen können und Fremden Vertrauen schenken müssen. Wie den Menschen in dem Weiler. So, wie sie darauf vertraut hatte, dass die Ewigen ihr helfen würden.

      Sie seufzte. Wenigstens war es angenehm, auf dem Pfad zu laufen. Es gab keine Felsen, die es zu überwinden galt, und keine Steigungen, die wertvolle Kraft kosteten. Trotzdem spürte sie die Schwere des Kindes in sich, mehr als sie dies noch am Tag zuvor getan hatte.

      Bald wichen die Bäume zurück und hohe Gräser rückten dicht an den Pfad, bildeten einen grünen Tunnel über ihrem Kopf, wenn sie sich im Wind bewegten. Rodica wurde unruhig, denn sie konnte nicht sehen, ob ihr jemand entgegenkam oder folgte. Doch sie blieb weiterhin allein.

      Als der Tag sich dem Ende zuneigte, war sie immer noch von Gräsern umgeben. Von dem Weiler war nichts zu sehen, doch da sie wegen ihres geschwollenen Leibs recht langsam ging, nahm sie an, dass sie ihn am Folgetag erreichen würde. Sie bahnte sich einen Weg in die Gräser und breitete den Umhang auf der Erde aus. Zum ersten Mal würde sie schutzlos übernachten, ohne Felsen oder ein dorniges Dickicht um sich oder geborgen in der Krone