Hoffman führte ein hartes Regime. Wenn es Aufträge zu erledigen gab, waren Wein und Bier verboten. Er wollte seine Truppe nüchtern und aufmerksam und duldete es nicht, wenn sie seine Befehle nicht haargenau ausführten. Es hatte zwei oder drei Abweichler gegeben und er hatte sie mit seinen eigenen Fäusten bewusstlos geschlagen und selbst wenn sie am Boden lagen noch mit Füssen getreten. Damit hatte er sie sich völlig untertan gemacht, denn keiner hatte eine bessere Option für sein weiteres Leben, als sie ihnen Hoffman bot. Sie wurden zu seinen willfährigen Handlangern.
Hoffman hatte Middlehurst gut zugehört. Da wurde ihm die Möglichkeit geboten, ins große Geschäft einzusteigen. Weg von der Wegelagerei, weg von Überfällen auf Reisende, weg von Hoffnung und Enttäuschung, wenn die überfallenen Kutschen nicht hergaben, was sie erhofften. Ihm waren plötzlich die Augen aufgegangen, als er erkannte, dass die unzähligen Vertriebenen, die Gejagten, die heimatlosen Bauern, die Kinder und Jugendlichen, die niemand ernähren konnte, ein viel größeres Potential darboten. Da lag ein Markt vor ihm und Middlehurst hatte ihm erklärt, wie man ihn bearbeiten musste, um den größtmöglichen Ertrag zu erzielen. Hoffman war schlau genug, um rasch zu erkennen, dass jeder den anderen brauchte. Er brauchte Middlehurst, weil dieser wusste, wo und wie man an das Material herankam, und dieser brauchte ihn um das Angebot zu erfassen und zu den Nachfragern zu bringen. So hatte man seine Standpunkte erklärt, so hatte jeder seinen Beitrag definiert.
Middlehurst hatte sein kaltes Grinsen aufgesetzt und gesagt: „Ich glaube, wir sind uns einig.“ Er hatte zwar noch erklärt, sehr zum Missfallen von Hoffman, dass Simon Buckle die Befehle erteile. Hoffman hatte sich insgeheim schon vorgenommen, Buckle bei Gelegenheit kalt zu stellen. Doch er hatte genickt, er hatte auch noch genickt, als Middlehurst hinzugefügt hatte: „Da stehen uns noch ein paar nebensächliche Hindernisse im Wege. Ich habe da noch ein paar Rechnungen offen. Ich will nicht, dass diese Kerle uns im Wege stehen werden.“ Hans hatte nur gefragt: „Wie viele?“ Und als Middlehurst zwei Finger in die Luft streckte, hatte er nur den Kopf geschüttelt. „Kleines Problem. Wischen wir weg.“
Hans Hoffman, geboren in Deutschland, aus dem Gefängnis entwichen und vor etlichen Jahren nach England verschlagen, hatte sich soeben mit einem Obersten der königlichen Armee und zukünftigem Sklavenhändler verbündet.
Kapitel II
Corry stolzierte in der neuen Brennerei herum, wie wenn sie ihm gehören würde. Oft stand er vor dem größeren der beiden Brennhäfen und ließ seinen Blick hinauf zur Decke gleiten, wo der kupferne Hals mit leichter Neigung zum großen Bottich mit der Kühlschlange führte. Nicht der kleinste Fleck auf dem dicken Bauch des noch glänzenden Hafens entging ihm. Stets hatte er einen Lappen zur Hand und polierte ihn weg.
Sein besonderer Stolz galt einer ebenfalls aus Kupfer gefertigten Schleuse, von ihm entworfen. Beim zweiten Brennvorgang in der etwas kleineren Brennblase stand er mit Seumas davor und wartete, bis die kondensierte Flüssigkeit zu fließen begann. Gemeinsam beurteilten sie deren Farbe und Geruch und erst, wenn beide nickten, stellte er die Schleuse um und ließ den neuen Brand in das bereitstehende riesige Fass laufen. Natürlich nicht, ohne mit seinem Kugelschwimmer dessen Stärke dauernd zu überprüfen. Wenn diese abnahm, trat die Schleuse in Funktion. Der Inhalt des großen Fasses, das Herzstück des Whiskys, wurde in kleinere Fässer umgefüllt, die von Seumas sorgfältig beschriftet und anschließend von den Arbeitern ins Fasslager gerollt wurden. Beide Brennblasen wurden sorgfältig gereinigt und für die Füllung mit neuer Maische vorbereitet. Die Arbeiter schleppten die Torfstreifen herbei und bald glühten wieder frische Feuer unter den Häfen.
Wenn immer Seumas nach Beendigung seiner Schulstunden beim Wanderlehrer in die Brennerei kam, war Corry schon da und werkelte eifrig. Selbst wenn er frühmorgens vor seinen Lektionen auftauchte, traf er auf ihn und mit der Zeit hatte er erkannt, dass Corry sein Nachtlager in der Brennerei aufgeschlagen hatte. Mary und natürlich besonders John Fraser Junior hatten mit Genugtuung konstatiert, dass die einmal aus dieser, dann wieder aus jener Richtung erschallenden Töne aus Corrys Sackpfeife, ohne Rücksicht auf Tages- oder Nachtzeit, seltener geworden waren. Selbst seine krummrückige Mähre schien nichts zu vermissen und war froh, wenn man sie auf der Wiese hinter den Lagerhäusern in Ruhe ließ.
Seumas verfügte nun ebenfalls über ein eigenes Pferd, Maggie hatte ihm das Reiten beigebracht, womit sich sein Horizont über die Brennerei und das Wohnhaus hinaus erweitert hatte. Mary hatte ihn angehalten, in der Nähe zu bleiben. Maggie hatte ihn manchmal auch mitgenommen, wenn sie nach Blair Mhor zu James ging. Mary musste besorgt feststellen, das Seumas manchmal erst nach Einbruch der Dunkelheit und allein zurückkam. „Mach Dir keine Sorgen, Mutter“, pflegte er zu sagen. Mary wusste, dass das Dorf Blair Mhor und die Brennerei, auch dank der von Roderick mit Umsicht organisierten Bewachung einigermaßen sicher waren. Doch sie wusste von James und Roderick um die Gefahren und auch Maggie hatte ihr vom Schicksal der Vertriebenen und Gefangenen erzählt.
Alle und besonders Seumas warteten sehnlichst auf die Rückkehr von Cremor. Die noch leeren Fässer wurden immer weniger, die Lagerhäuser waren bis unters Dach gefüllt und die Abholung der bestellten Fässer hatte wegen der unsicheren Wege gestockt. Über kurz oder lang würden sie die Brennblasen stilllegen müssen.
James Moore, Kommandant des Royal Summerset Highland Regiments, hatte die alten Fahnen einziehen lassen. Mittlerweile bestand sein Regiment aus fünf Kompanien und jede davon hatte ihre eigene Flagge dabei, die einen mit dem Wappen ihres Clans oder mit dem aufsteigenden Löwen, die anderen mit dem diagonalen weißen St. Andreas-Kreuz über dem waagrechten der Engländer. Das galt es zu ändern und die Schneiderinnen kriegten viel Arbeit die neuen Fahnen zu nähen – alle einheitlich mit dem roten englischen Kreuz selbstverständlich über dem schottischen. Alles andere wäre den Engländer ins Auge gestochen und das wollte Moore verhindern. Er hatte so schon genug zu tun mit den Adjutanten seines Vorgesetzten, Oberst Middlehurst, die sich überall einmischten.
Blair Mhor war inzwischen zum Garnisonstädtchen geworden, was den Einwohnern Arbeit und Auskommen verschaffte, aber auch die unangenehmen Seiten der Armeepräsenz mit sich brachte: Kneipen bald an jeder Ecke, in denen es rau zu und herging; nicht nur eines, sondern mehrere kleine Bordelle, Händler aller Gattung und Glückspieler folgten. Der Sheriff musste sich eine eigene kleine Gruppe von Hilfspolizisten aufbauen. Sie schlichteten Schlägereien, verhafteten Unruhestifter und Diebe, und dabei waren nicht nur Soldaten, sondern allerlei Gesindel, das sich nach und nach eingefunden hatte. Die Soldaten wurde jeweils bald wieder von ihren Offizieren eingesammelt, worüber der Sheriff recht froh war, auch wenn sie dadurch ihrer Strafe entgingen.
Doch verglichen mit allem was außerhalb von Blair Mhor geschah, war das Städtchen eine Oase relativer Ruhe und Sicherheit.
Der Tagesablauf war zur Routine geworden – Aufzug der britischen Fahne frühmorgens, Abzug bei Sonnenuntergang, täglich zweimal das gleiche Zeremoniell. Jeweils begleitet von den Dudelsäcken und Trommlern der Summerset Pipes and Drums. Die englischen Offiziere versuchten Haltung zu wahren und warteten ungeduldig auf den letzten Ton. Dann verzogen sie sich in die Messe und widmeten sich dem Gin und spaßeshalber den Whiskys der Blair Mhor Distillery.
John Fraser Junior war immer noch Pipe Major. Er trug zwar die schmucke Uniform wie alle, doch die rote Jacke war ihm zuwider.
Tagsüber vergingen unendliche Stunden mit hartem Drill, dem auch John und seine Musikanten unterworfen waren.
Als höherer Unteroffizier hätte er sich auch in der Messe verköstigen lassen können, zwar getrennt von den englischen Offizieren, doch er zog die Gesellschaft von Roderick vor, und wenn immer es möglich war, besuchte er seinen Vater auf