Bedingt durch den größeren Kessel war das Herausfischen des Bruches schwierig, vor allem, da ja nun bis zu zehn Käse gleichzeitig zu machen waren. Irgendwie müsste ich die Molke heraussaugen können… Der Kessel stand etwa 30 Zentimeter über dem Boden. Ich stellte nach dem Rühren eine leere Milchkanne daneben, legte eine Form oben in den Kessel, die langsam darin versank. Nun füllte ich einen 32 Millimeter-Schlauch mit Wasser, hielt beide Enden mit den Daumen zu und tauchte ein Ende in die im Kessel schwimmende Form, während ich das andere in die leere Kanne hielt. Dann nahm ich beide Daumen weg und die Molke lief von selber in die Kanne. War eine voll, hielt ich die Öffnung zu und hängte ihn in die nächste. Damit der Schlauch nicht herausrutschen konnte, schob ich einen Hartgummireifen aus dem Märklin-Baukasten des Jungen darüber.
Die frischen Käse mögen es den ersten Tag warm, damit die Fermentation loslegen kann. Da unser Keller ziemlich klein ist, kann man ihn nicht unterteilen, in einen warmen und kühlen Bereich. Da Käse auch Rahm enthält, der bei längerem Aussetzen an Licht ranzig werden kann, ist es gut, diese Käse im Dunkeln zu lagern. Um den frisch geformten Käsen optimale Bedingungen zu schaffen, bohrte ich eine kaputte Gefriertruhe in einem Eck an und schob ein Stück 25 mm Plastikrohr bis ins Innere der Truhe und verkittete es gut. Sie fand an der Rückwand der Käserei Platz. Hierin konnten nun die Käse ihre Pubertät beginnen. Die Molke lief unten in eine Schüssel. Die Oberfläche, der Deckel, konnte als Verkaufstisch dienen… Leider wurde die Truhe innen schnell von Grauschimmel besiedelt. Regelmäßiges Scheuern war angesagt!
SCHAFE UND SCHWEINE
Wenn wir schon den Strom nicht selber machen können, so auf jeden Fall aber heißes Wasser! Ich hatte mir schon verschiedene Arten von Sonnenkollektoren angeschaut, doch waren diese sehr teuer und bedurften eines doppelten Kreislaufes plus Pumpe, um nicht beim ersten Frost zu zerreißen. Ein schwarzer Plastikschlauch, aus Polyethylen, eben derselbe, der als Wasserleitung dient, gibt mir eine Idee! Ich habe noch so 60 Meter rumliegen. Ich will ihn in eine Spirale zusammenrollen, um auf kleiner Fläche eine größere Menge Wasser erwärmen und zugleich speichern zu können. Nach mehreren Versuchen habe ich die Lösung gefunden! Ich zimmere aus Dachlatten ein quadratisches Holzgitter und umrahme es mit vier Brettern. Doch nun sollte man zu zweit sein, denn der Schlauch muss ganz abgerollt sein, wenn man ihn als Spirale in den Rahmen drehen will, weil jeder gelegte Kreis eine Art Korkenzieher in den Restschlauch macht. Eine zweite Person muss den Schlauch an seinem Ende langsam um sich selbst drehen, damit er gerade bleibt. Außerdem muss es warm sein, damit der Schlauch geschmeidig ist, und man sollte mehrere kleine Leisten mit einem Nagel darin zur Hand haben, um die fertigen Windungen provisorisch fest zu heften, damit sie nicht rausspringen und einen Salat bilden können!
Von außen anfangend zwänge ich nun den Schlauch in aneinander liegenden Kreisen langsam der Mitte zu. Ist der Schlauch einmal verlegt, muss man ihn endgültig mit langen Leisten auf dem Rahmen festnageln, damit er sich nicht bewegen kann. Die Nägel nur zwischen die Windungen setzen, nicht durch den Schlauch! Anschließend die Vorderseite mit einer durchsichtigen Plane bedecken, die Rückseite mit einer schwarzen Folie zumachen. Aber sie kann auch offen bleiben, wodurch das System etwas weniger effizient ist. Dann den Rahmen aufrichten und Halterungen daran bauen, dass er leicht geneigt stehen bleibt, oder an die Hauswand stellen, möglichst in einem optimalen Winkel zur Sonne. Wenn man Plastikmuffen verwendet, kann er auch Frost ertragen. Nur dauert es dann länger, bis er wieder einsatzbereit ist. Das Einfachste ist, abends eine alte Steppdecke darüber zu legen! Gegen Mittag, wenn es ans Waschen der Utensilien ging, hatten wir somit ausreichend warmes Wasser, es sei denn, die Sonne streikte. Bald bauten wir eine Duschbrause in den Hof, die wir daran anschlossen, und auch die Waschmaschine wurde damit getränkt, aber erst gegen Abend. Später hängte ich ein achteckiges Gestell auf das schräge Scheunendach, mit rund 200 Meter Schlauchspirale darin, welches von nun an das ganze Haus mit heißem Wasser versorgte.
Um die anfallende Molke loszuwerden, ist nichts besser geeignet als Schweine. Sie verwandeln erst mal die Molke in biologisch abbaubare Bestandteile wie Kot und Urin und setzen alle aufnehmbare Nährstoffe in Fleisch um. Wir brauchten aber erst mal einen Schweinestall! Wohin damit? Hinter unserem Haus lag eine Ruine, die sich dafür anbot. Doch wie die Molke bis dahin schaffen, vor allem im Winter? An der rechten Seite des Hauses hatten wir vor zwei Jahren einen Holzanbau errichtet. Dieser war hier ziemlich niedrig, da er noch nicht ganz ausgeschachtet war. Und in einem Eck stand ein riesiger Baumstumpf, wohl schon vor mehr als 40 Jahren gefällt. Und dieser Baum muss, seiner Stärke nach auch schon ein Veteran gewesen sein. Daran erkannte man, dass diese Seite des Hauses schon seit über 100 Jahren Ruine war, vielleicht auch als Steinbruch für einen Anbau gedient hatte.
Wir pickelten um den Baumstumpf herum, versauten zudem die Kette der Motorsäge an eingewachsenen Steinen, als wir versuchten ihn abzusägen und hängten den Traktor daran. Nichts tat sich! Also ließen wir den Baumstumpf stehen, legten eine Abflussleitung zur Jauchengrube und betonierten den Boden. Darauf kamen dann die Mauern mit einem Türle, einen Pferch von rund 2 x 3 Metern bildend. An eine Seite legten wir eine steinerne, in der Länge durchgeschnittene Betonröhre, die wir an den Seiten zumauerten, als Trog. Außerhalb des Schuppens stellten wir ein aufgeschnittenes Plastikfass etwas erhöht auf Hohlblocksteine, von dem ein Schlauch bis zum Trog führte. In dieses Fass leerten wir die Molke. Zweimal täglich könnten wir die Schweine so damit füttern, zusätzlich zu den Garten- und Küchenabfällen. Da es kalt war, und ich in Erinnerung hatte, dass der Nachbar, wo ich als kleiner Junge all meine freie Zeit mit den Tieren verbrachte, in seinem Ferkelstall eine Infrarot-Lampe zum Heizen aufgehängt hatte, baute ich aus dicken Eichenbrettern ein erhöhtes Podest, auf dem sie besser liegen könnten als auf dem Beton. Vorsichtshalber schneide ich noch einen Ballen minderwertiges Heu auf und werfe es auf das Podest.
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Jetzt mussten die Schweine her! Doch in der näheren Umgebung gab es keine Schweine. Wir hatten einen Kumpel im Dorf, Patrick, dessen Opa Schweinehändler gewesen war und den Laden an seinen Sohn übergeben hatte. Bei Patrick hielten wir des Öfteren an. Er war etwa zur gleichen Zeit wie wir nach Augirein gekommen, ebenfalls seine Schwester, während die Eltern noch in Paris lebten und auf die Rente hinarbeiteten. Eigentlich hatten wir ihn durch Doris Bruder kennengelernt, der das gleiche Alter hatte. Er fuhr einen 2 CV auf den er hinten riesig groß den ‚Stinkefinger‘ aufgeklebt hatte. Bei ihm war immer was los, sein Haus war ein regelrechter Treffpunkt der jungen Leute aus der ganzen Umgebung. Er hatte die neuesten Schallplatten, seit kurzem auch eine Fotoausrüstung und Dunkelkammer. Oft begegnete ich ihm beim Schafehüten im Gelände. Er war auf der Suche nach Naturmotiven, ich wurde ein Teil davon… Sein Haus war ein Haus der offenen Tür. Sein Leben glich einem großen Fest: dem Fest des Lebens! Oft hielten wir bei ihm an, wenn Licht brannte, tranken ein Glas Wein oder Bier zu einem Stückchen Käse oder einem ‚Beuze‘, wie er das dreiblättrige Erkennungszeichen aller ‚Branchés‘ nannte.
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