Abrechnung in London. Thomas Riedel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Riedel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746756400
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und wartete im Flur. Dann ging ich doch hinauf«, erwiderte Dorsey.

      »Erklären Sie mir, wie Ihr Etui auf den Beistelltisch gekommen ist … und der Zigarettenstummel in den Aschenbecher!« Primes ließ nicht locker.

      »Das kann ich nicht! Das Etui vermisse ich bereits seit einigen Tagen … Geraucht habe ich hier auch nicht«, erklärte Dorsey, der jetzt ruhiger geworden war.

      »Nun, Ihre Bedienstete wird dieses Kraut kaum angerührt haben!«, stellte der Chief Inspector fest. »Also, wer sonst?«

      »Stirling vielleicht«, warf Bradley ein.

      »Trug Ihre Hausangestellte einen Schmuck, eine Halskette vielleicht?« fragte Primes unvermittelt.

      Der Psychiater schien nachzudenken. »Ja, sicher!«, sagte er dann schnell. »Ein Collier mit schwarzen Perlen!«

      Primes sah seinen Freund kurz an und Bradley nickte unmerklich zur Bestätigung dessen, dass dies der Schmuck war, den er in Mrs. Dorseys Auftrag suchen sollte.

      »Und in diesem Punkt besteht kein Zweifel, Mr. Dorsey?«

      »Keiner!«

      »Haben Sie das Collier schon früher einmal an Ihrer Angestellten gesehen?«, forschte der Chief Inspector weiter.

      Dorsey schüttelte den Kopf.

      »Auch nicht an Ihrer Frau?«, fragte Bradley schnell.

      »An meiner Frau? Was für ein Unsinn! Ich muss schon sagen: Ihre Fragen sind reichlich merkwürdig!«, erwiderte Dorsey spitz und sah von einem zum anderen.

      »Kennen Sie einen gewissen Roger Kensington?« setzte Primes das Verhör fort und sah den Psychiater voll an.

      »Ja, natürlich«, räumte Dorsey ein. »Der Mann ist Junggeselle, von Beruf Chemiker … und ein echter Dandy, wie ich anmerken möchte. Er liebt es seine Kleidung und sein Auftreten zu kultivieren, hat Witz und Bonmot. Er hat schon fast etwas von Baudelaire«

      »Dessen luxuriöse Dandy-Existenz bekanntlich scheiterte, sodass ihm gerichtlich ein Vormund verpasst wurde«, bemerkte Bradley schmunzelnd.

      »Mag sein, dass es ihm irgendwann ähnlich ergeht. Wer kann das heute sagen?«, erwiderte Dorsey.

      »Ihre Frau kennt ihn auch?«, kam Primes auf das Wesentliche zurück.

      »Ich verbitte mir derart impertinente Fragen, Chief Inspector!«, donnerte Dorsey.

      »War Ihre Bedienstete Ihnen gegenüber jemals unaufrichtig, Mr. Dorsey?« fragte der Chief Inspector unverdrossen weiter.

      »Olivia ...? Äh, ja … doch!«, antwortete Dorsey verlegen, um dann plötzlich auszubrechen: »Aber Ihre Fragerei geht jetzt zu weit. Das ist ja nun wirklich sehr privat!«

      »Schon gut, Mr. Dorsey. Vorerst genügen mir Ihre Auskünfte«, erwiderte Primes deeskalierend. »Sie werden sich aber weiter zu meiner Verfügung halten!«

      »Soll das heißen, dass ...«, brauste der breite Mann wieder auf.

      »... dass Sie uns bitte Ihre Frau herunterschicken, Mr. Dorsey!«, schnitt ihm Bradleys Freund das Wort ab.

      Mit wuchtigen Schritten und Zornesröte im Gesicht stapfte der Psychiater aus dem Zimmer. Dabei brummte er etwas Unverständliches vor sich hin, was bei seinem Temperament ganz gewiss nichts Schmeichelhaftes für Bradley und Primes war.

      *

      »Den hast du aber ordentlich auf die Palme gebracht!«, stellte Bradley grinsend fest.

      »Warum mit Samthandschuhen anfassen, Colin? Du hältst ihn doch wohl nicht für unschuldig, oder?«, fragte Primes, ohne darauf einzugehen.

      »Für unschuldig nicht. Der stiefelte mit Sicherheit seiner Angestellten hinterher, wenn da nicht sogar mehr abgelaufen ist. Aber es scheint erstmal so, als habe sie den Schmuck und das Etui gestohlen. Was er sagt, klingt durchaus glaubhaft. Und es macht den Eindruck, dass er von der Existenz des Colliers keine Ahnung hatte.«

      Sein Freund nickte zustimmend, erwiderte aber zunächst nichts. »Dieser ehemalige Chauffeur Stirling hat das Etui gefunden und eine Zigarette daraus geraucht. Vermutlich war auch er es, der dich anrief«, sagte er dann.

      »Dann habe ich fürs Erste drei Fragen. Erstens: Ist Stirling der Täter? Zweitens: Hat diese Olivia, als er mich anrief, noch gelebt? Und drittens: Wo ist das Collier abgeblieben, das sie trug?«

      Erneut antwortete der Chief Inspector nicht sofort. Er griff nach dem Zettel, auf dem Bradley die Anschrift Stirlings notiert hatte und reichte das Papier einem seiner Männer. »Schicken Sie sofort einen Wagen zur dieser Adresse, Constable Miller«, wies er ihn an und winkte einen weiteren heran. »McKenzie, Sie suchen die Adresse von Mr. Roger Kensington heraus und machen sich dorthin auf den Weg.«

      »Ja, Sir«, nickte der Uniformierte mit den Streifen eines Sergeants auf den Ärmeln und folgte dem Constable.

      Erst jetzt griff Primes Bradleys letzte Frage auf. »Ich stimme Dir zu, dass Dorseys Frau das Collier an sich genommen hat. Du sagtest ja, dass die Tote es nicht mehr trug, als Du sie zu Gesicht bekommen hast. Es macht Sinn, denn wie sonst hätte sie auch erklären können, dass sich das Schmuckstück wieder angefunden hat? Die Fragen, die wir uns stellen müssen sind: Warum wurde die Bedienstete umgebracht, und wer hatte einen Grund es zu tun? … Ihr Verlobter, Stirling?«

      Bradley steckte sich eine neue Zigarette an und grübelte.

      Die Beamten der Mordkommission hatten längst ihre Arbeit beendet. Es hatte sich Nichts gefunden, was einen Hinweis auf den Täter des zweifellos vorliegenden Gewaltverbrechens gegeben hätte.

      »Ich bin gespannt, was uns Mrs. Dorsey mitzuteilen hat«, meinte Bradley nach einigen Zügen, als er die trippelnden Schritte der Frau im Flur hörte.

      *

      Gleich darauf stand sie auch schon im Zimmer und sah sich scheu um. Bradley bemerkte sofort, dass sie sich umgezogen hatte. Sie trug ein anderes Kleid, als bei seiner ersten Begegnung mit ihr. Auch jetzt trug sie keinen Schmuck am Hals.

      Mit einer Handbewegung lud Primes sie zum Sitzen ein. »Mich interessiert, woher Sie vom Tod Ihrer Angestellten wussten, Mrs. Dorsey?«, begann er direkt mit seiner Vernehmung. Nachdem sie sich gesetzt hatte, aber nicht direkt antwortete, fügte er hinzu: »Sie sollten mir alles erzählen, Mrs. Dorsey. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein.«

      »Ich kam aus einer Sitzung des Frauenvereins, dem ich angehöre, und sah Licht in Olivias Zimmer. Ich wollte ihr noch eine Besorgung für morgen aufgeben und ging hinein ... Da sah ich sie liegen … tot!« Die Gattin des Psychiaters schwieg, so, als müsse sie noch einmal den Schock überwinden, den sie bei ihrer schrecklichen Entdeckung erlitten hatte.

      »Was taten Sie anschließend, Madam?«, wollte Primes nach einer kleinen Pause wissen.

      »Ich hatte plötzlich Angst … Es war so surreal! Ich lief hinaus.«

      »Haben Sie etwas Verdächtiges bemerkt oder jemand gesehen?«

      »Da war nichts Verdächtiges und gesehen habe ich auch niemanden.«

      »Haben Sie vielleicht eine Ahnung, warum Ihr Hausmädchen umgebracht worden sein könnte?«

      »Nein.«

      »Ich frage mich, warum Sie keinen Arzt gerufen haben, Mrs. Dorsey«, stellte Primes fest. »Zumindest hätten Sie nach Ihrem Mann rufen können, oder Scotland Yard verständigen.« Er warf einen Blick zum Beistelltisch. »Dort steht ein Telefon.«

      »Ich weiß es nicht! … Versetzen Sie sich doch mal in meine Lage: Ich habe … Olivia … und dann tot! Ich muss wohl den Kopf verloren haben.« Sie schluckte ein paar Mal, hatte ihre Hände in den Schoß gelegt und spielte nervös mit den Fingern.

      »Warum sind Sie noch einmal in das Zimmer zurückgekehrt? Vergessen Sie nicht, dass ich Sie dabei überrascht habe!«, hakte sich Bradley schnell ein, wofür er sich ihren hasserfüllten Blick einfing.

      Sie