Abrechnung in London. Thomas Riedel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Riedel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746756400
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um, und er blickte in die Mündung einer ›Liliput‹, einer kleinen halbautomatischen Taschenpistole.

      »Wer sind Sie?«, stieß sie mit ungestümer Aggressivität hervor und es klang wie das gefährliche, laute, metallische Zischen einer Natter. Sie hatte ihren Kopf leicht vorgebeugt, den frisch gelackten Mund zu einem engen Strich zusammengepresst und die Augen halb geschlossen. Voller Misstrauen musterte sie ihn.

      Gelassen holte Bradley eine Packung seiner filterlosen ›Woodbine‹-Zigaretten aus der Innentasche seines Jacketts. »Rauchen Sie, oder mögen Sie lieber eine ›Abdulla‹, Mrs. Dorsey?«, fragte er betont höflich, die winzige Waffe in ihrer Hand völlig ignorierend. Fast schien es ihm, als wäre sie bei Nennung der Zigarettenmarke leicht zusammengezuckt, doch er war sich dessen nicht ganz sicher.

      »Was suchen Sie hier?«, fragte sie noch einmal halblaut und sichtlich gereizter. Dabei hob sie die Waffe leicht an, sodass der kurze Lauf genau auf seine Brust gerichtet war.

      »Nun, … Sie sind also Mrs. Dorsey. Mein Name ist Bradley«, erwiderte er unbeirrt und trat sogar einen Schritt auf sie zu.

      »Kommen Sie nicht näher, Mister!«, reagierte sie mit einem gefährlichen Unterton. »Was beweist mir, dass Sie der sind, der Sie zu sein behaupten?«

      Er lächelte herausfordernd. »Vielleicht, dass ich hier Ihr Perlencollier suche?«

      Sie nickte mechanisch und ließ, wenn auch noch ein wenig unsicher, ihre Taschenpistole ein Stück nach unten sinken. Dann musterte sie ihn eingehend und endlich steckte sie die ›Liliput‹ in ihre Handtasche zurück. Die Dame entschied sich, ihm für den Moment zu vertrauen.

      »Das Collier hat sich mittlerweile wieder angefunden«, erklärte sie zu seinem Erstaunen. »Ich muss gestehen, dass ich das Schmuckstück nur verlegt hatte.« Mrs. Dorsey sah ihn mit leicht angehobenen Augenbrauen an. »Aber sagen Sie: Wieso kommen Sie jetzt hierher … und dazu noch mitten in der Nacht?«

      »Ach, wissen Sie, ich habe so meine Angewohnheiten«, erklärte er ausweichend. »Und schließlich konnte ich ja nicht wissen, dass sich der Schmuck inzwischen wiedergefunden hat!« Er lächelte kurz, bevor er dann plötzlich scharf und schnell fragte: »Was suchen Sie noch? Es ist die Kassette, nicht wahr?«

      Sie zuckte leicht zusammen. »Ich verbitte mir diesen unangebrachten Ton!«, fauchte sie böse. »Gehen Sie! … Ich benötige ihre Dienste nicht mehr!« Damit wandte sie sich um und schritt auf die Tür zu.

      »Halt!« rief er und ging auf sie zu.

      Sie hielt inne und wandte sich ihm noch einmal zu. Ihr Gesicht war bleich. »Was wollen Sie noch, Mr. Bradley?«, reagierte sie eisig. »Wenn es um Ihr Honorar geht, … darum brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Sie werden es bekommen!«

      »Darum geht es nicht«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Ich möchte Sie nur noch etwas fragen: Wer ist die junge Frau?« Kalt und drohend sah er sie an, sodass sie langsam vor ihm zurückwich. »Reden Sie!«

      »Olivia … Olivia Corbett, unser Hausmädchen«, hauchte sie jetzt ängstlich, mit einem Seitenblick auf die Tote.

      »Verraten Sie mir, woher Sie das so genau wissen? Immerhin ist sie zugedeckt!«, setzte er nicht minder scharf im Ton nach. Ihre entsetzten Augen zeigten ihm, dass sie sich gerade ihres Fehlers bewusstgeworden war, und er fügte befriedigt hinzu: »Sie wissen es, weil Sie schon einmal hier waren, Mrs. Dorsey!«

      Sie resignierte über ihren Fehler, sackte sichtlich in sich zusammen und wandte sich ab in Richtung der Tür. »Nein! … Nein!«, brachte sie schluchzend heraus und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

      Einige Sekunden starrte er gedankenverloren vor sich hin. Dann wandte er sich erneut dem Telefon zu, rief die Zentrale des Yards an und ließ sich mit der Mordkommission verbinden.

      2

      »Wo kommst du her, Amanda?«, fragte Andrew Dorsey, als seine Frau durch die Tür wankte und sich in einen Sessel fallen ließ. Sie schien seine Worte nicht gehört zu haben, stützte den Kopf in die Hände und schwieg. »Was ist mit dir?« fragte er deshalb weiter und fasste ihr unter das Kinn, sodass sie ihn ansehen musste.

      »Mein Gott, Andrew!«, brachte sie erschrocken heraus und blieb ihm eine Antwort schuldig. »Wie siehst du denn aus?«

      »Wieso, … ach, ja, … es ist nicht schlimm … Ich habe mich nur gestoßen«, erwiderte er stammelnd und versuchte zu lächeln. Dabei griff er mit der Hand an das Pflaster, das er auf der Stirn trug. Dann murmelte er etwas Unverständliches.

      Unerwartet begann seine Frau laut zu schluchzen.

      Verwirrt sah er sie an, denn er wusste nicht, was er davon halten sollte. »Ach, komm schon … So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, versuchte er sie zu beruhigen, in der Annahme, es sei wegen seines Aussehens.

      »Andrew …« Sie stockte und schluchzte wieder. Dann brach es aus ihr heraus. »Olivia ist tot!«, schrie sie, und er wurde sich seines Irrtums bewusst.

      »Woher weißt du das?«, fragte er erschrocken und sah sie scharf an. »Woher weißt du das?« wiederholte er lauernd, da sie nicht sofort antwortete.

      Die Frau stellte plötzlich ihr Weinen ein. Seine Frage hatte in ihr eine furchtbare Ahnung aufkommen lassen.

      »Sag mal, warum bist du nicht im Club?«, wollte sie wissen. »Du hattest mir doch gesagt, dass du in den Club wolltest.« Sie sah ihn eindringlich an, und als er schwieg, setzte sie drohend hinzu: »Gib es zu: Du warst bei Olivia!«

      »Ich habe noch im Labor gearbeitet! Ich verstehe deine dumme Eifersucht nicht, mit der du mich ständig verfolgst!«, entgegnete er rau und wandte sich ab. Doch dann sauste er wie ein Kreisel herum: »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich ...«, begann er entsetzt.

      »Was? …« Sie ließ offen, was sie meinte, wusste aber, dass er sie auch so verstanden hatte.

      »Aber das ist doch völlig absurd!« schrie er und stampfte im Rhythmus einer Lokomotive im Zimmer auf und ab. Ruckartig blieb er am Fenster stehen, schob die Gardine zur Seite und spähte hinaus. Er hörte einen ständig lauter werdenden Motorenlärm. »Was ist das denn? Polizei! Sie biegen hier ein. Hast du sie gerufen?«, fragte er hastig und wandte sich wieder zu seiner Frau um.

      »Nein!«

      »Die kommen doch nicht einfach so!«

      »Vermutlich hat Mr. Bradley die Polizei verständigt«, ergänzte sie.

      »Mr. Bradley?« Irritiert sah er sie an. »Wer soll das sein?«

      »Das ist der Detektiv … unten!«

      »Detektiv …? Dieser verdammte Kerl ist ein privater Schnüffler?«, fragte er mit geschürzten Lippen. »Na warte, dem Kerl werde ich jetzt aber einen Denkzettel verpassen! Wer hat denn überhaupt gerufen?«

      Seine Frau zuckte mit den Achseln. »Die braucht man nicht zu rufen, die kommen von allein«, meinte sie resignierend.

      »Was für ein Quatsch. Die kommen nicht einfach so!«, rief er noch und stürmte die Treppe hinunter.

      3

      Durch den Lärm der anrückenden Yard-Beamten in ihren schwarzen Fords, die sie liebevoll ›Tin Lizzies‹ nannten, wurde Bradley aus seinen Gedanken gerissen. Er erhob sich und trat ans Fenster heran. Schon kurz darauf vernahm er Schritte auf dem Flur, die sich näherten.

      Keine