»Wer mögen wohl die Fremden sein?« fragten alle Eidechsen. »Was mag da wohl los sein? Höre, wie es summt! Höre, wie es brummt!«
Zur selbigen Zeit theilte sich der Erlenhügel, und ein altes Erlenmädchen, hinten hohl, kam heraus getrippelt; es war des alten Erlenkönigs Haushälterin; sie war mit der Familie weitläufig verwandt und trug ein Bernsteinherz vor der Stirn. Ihre Beine bewegten sich so hurtig: trip, trip! Potztausend, wie konnte sie trippeln und das gerade hinunter in das Meer zum Nachtraben.[1]
»Sie werden zum Erlenhügel eingeladen, und zwar diese Nacht,« sagte sie; »aber wollen Sie uns nicht einen großen Dienst erweisen und die Einladungen übernehmen? Sie müssen auch etwas thun, da Sie selbst kein Haus machen. Wir bekommen einige sehr vornehme Freunde, Zauberer, die etwas zu sagen haben; und deshalb will sich der alte Erlenkönig zeigen!«
»Wer soll eingeladen werden?« fragte der Nachtrabe.
»Zu dem großen Balle kann alle Welt kommen, selbst Menschen, wenn sie nur im Schlaf sprechen oder etwas dergleichen thun können, was in unsere Art fällt. Aber bei dem ersten Feste soll strenge Auswahl herrschen: wir wollen nur die Allervornehmsten haben. Ich habe mich mit dem Erlenkönig gestritten, denn ich meinte, wir könnten nicht einmal Gespenster zulassen. Der Meermann und seine Töchter müssen zuerst eingeladen werden. Es mag ihnen wohl nicht lieb sein, auf's Trockene zu kommen, aber sie sollen schon einen nassen Stein zum Sitzen oder noch etwas Besseres haben, und dann, denke ich, werden sie es für dieses Mal wohl nicht abschlagen. Alle alten Dämonen erster Classe mit Schweifen, den Alraun und die Kobolde müssen wir haben, und dann, denke ich, können wir das Grabschwein, das Todtenpferd[2] und den Kirchenzwerg nicht weglassen; sie gehören freilich mit zur Geistlichkeit, die nicht zu unsern Leuten gezählt wird; aber das ist nur ihr Amt; sie sind mit uns doch nahe verwandt, und machen uns fleißig Besuch.«
»Kräh,« sagte der Nachtrabe und flog davon, um einzuladen.
Die Erlenmädchen tanzten schon auf dem Erlenhügel und sie tanzten mit Shawls, die aus Nebel und Mondschein gewebt waren, und das sieht recht niedlich aus, für Die, die dergleichen lieben. Mitten in dem Erlenhügel war der große Saal herrlich aufgeputzt; der Fußboden war mit Mondschein gewaschen und die Wände mit Hexenfett abgerieben, sodaß sie gleich Tulpenblättern vor dem Lichte glänzten. In der Küche waren vollauf Frösche am Spieße, Schneckenhäute mit Kinderfingern darin und Salate von Pilzsamen, feuchten Mäuseschnauzen und Schierling; Vier von der Sumpffrau Gebräu, glänzender Salpeterwein aus Grabkellern: Alles höchst solide; verrostete Nägel und Kirchenfensterglas gehörte zum Naschwerk.
Der alte Erlenkönig ließ seine Goldkrone mit gestoßenem Schieferstift poliren; es war Bank-Erster-Schiefer und es ist für den Erlenkönig sehr schwer, Bank-Erster-Schiefer zu erhalten! Im Schlafgemach wurden Gardinen aufgehängt und mit Schneckenspeichel befestigt. Ja, das war ein rechtes Summen und Brummen!
»Nun muß hier mit Roßhaaren und Schweineborsten geräuchert werden, dann glaube ich das Meinige gethan zu haben!« sagte das Erlenmädchen.
»Väterchen!« sagte die kleinste der Töchter; »werde ich nun erfahren, wer die vornehmen Fremden sind?«
»Nun ja,« sagte er, »jetzt muß ich es wohl sagen! Zwei meiner Töchter müssen sich zur Heirath bereit halten; zwei werden sicher verheirathet. Der alte Kobold oben aus Norwegen, er, der im alten Dovre-Gebirge wohnt und viele Klippen-Schlösser von Feldsteinen und ein Goldwert besitzt, welches besser ist, als man glaubt, kommt mit seinen beiden Söhnen herunter, die sich eine Frau aussuchen sollen. Der alte Kobold ist ein echter alter, ehrlicher norwegischer Greis, lustig und schlicht: ich kenne ihn aus alten Tagen, als wir Brüderschaft mit einander tranken; er war hier unten, seine Frau zu holen; nun ist sie todt; sie war eine Tochter des Königs der Kreidefelsen von Möen. Er nahm seine Frau auf Kreide, wie man zu sagen pflegt. O, wie ich mich nach dem norwegischen alten Kobolde sehne! Die Knaben, sagt man, sollen etwas unartige, naseweise Jungen sein; aber man kann ihnen ja wohl auch Unrecht thun, und sie werden schon gut, wenn sie älter werden. Laßt mich nun sehen, daß man ihnen Manieren beibringt!«
»Und wann kommen sie?« fragte die eine Tochter.
»Das kommt auf Wind und Wetter an!« sagte der Erlenkönig. »Sie reisen ökonomisch! Sie kommen mit Schiffsgelegenheit herunter. Ich wollte, sie sollten über Schweden gehen, aber der Alte neigte sich nicht nach jener Seite! Er schreitet nicht mit der Zeit fort, und das kann ich nicht leiden!«
Da kamen zwei Irrlichter angehüpft, das eine schneller als das andere, und deshalb kam das eine zuerst.
»Sie kommen! sie kommen!« riefen sie.
»Gebt mir meine Krone und laßt mich im Mondscheine stehen.« sagte der Erlenkönig.
Die Töchter hoben die Shawls auf und verneigten sich bis zur Erde.
Da stand der Kobold-Greis von Dovre, mit der Krone von gehärteten Eis- und polirten Tannenzapfen; übrigens hatte er einen Bärenpelz und große warme Stiefel an; die Söhne hingegen gingen im bloßen Halse und in Hosen ohne Tragbänder, denn es waren Kraftmänner.
»Ist das eine Anhöhe?« fragte der kleinste der Knaben und zeigte auf den Erlenhügel. »Das nennen wir oben in Norwegen ein Loch.«
»Jungen!« sagte der Alte, »Loch geht hinein, Höhe geht hinauf. Habt Ihr denn keine Augen im Kopfe?«
Das Einzige, was sie hier unten Wunder nähme, sagten sie, wäre, daß sie ohne Weiteres die Sprache verstehen könnten.
»Habt Euch nur nicht!« sagte der Alte; »man möchte glauben, Ihr wäret nicht recht ausgebacken.«
Und nun gingen sie in den Erlenhügel hinein, wo die wahrhaft seine Gesellschaft versammelt war, und das in einer Hast, man sollte glauben, sie seien zusammengeweht. Aber für Jeden war es niedlich und nett eingerichtet. Die Meerleute saßen in großen Wasserkübeln zu Tische; sie sagten, es sei gerade als ob sie zu Hause wären. Alle beobachteten die Tischsitte, nur die beiden kleinen nordischen Kobolde nicht; die legten die Beine auf den. Tisch; aber sie glaubten, daß ihnen Alles gut stehe.
»Die Füße vom Napfe!« sagte der alte Kobold, und da gehorchten sie zwar, aber doch nicht sogleich. Ihre Tischdame kitzelten sie mit Tannenzapfen, die sie in der Tasche mit sich führten, und dann zogen sie ihre Stiefel aus, um bequem zu sitzen, und gaben ihr die Stiefel zu halten. Aber der Vater, der alte Dovre-Kobold, war freilich ganz anders; er erzählte so schön von den stolzen nordischen Felsen, und von Wasserfällen, die weißschäumend mit einem Gepolter wie Donnerschlag und Orgelklang niederstürzten; erzählte vom Lachse, der gegen die stürzenden Wasser emporspringt, wenn der Reck auf der Goldharfe spielt; er erzählte von den glänzenden Winternächten, wenn die Schlittenschellen tönen und die Burschen mit brennenden Fackeln über das Eis hinlaufen, welches so durchsichtig ist, daß sie die Fische unter ihren Füßen erschrecken sehen. Ja, er konnte so erzählen, daß man sah, was er beschrieb; es war gerade, als wenn Sägemühlen gingen, als wenn Knechte und Mägde Lieder sangen und den Hallingtanz tanzten; heisa, mit einem Male gab der alte Kobold dem alten Erlenmädchen einen Gevatter-Schmatz: das war ein ordentlicher Kuß! Und doch gingen sie einander nichts an.
Nun mußten die Erlenmädchen tanzen, und zwar sowohl einfach, wie mit Stampfen, und das stand ihnen gut; dann kam der Kunst- und Solotanz. Der Tausend! wie sie die Beine ausstrecken konnten; man wußte nicht, was Ende und was Anfang, wußte nicht, was Arme und was Beine waren; das ging Alles unter einander wie Sägespäne; und dann schnurrten sie herum, daß dem Todtenpferde und dem Grabschweine unwohl wurde, und sie vom Tische gehen mußten.
»Prrr!« sagte der alte Kobold, »ist das ein Wirtschaften mit den Beinen! Aber was können sie mehr als tanzen, die Beine ausstrecken und Wirbelwind machen?«
»Das sollst Du bald erfahren,« sagte der Erlenkönig. Und dann rief er die jüngste von seinen Töchtern vor. Sie war so behende und klar wie Mondschein; sie war die feinste von