Menschen, Göttern gleich (Roman). H. G. Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. G. Wells
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746746524
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stehen genauso vor einem Rätsel wie Sie. Wir haben uns auf einmal in Ihrer Welt statt in unserer eigenen gefunden!«

      »Ihr kommt aus einer anderen Welt?«

      »jawohl, aus einer ganz anderen Welt, in welcher jeder von uns seinen besonderen, ihm von der Natur bestimmten Platz einnimmt. Wir waren in jener Welt gerade in unseren – äh – äh – in gewissen Vehikeln unterwegs, als wir uns auf einmal hierher versetzt fanden. Eindringlinge, ich gebe es zu, aber ich kann Ihnen versichern, unschuldige und unfreiwillige Eindringlinge.«

      »Wißt ihr nicht, wie es kam, daß Ardenn und Chrysolagone ihr Experiment mißlang, und warum sie tot sind?«

      »Wenn Ardenn und Chrysolagone die Namen dieser beiden schönen jungen Leute hier sind, so wissen wir überhaupt nichts von ihnen, außer, daß wir sie so vorfanden, wie Ihr sie jetzt liegen seht, als wir von der Straße hierherkamen, um herauszubekommen, oder eigentlich, um jemanden zu fragen …«

      Er räusperte sich und verschluckte das Ende seiner Rede.

      Der Utope, wenn wir den, der zuerst gesprochen hatte, der Bequemlichkeit halber so nennen wollen, blickte nun seinen Begleiter an und schien ihm eine stumme Frage zu stellen. Dann wandte er sich wieder an die Erdlinge. Er sprach, und wieder erklangen klare Laute – Mr. Barnstaple hatte den Eindruck, als schlügen sie nicht an seine Ohren, sondern ertönten in seinem Kopf.

      »Es wird gut sein, wenn ihr und eure Freunde nicht weiter auf diesem Trümmerhaufen herumtrampelt. Es wird gut sein, wenn ihr alle zur Straße zurückkehrt. Kommt mit mir! Mein Bruder hier wird den Brand löschen und tun, was für unseren Bruder und unsere Schwester nötig ist. Und dann wird diese Stelle von jenen untersucht werden, die von dem Werk, das hier unternommen wurde, etwas verstehen.«

      »Wir müssen uns ganz auf Ihre Gastfreundschaft verlassen«, sagte Mr. Burleigh, »und stehen vollständig zu Ihrer Verfügung. Wir haben diese Begegnung, lassen Sie es mich wiederholen, nicht gesucht.«

      »Obwohl wir sie sicherlich gesucht hätten, wenn uns eine solche Möglichkeit bekannt gewesen wäre«, sagte Mr. Catskill und blickte Mr. Barnstaple an, als würde er von ihm eine Bestätigung erwarten. »Wir finden diese Ihre Welt … äußerst anziehend!«

      »Auf den ersten Blick«, bestätigte der Herr mit dem Monokel, »eine äußerst anziehende Welt!«

      Als sie hinter dem Utopen und Mr. Burleigh durch die dichtwachsenden Blumen zur Straße zurückkehrten, hörte Mr. Barnstaple ein leises Rascheln – Lady Stella stand neben ihm. Die heitere und unbekümmerte Gewöhnlichkeit ihrer Worte, inmitten dieser reinen Wunder, erstaunte ihn.

      »Haben wir uns nicht schon irgendwo getroffen – bei einem Essen oder dergleichen, Herr … Herr …?«

      War dies alles doch nichts weiter als leerer Schein? Er starrte sie einen Augenblick verblüfft an, bevor er ergänzte:

      »Barnstaple.«

      »Mr. Barnstaple?«

      Er ging auf ihren Ton ein.

      »Ich hatte niemals das Vergnügen, Lady Stella. Obwohl ich Sie natürlich kenne – ich kenne Sie sehr gut von Ihren Fotos in den Illustrierten.«

      »Haben Sie gehört, was Mr. Cecil soeben gesagt hat? Daß dies Utopia ist?«

      »Er sagte, wir sollten es ›Utopia‹ nennen!«

      »Ganz Mr. Cecil! Aber ist es Utopia? – wirklich Utopia?«

      »Ich habe mich immer so nach Utopia gesehnt!« fuhr die Lady fort, ohne Mr. Barnstaples Antwort abzuwarten. »Was für prächtige junge Leute scheinen doch diese beiden Utopen zu sein! Ich bin sicher, sie gehören zur Aristokratie – trotz ihrer – ungezwungenen – Kleidung. Oder gerade deswegen …«

      Mr. Barnstaple hatte einen glücklichen Gedanken.

      »Ich habe auch Mr. Burleigh und Mr. Rupert Catskill erkannt, Lady Stella, aber ich wäre froh, wenn Sie mir sagen wollten, wer der junge Mann mit dem Monokel und der geistliche Herr sind. Sie stehen dicht hinter uns.«

      Lady Stella gab mit leiser Stimme in einer entzückend vertraulichen Weise Auskunft.

      »Das Monokel«, flüsterte sie, »ist – ich buchstabiere – F. R. E. D. D. Y. M. U. S. H., Geschmack, guter Geschmack. Er ist schrecklich tüchtig im Entdecken junger Dichter und all solch literarischem Zeug. Er ist Ruperts Sekretär. Wenn es irgendwo eine Veranstaltung gibt, ist er bestimmt dabei, sagt man. Er ist fürchterlich kritisch und sarkastisch. Wir waren eben im Begriff, zu einem hochintellektuellen Weekend nach Taplow zu fahren, ganz wie in alten Zeiten, das heißt sobald die Leute aus Windsor weggefahren wären. Mr. Gosse und Max Beerbohm wollten kommen und allerhand solche Leute. Aber heutzutage kommt immer etwas dazwischen. Immer … Das Unerwartete – fast zu viel davon … Der geistliche Rock« – sie guckte zurück, um festzustellen, ob sie sich außer Hörweite des Herrn befand, von dem sie eben sprach – »ist Pater Amerton, der entsetzlich freimütig über die Sünden der Gesellschaft und all solchen Kram predigt. Es ist komisch, aber außerhalb der Kanzel neigt er zur Schüchternheit und Schweigsamkeit und geht ein bißchen ungeschickt mit Gabel und Löffel um. Paradox, nicht wahr?«

      »Natürlich!« rief Mr. Barnstaple. »Ich erinnere mich jetzt, ich kannte sein Gesicht, aber ich konnte es nirgends unterbringen, ich danke Ihnen vielmals, Lady Stella.«

      9

      Die Gesellschaft dieser berühmten und ausgezeichneten Leute verlieh Mr. Barnstaple neuen Mut, und ganz besonders die Gesellschaft Stellas. Sie war aber auch wirklich beruhigend, sie brachte so viel von der lieben alten Welt mit und war offensichtlich bereit, die neue Welt bei der ersten besten Gelegenheit den Regeln der alten unterzuordnen. An ihr prallte ein großer Teil des Wunders und der Schönheit, die Mr. Barnstaple gänzlich zu überwältigen drohten, vollkommen ab. Das Zusammentreffen mit ihr und ihren Freunden war an und für sich für einen Mann in seiner Stellung ein zwar nicht sehr wichtiges, aber doch bemerkenswertes Erlebnis, das dazu beitrug, den erstaunlichen Abgrund zwischen dem Einerlei seines normalen Lebens und dieser atemberaubenden Atmosphäre Utopias zu überbrücken. Daß auch Lady Stella und Mr. Burleigh die leuchtende Pracht um ihn herum sehen und über sie sprechen konnten und daß Mr. Freddy Mush sie durch sein kritisches Monokel betrachten durfte, machte sie faßlich und degradierte sie – wenn man diesen Ausdruck in diesem Zusammenhang gebrauchen darf – zu vollkommener Glaubwürdigkeit. Sie wurde dadurch in eine Reihe mit Dingen gebracht, die in die Zeitungen kommen. Allein in Utopia, wäre Mr. Barnstaple so völlig verwirrt worden, daß er geistig zusammengebrochen wäre. Diese sich so unbeschwert benehmende gebräunte Gottheit, die eben jetzt mit Mr. Burleigh Fragen austauschte, wurde durch die Vermittlung dieses großen Mannes dem Geiste zugänglich.

      Doch als Mr. Barnstaples Aufmerksamkeit von den Leuten, die in der Limousine gesessen waren, sich der so prächtig aussehenden Welt, in die er und jene gefallen waren, zuwandte, verschlug es ihm wieder fast den Atem. Was für eine Art von Lebewesen waren eigentlich diese Männer und Frauen einer Welt, in der, wie es schien, schädliches Unkraut aufgehört hatte zwischen Blumen zu wuchern, und wo Leoparden ohne jegliche katzenartige Bosheit mit freundlichen Augen die Vorübergehenden anguckten?

      Es war seltsam, daß die zwei ersten Einwohner, die sie in dieser Welt der bezwungenen Natur gefunden hatten, anscheinend als Opfer eines gewagten Experiments tot dalagen. Noch seltsamer war es, daß die anderen beiden, die sich selbst Brüder des toten Mannes und Mädchens nannten, so wenig Kummer und Trauer angesichts der Tragödie verrieten. Es fiel Mr. Barnstaple auf, daß es keine rührende Szene, keinerlei Bestürzung oder Tränen gab. Sie waren offensichtlich viel mehr verwundert und interessiert, als erschreckt oder betrübt.

      Der Utope, der in der Ruine zurückgeblieben war, hatte den Leichnam des Mädchens herausgeschafft, um ihn neben ihren Gefährten zu legen, und war dann, wie Mr. Barnstaple sah, zurückgekehrt, um die Trümmer des Experiments einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.

      Nun aber erschienen mehrere dieser Leute auf dem Schauplatz. Es gab Flugzeuge in dieser Welt; denn zwei kleine Maschinen, geräuschlos und schnell wie Schwalben im Flug, waren in