"Ich werde Sie anzeigen, wegen Ehrenbeleidigung, das wird noch ein Nachspiel haben... Hier ist Ihr Geld !"
"Und hier sind drei Euro zurück... Wünsche noch weiterhin einen vergnüglichen Abend und jetzt rrraus, bevor ich nachhelfe..."
Rudolf ließ die drei Euro Wechselgeld auf den Boden fallen. Mühsam keuchend quälte sich der Mann aus dem Sitz, machte Anstalten Rudolf ins Gesicht schlagen zu wollen.
"Vorsicht... Ich würde das nicht versuchen, sonst sagen Sie das Nächste was Sie sagen, im Liegen... Ich reiße Ihnen einfach die Schulter aus, Sie Arschloch !"
"Das werden Sie noch büßen, das schwöre ich Ihnen !"
"Ich weiß, ich weiß! Es ist mein Fehler. Ich hätte bedenken sollen, dass es wohl von einem simplen Körperorgan, wie einem Arschloch, etwas zuviel verlangt ist, auch noch Charakter zu haben'. Also dann, ein bisschen Bewegung wird Ihnen gut tun, Ciao, Schlammsack!"
Rudolf stieg in seinen Wagen, wendete und fuhr ohne sich umzusehen davon. Nicht dass er gedacht hätte, grundsätzlich etwas zu bewirken, aber der Mann schrie ja förmlich nach einem Denkzettel. Nun, den hatte er jetzt. Da wo er ihn aussteigen hatte lassen, fände der, um diese Uhrzeit, so schnell kein anderes Taxi, zu abgelegen war die Gegend und es war Hochbetrieb in der Innenstadt. Und von einer Anzeige hatte Rudolf schon lange keine Angst mehr, ohne einen Zeugen eröffnete man das Verfahren erst gar nicht, soviel Erkenntnis hatte seine Erfahrung schon mit sich gebracht.
Zufrieden kaufte er sich an der nächsten Tankstelle eine große Dose Bier, leerte sie während des Fahrens fast in einem Zug, sodass ihm das Wasser in die Augen stieg. Genüsslich rülpste er, gab wieder Gas. Die Nacht war noch jung, da harrten noch viele auf eine Fahrt nach Hause.
"Wie gut, dass niemand weiß... dass ich Stumpelrilzchen heiß'..." er sang es fröhlich und unbeschwert vor sich hin. Vielleicht konnte er ja heute das Mädel von der 'Mademoiselle-Bar" abholen, wäre nicht schlecht, oder...
Aber manche Tage schienen wie verhext. Er konnte tun, was er wollte, hinfahren, wo er wollte, heute bekam gerade er alle Arschlöcher ab, da war kein Kräutlein dagegen gewachsen.
Ein anderer Kunde, stieg ein - ein Bär von Gestalt, stinkbesoffen, wollte sich sofort mit ihm anzulegen, hatte offensichtlich die Aggressionen mit dem Alkohol runtergeschluckt und gut aufgestaut. Und nun sollte Rudolf als Blitzableiter herhalten. Diesmal stieg Rudolf auf gerader Strecke plötzlich und unangekündigt hart auf die Bremse, sodass er mit quietschenden Reifen zum Stehen kam, der Fahrgast neben ihm fast mit der Nase auf der Windschutzscheibe landete. Er zog den Zündschlüssel ab und sprang, bevor sich der Mann fassen konnte, schnell aus dem Wagen. Es war schon verwunderlich, wieviele Fahrgäste er in letzter Zeit einfach aus dem Wagen warf. Lags an den Fahrgästen, oder war seine Toleranzgrenze allzu tief abgesunken.
Wieder ging er um den Wagen herum, riss die Tür auf und brüllte den Mann an. Er solle nur herauskommen, wenn er was von ihm wolle. Was dieser, schnaubend vor Wut, in Zeitlupe, dann auch tat. Rudolf hatte gerade noch Zeit die Tür zuzuschlagen, dann musste er sich auch schon ducken, um dem ersten weit hergeholten Schwinger auszuweichen. Schnell brachte er sich auf der anderen Seite seines Wagens in Sicherheit, sperrte mit der Zentralverriegelung erst einmal ab, sodass der Besoffene nicht wieder einsteigen konnte. Danach lockte er ihn auf den Grünstreifen neben der Fahrbahn, versetzte ihm nach einem neuerlichen Fehlschlag einen Stoß, der Mann fiel ins Gras. Rudolf lief schnell zum Wagen zurück, stieg ein, versperrte die Türen von innen, startete und fuhr einfach davon. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, sich wegen dieser lumpigen paar Kröte noch länger aufzuhalten, womöglich gar die Polizei bemühen zu wollen. Das hätte dann, mit allen Diskussionen und Klärungsversuchen, mindestens noch eine Stunde Aufenthalt gekostet. Er kannte den Vorgang hinlänglich, manchmal blieb einem Nichts anderes übrig. Aber solange es sich so regeln ließ, verzichtete er lieber auf das Geld, es stand in keinem Verhältnis zu Aufwand und Ärger. Und prügeln wollte er sich wegen dieser Lappalie schon gar nicht, dazu war ihm seine gerade Nase denn doch zu schade. Er warnte die Kollegen noch über Funk, den Mann nicht aufzunehmen, der solle nur zu Fuß nach Hause gehen, vielleicht tat es ihm ja sogar gut. Zum Glück war es schon fast vier Uhr Früh. Einen weiteren streitsüchtigen Fahrgast später hatte er genug.
Die heutige Schicht schien offenbar unter einem schlechten Stern zu stehen, er schaltete er seine Dachreklame ab, steuerte die 'Mademoiselle-Bar' an.
"Da weißt Du genau... der Mensch ist 'ne Sau !"
Rudolf grinste ein schiefes Grinsen, als ihm die Refrainzeile dieses alten Wiener Liedes einfiel. Wie zu-zu-zutreffend ! Er musste schauen diesen verblödeten Job wieder loszuwerden. Im Grunde genommen war er auch nicht viel besser, als die kleine Nutte auf die er nun wartete. Überhaupt, nach einiger Zeit in diesem Beruf, erschien einem bald schon die ganze Welt als Hurenhaus. Nicht dass er speziell etwas gegen Hurenhäuser hatte, die operierten wenigstens klar und unmissverständlich, ohne Tarnkappe und Moralanspruch. Die kannten ihre Kunden, wussten, was sie wollten. Mit klaren Geschäftsbedingungen, das eine kostete soundsoviel, das andere soviel, ein bisschen mehr kostete dann eben auch ein bisschen mehr und volles Programm kostete eben auch volle Löhnung, da gab es regelrechte Preislisten. Wenn irgendjemand das nicht passte, so konnte er jederzeit wieder gehen.
Unmissverständliche Richtlinien, nicht so wie im zivilen privaten Bereich; jeder kannte die Ehenutten, die sich ein weiches wohlversorgtes Bettchen ervögelten und dann die 'Grand Dame' spielten, das war Falsch-Spiel, Betrug, Lüge und doch waren es gerade diese "Ehenutten", die sich am meisten aufbliesen. Mit normalen Gefühlen zwischenmenschlicher Natur hatte das jedenfalls nur sehr wenig zu tun, allenfalls mit maßlosem Egoismus, Gleichgültigkeit gegen alle anderen, außer sich selbst, mit Schamlosigkeit, hemmungsloser Kaltblütigkeit und gleichzeitiger Arroganz. Aber was sie alle nicht kapierten war, dass sie nämlich alle für das was sie taten oder auch nicht taten ihren Preis bezahlen mussten. Er selbst war da nicht ausgeschlossen, alle, jeder Einzelne und jede Einzelne, reich oder arm, bezahlten ihren Preis. Es hing nur davon ab, wie man das tat; Selbstmitleid war der eindeutig schlechteste Weg. Dann schon lieber dem Untier ins Gesicht schauen und mit gefletschten Zähnen zurück lachen.
Endlich öffnete sich die Tür der Bar, die Frau, auf die er gewartet hatte, kam heraus, blieb einen Moment lang stehen, sah um sich, bemerkte Rudolf in seinem Wagen, steuerte geradewegs auf ihn zu und stieg ein.
"Hey, sag mal... wo warst Du denn gestern, ich habe sogar zwanzig Minuten auf Dich gewartet... aber dann... habe ich Angst bekommen... der BMW-Fahrer, Du weißt schon..."
"Nein, ich konnte leider nicht, beim besten Willen, ich war verhindert, hatte einen Stich ins Umland, irgend so ein Kaff, da draußen, ich musste fahren. Und dann war's leider schon zu spät!"
"Gib's zu... hast schon wieder irgendeine Tussi abgeschleppt und dann vernascht..."
"Ach, wenn Du wüsstest. Wenn das alle Sorgen wären, die ich habe, dann hätte ich keine Sorgen..."
"Als wir uns das erste Mal trafen, klang das aber noch ganz anders, da dachte ich, ich müsste ganz schnell eine Spendenaktion für Dich einleiten. Also, was ist es diesmal und wieviel brauchst du ?"
"Frag' lieber nicht, sonst hebst du Dir 'nen Bruch. Auf jeden Fall ist meine Lage alles andere als rosig... Komm lass uns, über was anderes reden. Apropos, ich weiß noch immer nicht, wie Du überhaupt heißt... Ich heiße übrigens Prinz Rudolf, ich meine Rudolf Prinz, und Du ?"
"Oh meine Verehrung, euer Hoheit... Meinst Du meinen 'Künstlernamen' oder meinen echten? Da unten im Club heiß' ich 'Nadine', aber meine Mutter hat immer Sascha, also Alexandra, zu mir gesagt... Kannst sagen, was dir lieber ist."
"Ich nehme 'Sascha'. Das klingt richtig nett... was Du ja auch bist. Bist 'ne tolle Frau. Schade dass Du..."
"Eine Hure bist wolltest du sagen, gell? Macht nichts, ich bin's schon gewöhnt. Tu' mir bitte nur einen Gefallen und frag nicht, wie denn ein Mädchen wie ich, zu diesem... Beruf gekommen ist. Das fragen nämlich fast alle Freier. Sonst erzähl'